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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Adam

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Adam de la Hal(l)e

bildete Gott den Menschen (hebr. adam) aus Erde (hebr. adama) und blies ihm lebendigen Odem ein. Hierauf schuf Gott den Garten in Eden (das Paradies) und setzte den Menschen hinein, damit er ihn bebaue. In der Mitte dieses Gartens befanden sich zwei Bäume, der des Lebens und der der Erkenntnis des Guten und Bösen. Von letzterm zu essen, ward dem Menschen verboten. Gott, erwägend, daß es für den Menschen nicht taugt allein zu sein, schuf hierauf die Tiere und führte sie zu A., der ihnen Namen beilegte. Aber der Mensch fand darunter für sich keinen Beistand. Da ließ Gott einen tiefen Schlaf auf A. fallen, nahm eine seiner Rippen, bildete daraus das Weib, und führte sie zu A., der sie (nach einer Volksetymologie) Männin (hebr. ischa) nannte, als vom Manne (hebr. isch) genommen. Das erste Menschenpaar verscherzte sich aber den Aufenthalt im Gottesgarten. Das Weib ließ sich von der Schlange verführen, von dem Baume der Erkenntnis zu genießen, und gab auch A. davon. Zur Strafe wurden sie aus dem Paradiese verwiesen und dies für alle Zeiten versperrt, indem der Cherub mit flammendem Schwerte davor gestellt ward. Dieser Mythus gehört zu denjenigen, die zur Zeit der assyr. Herrschaft infolge des Eindringens östl. Kulte nach Palästina eingewandert sind. Die Schlange ist deutlich Umbildung des bösen Gottes der östl. Religionen, der die Schöpfung des guten Gottes zu stören sucht; die Bäume des Lebens und der Erkenntnis haben dort ihre Parallelen. Palästinisch ist die Umbildung des Dämons zur Schlange, die Beziehung der Schöpfung auf Jahwe und vielleicht der Name A. - Nach der zweiten, jüngern Erzählung von der Schöpfung (Kap. 1) wird der Mensch sofort als Mann und Weib und als Gipfel und Vollendung der gesamten Schöpfung geschaffen und ihm die Herrschaft über dieselbe gegeben. Das jüngere Alter von Kap. 1 zeigt sich schon in der verständigen Weise, in der die Reihenfolge der Schöpfungsakte als eine vom Unvollkommenen zum Vollkommenern aufsteigende beschrieben wird. Das in Kap. 1 sich widerspiegelnde Naturerkennen ist viel vollkommener, als das in Kap. 2 gegebene. Auch in Kap. 1 liegt übrigens monotheistisch umgebildeter heidn. Mythus vor.

Die orient. Spekulation hat sich auch später noch mit A. und Eva beschäftigt. Nach einer jüd. Sage liegt A. in Hebron neben den Patriarchen begraben, nach der christlichen auf Golgatha. Nach dem Koran bereitete Gott den Körper seines Statthalters auf Erden aus trocknem Thon und den Geist aus reinem Feuer. Alle Engel bezeugten dem neuen Geschöpf ihre Ehrfurcht, nur Iblis nicht, der deshalb aus dem Paradiese verstoßen wurde, das nun A. erhielt. Im Paradiese ward Eva erschaffen. Aus Rache verführte Iblis die Menschen, und sie wurden auf die Erde herabgestürzt. Des reuigen A. erbarmte sich Gott und ließ ihn in einem Gezelte an der Stelle, wo dann der Tempel zu Mekka errichtet ward, durch den Erzengel Gabriel die göttlichen Gebote lehren, die A. treu befolgte, worauf er auf dem Berge Arafat nach 200 Jahren die Gattin wiederfand. Nach seinem Tode wurde er auf dem Berge Abukais bei Mekka begraben. Evas Grab wird gleichfalls an verschiedenen Orten gezeigt. Die spätern Sagen der Juden und Mohammedaner finden sich in Eisenmengers "Entdecktes Judentum" (Frankf. 1711) und in d'Herbelots "Bibliothèque orientale" (Par. 1667; 4 Bde., Haag 1777-79).

