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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Das 19. Jahrhundert

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Das 19. Jahrhundert.

Das junge Geschlecht, welches mit den Ueberlieferungen der Vergangenheit vollständig gebrochen hat und mit eben so viel Eifer wie Begabung an der Ausbildung der modernen Kunst arbeitet, besitzt unter der Fülle bedeutenderer Talente als hervorragende Führer namentlich: Leopold Graf Kalckreuth (geb. 1855), Franz Skarbina (1849), Franz v. Stuck (1863), Fritz v. Uhde (1848), Max Liebermann (1847), welcher die geheimsten Schönheiten der Natur mit feinstem Farbengefühl wiedergiebt, Max Klinger (1857), ein moderner "Renaissance-Mensch", der das ganze Gebiet der Kunst beherrscht und vielleicht am besten den Kunstgeist der Neuzeit vertritt, Ludwig v. Hofmann (1861), der Meister des "modernen Idealismus", welcher den heiteren Märchenzauber mit vollendeter Farbenkunst wiedergiebt.

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Die Bildnerei. Auf dem Felde der Bildnerei war es der Venezianer Antonio Canova (1757-1822), welcher zuerst wieder auf die Antike zurückgriff, deren Formenreinheit und einfache Schönheit anstrebte, ohne jedoch noch sich ganz von der malerischen und verkünstelten Auffassung der Barockkunst befreien zu können. Damit war die "klassizistische" Bahn eröffnet, und einer der ersten, der ihr folgte, war der Deutsche Joh. Heinrich Dannecker (1758-1841). In Frankreich wirkten Antoine Denis Chaudet (1763-1810), in England John Flaxmann ^[richtig: Flaxman] (1755-1826) für die Wiederbelebung der Antike; der Hauptmeister der Richtung wurde jedoch der Däne Bertel Thorwaldsen (1770-1844), dessen Werke ganz im antiken Geiste gehalten, durch strenge Einfachheit und vollendete Formschönheit (vgl. die Tafel) sich auszeichnen. Neben dieser antikklassischen Richtung, welche auf lange hinaus die herrschende wurde, machte sich aber in Deutschland noch eine andere geltend, welche die einfache Wahrheit der Natur, die Wirklichkeit des Lebens wiederzugeben anstrebte. Sie wurde begründet von Joh. Gottfried Schadow (1764-1850) und fand ihren Hauptmeister in Christian Rauch (1777-1857), bei dessen Bildnis-Standbildern die Lebenstreue durch Züge von antiker Schönheit gemildert erscheint. Die naturalistische Schule Rauchs fand ihre weitere Fortsetzung und Ausbildung namentlich durch Ernst Rietschel (1804-1861) und Reinhold Begas (1831). Der aus dem Klassizismus hervorgegangenen idealisierenden Richtung gehören Ernst Hähnel (1811-91) und dessen Schüler, Johannes Schilling (1828) und Karl Kundmann (1838), sowie Ludwig Schwanthaler (1802-1848) an, welch' letzterer einen gewissen "romantischen Zug" in seinen Werken aufweist. Aus seiner Schule ging Ant. Dominik Fernkorn (1813-78) hervor, während eine österreichische Gruppe, Hans Gasser (1817-68), Caspar Zumbusch (1830) und Victor Tilgner, naturalistische, idealistische, romantische und malerische Grundzüge in ansprechender Weise vereinigt.

In Frankreich behauptete natürlich die klassische Richtung das Feld, nachdem der ursprünglich streng antiken eine idealisierte Naturauffassung gefolgt war, als deren Hauptvertreter François Rude (1785-1855) und François Duret (1804-65) erscheinen. Als Vorkämpfer eines rücksichtslosen Naturalismus trat Pierre Jean David aus Angers (1793-1856) auf, der in dem Tierbildner A. L. Barye (1795-1875) einen ebenbürtigen Genossen fand. Die moderne realistische Richtung besitzt in dem Belgier Constantin Meunier (1831) ihren unübertroffenen Hauptmeister und Führer, während der Pariser Auguste Rodin (1840) das jüngere Geschlecht vertritt, das mit allen Schulüberlieferungen gebrochen hat.

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Die Baukunst. In der Besprechung der Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts wurde bereits eingehend der Einfluß der Antike auf die Baukunst erörtert. Dieser stieg natürlich noch in dem Zeitalter der französischen Revolution, in welchem der ernste und strenge dorische Stil vorbildlich wurde. Der Zug Napoleons nach Aegypten hatte auf letzteres Land die Aufmerksamkeit gelenkt, und man nahm auch im Bauwesen verschiedene ägyptische Züge auf; in der Hauptsache aber griff man in der Zeit des napoleonischen