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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Landsting - Landsturm
der Amtsgewalt ausgestatteten Markgrafen; so-
dann aber hatten die königl. Sendboten (nn88i 60-
ininici) auf ihren jährlichen Inspektionsreisen die
Verpflichtung, solche Versammlungen in ihren
Amtsbezirken abzuhalten und auf ihnen die Lan-
desangelegenheiten zu erörtern. Als nach dem
Verfall des karoling. Königtums die Institution der
niiäLi unterging und in den einzelnen Stamm-
gebieten die herzogl. Gewalt wieder auflebte, welche
nun durch das Lehnsband mit dem Königtum ver-
knüpft war, ging das Recht und die Pflicht zur Ab-
haltung von Landtagen behufs Aufrechthaltung der
Rechtsordnung und des Landfriedens auf die Her-
zöge und bei der feit dem 11. Jahrh, sich vollziehen-
den Zerstückelung ^der alten Nationalherzogtümer
auf die einzelnen Fürsten hinsichtlich der von ihnen
beherrschten Territorien über. Auf dieser Entwick-
lung beruht die Entstehung der Landtage.
Durch die Ausbildung des Feudalwesens wurde
der Charakter und die Bedeutung der L. umgebil-
det. Die Fürsten hatten ihre obrigkeitliche Ge-
walt als ein Privatrecht und hatten einerseits die
Einkünfte aus ihren Besitzungen und Gerechtsamen
zur freien Verfügung, andererseits alle mit den
Regierungsaufgaben verbundenen Ausgaben aus
eigener Tasche zu bestreiten. Die Unterthanen hat-
ten nur die auf der Lehns-, Schutz- oder Grund-
herrlichkeit beruhenden bestimmten Abgaben und
Dienste zu leisten; eine durch öffentlich-rechtliche
Gesichtspunkte beherrschte Steuerpflicht gab es nicht.
Wenn daher der Fürst für außerordentliche Ve-
dürfnifse oder wegen eines Notstandes Zuschüsse
brauchte, so mußte er sich an die Magnaten, Kor-
porationen und Kommunen mit der Bitte (Bede,
pkUUo) um Geldbewilligung wenden. Zu diesem
Zwecke fanden gemeinsame Veratungen derselben
statt, und um die Bewilligung von ihnen zu erlan-
gen, war es nicht nur erforderlich, ihnen die Fi-
nanzlage und die Gründe der Forderung klar zu
legen, sondern gewöhnlich muhte die Geldbewilli-
gung durch Erteilung von Privilegien und Zuge-
ständnissen aller Art erkauft werden. Sodann hat-
ten Grundbesitzer, geistliche Stifter und Kommunen
ein sehr ausgedehntes Recht der Selbstverwaltung
und der Autonomie, und aus diesem Grunde konn-
ten neue Rechtsnormen und allgemeine Einrichtun-
gen nur mit ihrem Beirat und ihrer Zustimmung
eingeführt werden. Auf diesen beiden Rechten der
Geldbewilligung und des Konsenses zu Gesetzen be-
ruhte im Mittelalter die Macht der L. Dadurch,
daß sich die letztern korporativ zusammenschlössen
und sich eine oft sehr verwickelte Organisation gaben,
schützten sie sich im Besitz dieser Machtstellung gegen-
über dem Fürsten. Seit dem 16. Jahrh, aber, in-
folge des Verfalls des Lehnswesens, durch das
Aufkommen des modernen Staatsbegriffs und das
Eindringen des röm. Rechts, durch die Ausbildung
einer Verwaltung durch Beamte, der stehenden
Heere, der indirekten Steuern (Accise) u. s. w. ver-
fiel in den meisten deutschen Staaten die Institution
der L. und trat vor der Landeshoheit des Fürsten
ganz in den Hintergrund. Nur ausnahmsweise er-
hielten sich die L. teilweise im Besitz der Macht;
so in Württemberg, Sachsen und Mecklenburg. So-
weit Überreste derselben noch vorhanden waren,
schwanden auch sie mit der Einführung der kon-
stitutionellen Verfassungsform. (S. Landtag.) -
Vgl. Unger, Geschichte der deutschen L. (2 Bde.,
Hannov. 1844).