Im theol. System des Paulus (vgl. Röm. 5,14; 1 Kor. 15,45) tritt der erste Mensch, als Urheber der Sünde und des Todes, in Gegensatz zu Christus, dem zweiten A., dem Urheber des Lebens; daher "den alten A. ausziehen", d.h. die vorchristl. Daseinsweise aufgeben, u. ähnl., nach Paulus aus Koloss. 3, 9, aus Ephes. 4, 22 u. ö. (vgl. Luthers 4. Hauptstück des Katechismus). In dem Emanationssystem der Ophiten und Manichäer sowie in der der Mandäer wird als A. oder "erster Mensch", "Urmensch", einer der ersten Äonen (s. d.) bezeichnet.

In der christl. Kunst des Mittelalters fanden A. und Eva im Paradiese sowie der Apfelbaum als Symbol der Erbsünde häufig Anwendung, z. B. wird die Geburt der Eva aus der Rippe des A. oder der Sündenfall, A. und Eva nackt, mit Feigenblättern umgürtet, neben dem Baume der Erkenntnis oder die Austreibung aus dem Paradiese dargestellt. - Vgl. Friedrich, Bildliche Darstellung des A. und der Eva, in der "Wartburg", Jahrg. 6 (Münch. 1879); Breymann, A. und Eva in der Kunst des christl. Altertums (Wolfenb. 1894).

In der Litteratur des Mittelalters ist die Geschichte A.s und Evas oder des Sündenfalls schon frühzeitig, wie namentlich in Frankreich, als Stoff zu Mysterien (s. d.) und andern Dichtungen benutzt worden. Die ältere christl. Litteratur kennt auch sog. Adambücher, von denen das der Äthiopier am bekanntesten ist (deutsch von Tillmann, Gött. 1853); dieses giebt eine phantasievolle Ausmalung des Lebens und der Verhältnisse der ersten Menschen unter Einflechtung dogmatischer Ansichten vom Urzustände, vom Falle und von der Erlösung, an die sich die weitere Geschichte der Menschen bis Christi Geburt anschließt. Da der Talmud ein verloren gegangenes jüd. Adambuch erwähnt und die Wurzel der Schriftstellerei, die sich mit der Verherrlichung der religiösen Heroen der Menschheit beschäftigt, im Judentum liegt, so ist zu vermuten, daß diese christl. Adamsbücher einen ursprünglich jüd. Stoff verarbeiteten.

Adam de la Hal(l)e, genannt le bossu d'Arras (der Bucklige von Arras), altfranz. Dichter und Komponist, geb. um 1235 zu Arras, machte, zum Geistlichen bestimmt, lat. Studien, heiratete aber ein Mädchen aus Arras, ward ihrer jedoch bald überdrüssig, begab sich nach Douai und 1283 mit Robert, Graf von Artois, als Menestrel nach Neapel, wo er um 1288 starb. Von A. sind Chansons, Rondeaux, Motets, jeux partis, ein Abschied (congé), ein Klagegedicht (Bruchstück) und zwei Liederspiele erhalten. Für die Geschichte der Musik ist A. dadurch von Interesse, daß er, als einer der ersten, auf freiere Weise mehrstimmig zu komponieren versuchte, indem er zwar den Regeln des Guido von Arezzo und seiner Nachfolger, die in mehrstimmigen Sätzen nur ununterbrochene Reihen von Quinten, Quarten und Oktaven duldeten, im allgemeinen folgte, Gegenbewegungen und andere harmonischere Kombinationen einmischte. Die überlieferten Melodien A.s finden sich bei Coussemaker, "A., Œvres complètes" (Par. 1872). In seinem ersten Spiele, "Jeu de la Feuillée" (1262), einer ausgelassenen mundartlichen Satire, tritt A. selbst auf, im Begriff, der Heimat den Rücken zu kehren; das zweite Stück, in Neapel geschrieben, "Jeu de Robin et de Marion", ist eine dramatisierte Pastourelle (s. d.), ein anmutiges und frisches, jahrhundertelang oft aufgeführtes Spiel, und kann als das älteste Liederspiel betrachtet werden. - Vgl. Bottée du Toulmon, Notice sur A. d. l. H.; Bahlsen,