Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Anicet-Bourgeois; Anicētus; Anich; Aniche; Anidrōsis; Anil; Anilin

590

Anicet-Bourgeois - Anilin.

dytische Stadt bildeten. A. war im 5. Jahrh. noch ein kleines Fort, ward dann 961 Residenz der Bagratiden, als solche erweitert, befestigt und mit Palästen und Kirchen geziert und gehörte bald zu den prächtigsten Herrschersitzen Vorderasiens. Nach der Sage zählte es 100,000 Häuser und 1001 Kirchen. Nachdem die Stadt schon 1040 von den Byzantinern erobert worden, fiel sie später den Seldschukken, dann den kurdischen Beni Schedda in die Hände und wurde von 1125 bis 1209 fünfmal von den Georgiern erobert. Durch solche Stürme bereits um ihren Glanz gebracht, wurde sie 1319 durch ein Erdbeben völlig verwüstet. Ihre vormalige Größe bezeugen jetzt nur noch ihre Ruinen, welche einen Raum von 5,5 km im Umkreis bedecken und von russischen Archäologen genauer untersucht worden sind. Vgl. Brosset, Les ruines d'A. (Petersb. 1860-61, 2 Bde.).

Anicet-Bourgeois (spr. -ssä-burschŏa), Auguste, franz. Theaterdichter, geb. 25. Dez. 1806 zu Paris, genoß als der Sohn armer Eltern eine sehr dürftige Erziehung und trat 1821 als Schreiber bei einem Pariser Sachwalter ein. Nachdem er in dieser Stellung 1825, kaum 19 Jahre alt, sein erstes Stück, das Melodrama "Gustave, ou le Néapolitain", mit Erfolg auf die Bühne gebracht, widmete er sich ganz der Bühnenschriftstellerei. Er schrieb Volksstücke im gröbern Stil, Lustspiele, Vaudevilles, Texte zu komischen Opern, ernste Dramen und Tragödien, im ganzen etwa 200 Werke, allerdings nicht ohne Beihilfe von Mitarbeitern, unter denen vorzüglich Ducange, Lockroy, Villeneuve und Brisebarre Erwähnung verdienen, während umgekehrt mehrere der besten Stücke, welche den Namen Alex. Dumas' tragen (z. B. "Térésa", "Angèle" und "Catherine Howard"), A. zum Verfasser haben. In den letzten Jahren seines Lebens schrieb A. fast nur noch Feerien oder vielmehr den Text zu glänzend hergerichteten Ausstattungs- und Paradestücken. Er starb 18. Jan. 1871 in Pau. Von seinen Stücken haben sich bis in die letzte Zeit auf dem Repertoire erhalten: "J'enlève ma femme" "Passé minuit", "La joie de la maison", "Les trois épiciers", "Le maître d'école", "La petite Fadette", "La fiole de Cagliostro", "Pascal et Chambord", "Cotillon III" etc.; ferner die Dramen: "La pauvre fille", "Le docteur noir", "Atar-Gull", "Madeleine", "Les fugitifs", "Les pirates de la savane", "La fille des chiffonniers", "Latude" und "Médecin des enfants", welche alle mehr als 100 Aufführungen erlebten.

Anicētus, röm. Papst, folgte 157 auf Pius I., starb 168 als Märtyrer. Unter ihm begann zwischen der morgen- und abendländischen Kirche der Streit über die Feier des Osterfestes, welches erstere zugleich mit den Juden feierte. A. hatte auch viel mit der gnostischen Sekte der Valentinianer zu kämpfen.

Anich, Peter, der erste Kartenzeichner von Tirol, geb. 22. Febr. 1723 zu Oberperfuß bei Innsbruck, trieb bis in sein 28. Jahr Landwirtschaft und Drechslerei, ging aber 1751 zu den Jesuiten nach Innsbruck, wo er Mathematik, Astronomie und Mechanik studierte und sich zu einem geschickten Kartenzeichner und praktischen Mechaniker ausbildete. Im J. 1756 vollendete er eine Himmelskugel von 3 Fuß Durchmesser und 1759 einen gleichgroßen Erdglobus, die allgemeine Bewunderung erregten und sich jetzt im Ferdinandeum zu Innsbruck befinden. Er erhielt darauf von der Regierung den Auftrag zur Herstellung einer Karte von Tirol, begann die Vermessungsarbeiten 1760 und hatte im Frühjahr 1763 schon mehr als zwei Drittel von Nordtirol kartiert. Kränklichkeit nötigte ihn, 1765 in dem gleichfalls aus Oberperfuß stammenden Bauerssohn Blasius Hüber (geb. 1735, gest. 1814) sich einen Gehilfen heranzubilden, der dann nach Anichs plötzlichem Tod (1. Sept. 1766) das gemeinsame Werk zu Ende führte. Dasselbe erschien 1774 in 21 Blättern, von denen etwa der dritte Teil, besonders Südtirol, Hübers Werk ist.

