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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Rechtskonsulent - Rechtssache.

oder der Zusicherung gleicher R. seitens des requirierenden Gerichts der Fall. Für das Deutsche Reich gilt nach dem Gerichtsverfassungsgesetz (§ 157 ff.) der Grundsatz, daß das gesamte Reichsgebiet, was die R. anbelangt, als das Gebiet eines einzigen Staats zu behandeln ist. Das Ersuchen um R. ist an das Amtsgericht zu richten, in dessen Bezirk die Rechtshandlung vorgenommen werden soll.

Rechtskonsulent, früher s. v. w. Rechtsanwalt; jetzt im Gegensatz zu diesem derjenige, welcher, ohne zur advokatorischen Praxis zugelassen zu sein, gewerbsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgt und Geschäfte bei den Behörden wahrnimmt. Die deutsche Gewerbeordnung (§ 35) hat für Rechtskonsulenten (im Volksmund auch "Winkeladvokaten" genannt) die Bestimmung getroffen, daß ihnen die Befugnis zur Ausübung ihres Gewerbes entzogen werden kann, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbtreibenden in Bezug auf dessen Gewerbebetrieb darthun. Der R. kann namentlich in Prozessen vor dem Amtsgericht als Prozeßbevollmächtigter auftreten, während im Anwaltsprozeß ein Rechtsanwalt die Partei vertreten muß.

Rechtskraft (lat. Res judicata, franz. Chose jugée), die Unanfechtbarkeit eines gerichtlichen Urteils durch ein ordentliches Rechtsmittel (formelle R.) und infolge davon die Unabänderlichkeit desselben (materielle R.) und des dadurch geschaffenen Rechtszustandes. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten sind nur solche Entscheidungen der R. fähig, welche nach vorgängigem Gehör beider Teile, oder nachdem doch wenigstens den Parteien Gelegenheit dazu gegeben worden, erlassen werden. Solche Urteile können nämlich durch Rechtsmittel angefochten werden, um eine nochmalige Prüfung und Entscheidung der Sache in höherer Instanz herbeizuführen. So gibt die deutsche Zivilprozeßordnung (§ 472 ff.) die Rechtsmittel der Berufung und der Revision, während sie gegen ein Versäumnisurteil und im Mahnverfahren dem Verklagten doch wenigstens ein Recht des Einspruchs verstattet. Ist aber die hierzu gesetzte Frist abgelaufen, oder ist der Instanzenzug erschöpft, kurz, ist gegen ein Urteil ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig, so wird dasselbe als "rechtskräftig" angesehen und der Inhalt desselben nötigen Falls im Weg der gerichtlichen Zwangsvollstreckung verwirklicht. Nur ausnahmsweise kann, auch wenn ein rechtskräftiges Erkenntnis vorliegt, die Wiederaufnahme des Verfahrens ermöglicht werden, und zwar entweder durch eine Nichtigkeitsklage bei etwaniger Nichtigkeit (s. d.) des Verfahrens aus den im Gesetz aufgeführten Gründen, oder im Weg der "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" (s. d.), ebenfalls aus den gesetzlichen Gründen. Im Strafprozeß sind nur eigentliche Urteile, die am Schluß des Verfahrens erteilt werden und entweder eine Verurteilung oder eine Freisprechung des Angeklagten aussprechen, der R. fähig. Sie erlangen diese, wenn die Frist zur Einwendung eines ordentlichen Rechtsmittels (Berufung, Revision) abgelaufen, oder wenn ein weiteres Rechtsmittel nicht mehr gegeben, also in letzter Instanz entschieden ist. Aber auch hier ist unter Umständen im Interesse der materiellen Wahrheit eine Wiederaufnahme des Verfahrens gestattet, und zwar ist eine solche nach der deutschen und ebenso nach der österreichischen Strafprozeßordnung nicht nur zu gunsten eines verurteilten Angeschuldigten, sondern auch zu ungunsten eines Freigesprochenen gegeben, welch letzteres nach französischem und englischem Recht nicht der Fall ist (s. Wiederaufnahme des Verfahrens). Vgl. Deutsche Zivilprozeßordnung, § 303-312, 472 bis 529, 634-640, 644-670; Deutsche Strafprozeßordnung, § 234, 338-345, 354-413, 452.

