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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

nachgebend, mehr der klassizistischen Richtung sich zuwandte, ohne sich jedoch in der königlichen Gunst erhalten zu können. Friedrich der Große war auch in dem Punkte dem Beispiele Frankreichs gefolgt, daß er die dort zur Herrschaft gelangte Richtung, welche in Palladio ihr Vorbild sah, begünstigte. Die Antike wurde wieder "mustergiltig", und schon Boumanns hatte antike Bauten nachahmen müssen. So sind beispielsweise die Hedwigskirche und die französische Kirche Nachbildungen des Pantheons (Fig. 628).

Diese neufranzösische "klassische" Bauweise, die eigentlich unter englischem Einflusse sich herausgebildet hatte, fand in Georg von Knobelsdorff (1699-1753) einen Vertreter, der dem Geschmack des Königs völlig zu entsprechen verstand. Er hatte in Paris seine Studien gemacht und brachte nun die dortigen Anschauungen und Formen nach der Heimat zurück.

Seine Bauten in Rheinsberg, das neue Schloß in Charlottenburg, namentlich aber Sanssouci sind ganz in französischem Geiste gehalten. Beachtenswert dabei ist, daß zwar im Baulichen die strenge und einfache Formensprache der Antike beziehungsweise Palladios herrscht, im Zierwerk jedoch die bereits gekennzeichnete Art des "Rokoko" mit ihren krausen Schnörkeln und willkürlich launenhaften Umbildungen von Naturformen fast ausschweifend waltet. Die innere Ausgestaltung von Sanssouci giebt hierfür das eindringlichste Zeugniß. Hier ist das "Rokoko" mit einer anmutigen Feinheit und in einem Reichtum ausgebildet, wie man es in Deutschland kaum noch wiederfindet.

Die für die baukünstlerische Auffassung Knobelsdorffs und somit für die ganze Richtung am meisten bezeichnende Schöpfung ist das Opernhaus in Berlin, dem der Gedanke eines Apollotempels, dessen Cella die Bühne ist, zu Grunde liegt (Fig. 629). Das war nun freilich "geistreich" im Sinne jener Zeit, in der man sich allerlei philosophischen Schwärmereien hingab und auch die Natur nur durch die Brille der antik-klassischen Gelehrsamkeit ansah. Dem inneren Wesen der Baukunst widerspricht es aber, wenn auf bedeutungsvolle Beziehungen das Hauptgewicht gelegt wird, anstatt auf den Zweckgedanken, und in der Regel ist damit auch der Mangel an Formgefühl verbunden. Für erkünstelte Gedanken lassen sich eben keine wahrhaft künstlerischen Formen finden.

Mit Knobelsdorff hatte die "klassische" Richtung in Berlin den vollen Sieg errungen; ihr huldigte auch Carl von Gontard (1738-1802), der, gleichfalls aus der französischen Schule hervorgegangen, bis zu Ende des Jahrhunderts der tonangebende Meister blieb. Als eine auffällige Ausnahme erscheint nur die Bibliothek in Berlin, für welche Fischers Wiener Hofburg das Vorbild abgab.

Die Franzosen in Süddeutschland. In Norddeutschland hatten die Franzosen die deutsche Eigen-Kunst überwältigt und verderbt; länger widerstand ihnen Süddeutschland, doch auch hier kamen sie schließlich obenauf, dank - oder richtiger zu Undank - der Fürstengunst, welche sich den Fremden zuwandte. Die "Pariser" Baukünstler durften an den Höfen nicht fehlen, welche in allem und jedem dem glänzenden Vorbilde des französischen Königtums nacheiferten.

In München, wo man doch so bedeutende Kräfte, wie Effner und Gunezrhainer besaß, tauchte schon 1723 der Franzose François Cuvilliés (1698-1768) auf, der auch kurz vor seinem Tode die oberste Leitung des Bauwesens erhielt, welche Stelle dann an seinen gleichnamigen Sohn (+ 1770) überging. Von den Bauten Cuvilliés' (des Aelteren) sind hauptsächlich zu nennen das Residenztheater und die Amalienburg im Nymphenburger Parke, bei denen die innere Ausgestaltung das wichtigste ist. In derselben erweist sich Cuvilliés allerdings als ein Meister in der Behandlung des Schmuckwerkes, das mit vornehmer Feinheit, aber auch mit einer bemerkenswerten sicheren Kraft gebildet ist. Unverkennbar zeigt sich dabei, daß der Franzose sich dem Einflusse der deutschen Genossen nicht zu entziehen vermochte und sich deren malerischer Auffassung anzuschließen bestrebt war. Die deutsche Kunst erwies sich noch stark genug, um den Fremden zu einer Wandlung seiner Eigenart zu bestimmen, so daß ihn seine Landsleute nicht mehr als vollgiltigen Pariser, sondern als "Provinzler" betrachteten.