Landsting, deutsch oft Landsthing geschrie-
ben, heißt in Dänemark nach dem am 28. Juli 1866
revidierten Grundgesetz von 1849, wonach Folke-
ting und L. die Volksrepräsentation bilden, die
Reichsversammlung (Erste Kammer) von 66 Mit-
gliedern (s. Dänemark, Bd. 4, S. 763 a).
Landstreicher, s. Vagabund.
Landstuhl, Stadt im'Bezirksamt Homburg des
bayr.Reg.-Vez. Pfalz, am Land stuhler Bruche und an
den Linien Neunkirchen-Kaiserslautern und L.- Kuscl
(28,71cm) der Pfalz. Eisenbahnen, Sitz eines Amtsge-
richts (Landgericht Zweibrücken), hat (1890) 3642 E.,
darunter 396 Evangelische und 35 Israeliten, Post-
erpedition, Telegraph, kath. und evang. Kirche, La-
teinschule, Hospital, Waisenhaus, Wasserleitung,
Vorschußverein, Sparkasse; Ketten- und Draht-
fabrikation, Steinbrüche, Viehzucht und Torfstich.
Auf einer Höhe Überreste der Burg Sickingen, wo
Franz von Sickingcn bei der Belagerung 1523 starb.
Landsturm, der allgemeine Aufruf aller waffen-
fähigen Männer zur Verteidigung gegen feindlichen
Einfall. Im Deutschen Reiche besteht nach dem
Gesetz vom 1). Febr. 1888 der L. aus allen Wehr-
pflichtigen vom vollendeten 17. bis zum vollendeten
45. Lebensjahre, die weder dem Heere noch der Ma-
rine angehören. Er wird in zwei Aufgebote einge-
teilt. Zum L. 1. Aufgebots gehören die Landsturm-
pflichtigen bis zum 31. März desjenigen Kalender-
jahres, in dem sie ihr 39. Lebensjahr vollenden;
von da ab bis zur Vollendung des 45. Lebens-
jahres zum 2. Aufgebot. Der Aufruf erfolgt nach
Jahrgängen in der Regel durch kaiserl. Verord-
nung. Aus den aufgerufenen Jahrgängen werden
die ausgebildeten Landsturmpflichtigen, 0. h.
die Leute, welche im Heere oder der Marine gedient
hatten und bei Vollendung des 39. Lebensjahres aus
dem 2. Aufgebot der Landwehr oder Seewehr (s. d.)
zum L. 2. Aufgebots übergetreten sind, unmittel-
bar zum aktiven Dienst einberufen. Die unaus-
gebildeten Landsturmpflichtigen, d.h. die Leute
vom 17. bis 45. Lebensjahr, welche im Heer oder
der Marine nicht gedient haben, sind dagegen vor
der Einberufung zum aktiven Dienst der Musterung
und Aushebung unterworfen, zu welchem Zweck
sie sich nach Erlaß des Aufrufs bei der Ortsbehörde
zur Eintragung in die Landstammrolle anzu-
melden haben. Die Aufgerufenen sind den Mi-
.litärstrafgesetzen und der Disciplinarstrafordnung
unterworfen. Im Frieden finden weder Kontrolle
uoch Übungen der ausgebildeten und unausgebil-
deten Landsturmpflichtigen statt. Der L. ist in einer
für feine militär. Verwendung geeigneten Art zu
bewaffnen, auszurüsten und zu bekleiden. Die
Auflösung des L. wird vom Kaiser angeordnet. -
In Preußen wurde der L. durch Kabinettsbefehl
17. März 1813 errichtet. Das Gesetz vom 3. Sept.
1814 bezeichnet den L. zuerst als Teil der Wehr-
macht. Der Norddeutsche Bund setzte im Gesetz vom
9. Nov. 1867 die Grenze der Landsturmpflicht vom
vollendeten 50. auf das vollendete 42. Jahr herab.
In Österreich-Ungarn zerfällt der L. nach dem Ge-
setze von 1886 ebenfalls in zwei Aufgebote, deren
erstes die Mannschaft vom 19. bis 38. Lebensjahre
umfaßt, während das zweite aus den 38-42 Jahre
alten Mannschaften besteht. - Auch Italien und
dieSchweiz haben ihren L. militärisch organisiert.
Ost erreich besaß schon 1511 eine auf dem Inns-
brucker Libell beruhende Landsturmordnung (in
Tirol Zuzugsordnung), die später in Vergessenheit