Aniche (spr. anisch), Dorf im franz. Departement Nord, Arrondissement Douai, an der Eisenbahn von Aubigny au Bac nach Somain, hat reiche Kohlengruben, Zucker-, Glas- und Chemikalienfabrikation, Eisen- und Kupfergießerei und (1876) 4686 Einw.

Anidrōsis (griech.), Schweißlosigkeit.

Anil, s. Indigofera.

Anilin (Amidobenzol, Phenylamin, Kristallin, Kyanol, Benzidam) C6H7N ^[C_{6}H_{7}N], eine organische Base, findet sich im Teer der Steinkohlen (0,3-0,5 Proz.), des Torfs und der Knochen, entsteht bei der Destillation des Indigos (daher der Name A., v. portug. anil, d. h. Indigo) mit kaustischen Alkalien, beim Erhitzen von Phenol mit Ammoniak, bei der Reduktion von Nitrobenzol C6H5NO2 ^[C_{6}H_{5}NO_{2}] etc. Industriell wird A. aus Nitrobenzol gewonnen, welches man durch Einwirkung von Salpetersäure auf Benzol erhält. Letzteres ist ein Bestandteil des Steinkohlenteers und wird durch Destillation aus demselben abgeschieden. Neben dem Benzol aber gewinnt man Toluol, und diese beiden Kohlenwasserstoffe sind einander so ähnlich, daß es komplizierter Destillationsapparate bedarf, um sie voneinander zu trennen. Diese Trennung wird aber nur für ganz bestimmte Zwecke ausgeführt, in der Regel begnügt man sich mit der Darstellung von Produkten, aus deren spezifischem Gewicht sich annähernd das Verhältnis, in welchem sie Benzol und Toluol enthalten, ergibt. Diese "Benzole" des Handels liefern bei Einwirkung von Salpetersäure ein Gemisch von Nitrobenzol und Nitrotoluol, und aus diesem wird durch Reduktion unter dem Namen Anilinöl ein Produkt erhalten, welches aus A. und Toluidin besteht. Unter dem Namen Toluol bergen sich aber zwei isomere Kohlenwasserstoffe, die entsprechend zwei isomere Toluidine liefern, und somit ist das Anilinöl ein Gemisch von drei Körpern. Neben demselben kommt für manche Zwecke ein sogen. reines A. im Handel vor, welches nur sehr wenig Toluidin enthält, und außerdem ein sogen. reines Toluidin mit sehr geringem Anilingehalt.

Das chemisch reine A. ist ein farbloses Öl vom spez. Gew. 1,036, riecht aromatisch, honigähnlich, erstarrt bei -8°, löst sich in 31 Teilen Wasser, mischt sich mit Alkohol, Äther und Ölen, verflüchtigt sich bei gewöhnlicher Temperatur, siedet bei 184°, brennt mit leuchtender, rußender Flamme und bildet mit Säuren farb- und geruchlose, gut kristallisierende Salze (daher Kristallin), welche in Wasser und Alkohol löslich sind, Fichtenholz gelb färben (so daß man sie zur Nachweisung von Holzstoff in Papier benutzen kann) und mit Chlorkalk eine violette Färbung liefern. Über die Wirkungen des Anilins auf den Organismus s. Anilismus. Zur fabrikmäßigen Darstellung von A. bringt man Nitrobenzol in einen eisernen, mit Rührwerk versehenen Cylinder, fügt Eisen und Salzsäure hinzu, verschließt den Cylinder und leitet die Reaktion ein, indem man Dampf durch die hohle Welle des Rührwerks in den Cylinder treten läßt. Weiterhin erfolgt dann durch die Reaktion selbst bedeutende Temperaturerhöhung, und es destilliert etwas Nitrobenzol über, welches in den Cylinder zurückgegeben wird. Die Reduktion des Nitrobenzols erfolgt durch den Wasserstoff, welchen das Eisen aus der Salzsäure abscheidet, und durch das gebildete Eisen-^[folgende Seite]