Rechtsmittel (Remedium juris), im allgemeinen alle Mittel zur Wahrung oder Geltendmachung von Rechten, wie Klagen, Einreden, Beschwerden, Gesuche um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand etc.; im engern und eigentlichen Sinn die im Prozeßrecht dargebotenen Mittel, um eine richterliche Entscheidung, durch welche man sich verletzt fühlt, anzufechten und eine nochmalige Prüfung und Entscheidung der Sache in höherer Instanz herbeizuführen. Zur Einwendung dieser R. laufen bestimmte Fristen (s. Notfrist), mit deren Ablauf das nicht angefochtene Urteil die Rechtskraft (s. d.) erlangt. Um aber der Verzögerung von Rechtsstreitigkeiten und strafrechtlichen Untersuchungssachen möglichst vorzubeugen, ist die moderne Gesetzgebung auf Vereinfachung des Verfahrens in der Rechtsmittelinstanz und auf Beschränkung der Zahl der R. bedacht, wie denn namentlich die deutsche Zivilprozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten außerdem R. der Beschwerde (s. d.) nur eine einmalige Berufung (s. d.) und nur gegen die von den Oberlandesgerichten in der Berufungsinstanz erlassenen Endurteile unter bestimmten Voraussetzungen das R. der Revision (s. d.) statuiert, während nach der deutschen Strafprozeßordnung, abgesehen von der Beschwerde, bloß gegen Urteile der Schöffengerichte das R. der Berufung, gegen Urteile der Landgerichte und der Schwurgerichte aber nur das der Revision gegeben ist.

Rechtsnachfolge (Succession), Eintritt einer Person (Rechtsnachfolger, Successor) in ein bestehendes Rechtsverhältnis. Dabei ist zwischen Singularsuccession, im Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs "Sondernachfolge" genannt, d. h. dem Eintritt in ein einzelnes bestimmtes Rechtsverhältnis, und Universalsuccession zu unterscheiden. Letztere bezeichnet den Übergang der Gesamtheit der Vermögensrechtsverhältnisse einer Person auf eine andre, wie er bei der Erbfolge stattfindet.

Rechtspflege (Justiz), die Thätigkeit der gerichtlichen Behörden zur Verwirklichung eines bestrittenen oder gestörten Rechts (s. Gericht). Das Verfahren, durch welches eine Rechtssache der richterlichen Entscheidung zugeführt wird, heißt Prozeß. Aus der Verschiedenheit seines Gegenstandes, der Entscheidung streitiger bürgerlicher Rechtsansprüche und der Untersuchung und Bestrafung verbrecherischer Handlungen, ergeben sich zwei Hauptarten desselben: Zivilprozeß (s. d.) und Strafprozeß (s. d.). Streitigkeiten, welche sich auf das Gebiet des öffentlichen Rechts beziehen, gehören vor die Verwaltungsbehörden (Verwaltungsrechtspflege); doch sind auch gewisse Privatrechtsstreitigkeiten aus Zweckmäßigkeitsrücksichten an dieselben verwiesen, z. B. Streitigkeiten wegen Ablösung von Reallasten, Gesindestreitigkeiten u. dgl. (sogen. Administrativjustiz). Im Fall gehemmter oder verweigerte R. ist die Beschwerde wegen Rechtsverweigerung (s. d.) gegeben.

Rechtsphilosophie, s. Vernunftrecht.

Rechtsritter (Gerechtigkeitsritter, Chevaliers de justice), die wirklichen kapitelfähigen Mitglieder eines Ritterordens im Gegensatz zu den Ehrenrittern (Gnadenrittern, Chevaliers de grâce). Vgl. Johanniterorden, S. 247 f.

Rechtssache (Justizsache), eine vor Gericht zu verhandelnde Sache. Den Gegensatz hierzu bilden Verwaltungs- (Administrativ-) Sachen, welche von der Verwaltungsbehörde behandelt werden.