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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

Es war dies der Sohn eines eingewanderten Niederländers Oppenort (richtig Gille Marie Op den Oordt), ein Schüler Hardouin-Mansarts, der jedoch in Rom sich weiter ausgebildet hatte. Sein erstes größeres Werk, der Ausbau der Kirche Saint Sulpice, zeigt ihn noch als einen maßvollen Meister, welcher seine Einbildungskraft noch zügelt, wenn er auch die Formen frei und malerisch behandelt und auf das Zierwerk das Hauptgewicht legt. Doch schon in der Ausschmückung des Palais royal, mit der er beauftragt worden war, läßt er seiner geistvollen Ungebundenheit freien Lauf. Die geometrischen Formen weichen den geschwungenen Linien, das Zierwerk verliert allen Zusammenhang mit dem Baulichen und wird zum Selbstzweck, durch Vielgestaltigkeit und anmutige Leichtigkeit soll es die Sinne reizen. Oppenorts Zierkunst begegnet in diesem Punkte jener Watteaus: sie ist sinnlich, üppig und gefallsam. - Oppenorts Weise, mit ihrer starken Betonung des malerischen Schmuckes und ihrer freieren Formensprache, fand zunächst Nachahmung bei den zahlreichen Hotelbauten, die damals entstanden; denn alle Kreise wetteiferten in Entfaltung des Reichtums und in Förderung der Kunst, die "Mode" geworden war. Unter den Baumeistern, welche auf diesem Gebiete hervorragend thätig waren, sind insbesondere bemerkenswert Jean Alexandre Leblond (1679-1719) und Robert de Cotte, der die Verwendung großer Spiegel zur Ausschmückung von Wandflächen einführte, während Leblond für eine neue Art der Raumeinteilung eintrat. Er befürwortete die Anlage nur einstöckiger Hauptbauten, die zwischen Hof und Garten liegen und blos die für die Herrschaft bestimmten Gemächer enthalten sollen, während alle sonstigen Wirtschafts- und Dienerräume in Nebengebäuden unterzubringen seien. Auch gegen die steilen Dächer sprach er sich aus.

Italienische Einflüsse. Jetzt kam auch wieder italienischer Einfluß zur Geltung. Der Bau des Palais Bourbon wurde einem Italiener (Giardini) übertragen, und - allerdings hauptsächlich auf dem Gebiete des Kunstgewerbes - als führender Meister trat der in Italien ausgebildete Aurèle Meissonier (1693-1750) auf, der völlig der barocken Kunstweise huldigte. Die Zahl seiner Bauten ist zwar gering, aber durch seine Entwürfe, welche sich über alle Ueberlieferungen kühn hinwegsetzten, übte er einen starken Einfluß auf seine Kunstgenossen, die in seiner blendenden, ausschließlich auf das Anmutige, ohne Rücksicht auf Regeln, abzielenden Kunstweise auch dasjenige fanden, was der herrschende Geschmack verlangte.

Das "Klassische" hatte in der Gesellschaft seine Anziehungskraft verloren und die Bauakademie kämpfte vergeblich gegen die neue Mode an.

Ihr eigener Direktor, der bereits genannte Robert de Cotte, gab ihr bei der Ausgestaltung der königlichen Schlösser (Versailles, Trianon) nach, und einer ihrer bedeutendsten Lehrer, Germain Boffrand, trug nicht wenig dazu bei, daß sie in der Fremde weite Verbreitung fand. Wohl verfochten sie in Wort und Schrift die "klassischen Regeln" und verurteilten die Barockkunst, stellten dieser die "edle Einfachheit" entgegen; aber in ihrer Thätigkeit verleugneten sie die eigenen Grundsätze. Im Aeußeren der Bauten suchte diese ganze damalige Schule zwar den akademischen Regeln Rechnung zu tragen, für diesen Zwang entschädigte sie sich aber im Innern, indem sie in der Ausschmückung ihrer geistreichen Einbildungskraft und anmutigen Erfindungsgabe volle Freiheit ließen. Die Gegensätze beherrschten eben das französische Bauwesen während des ganzen 18. Jahrhunderts; die klassische Strenge der Antike und wissenschaftliche Gelehrsamkeit auf der einen, das übermütigste Rokoko und spielerische Einbildungskraft auf der anderen Seite bekämpfen einander, und erzeugen auch in den Künstlern selbst einen Zwiespalt. Der Geschmack der Zeit, geleitet und bestimmt durch die Maler und Kunstgewerbler, weist sie auf die Zierlichkeit und Ueberfeinerung des Rokoko hin, welches alle Kraft und Größe in Sinnenreizen auflösen will; diese Künstler sind jedoch nicht stark genug, um einerseits dem Einflusse dieses Geschmackes, andrerseits jenem der schulmäßigen Ueberlieferungen sich zu entziehen, und nicht nach erkünstelten Regeln sondern aus frischer Gestaltungskraft wieder Größe und Kraft der Baukunst zu verleihen und beides mit Schwung zu verbinden.

Die klassische Richtung. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts sehen wir bereits drei Parteien auf dem Schauplatze. Hof und Staat halten selbstverständlich noch zu der