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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Anlauf - Anna.

Anlauf (griech. Apophysis), in der Architektur das viertelkreisförmige Verbindungsglied a (s. Figur) zwischen einer etwas vorspringenden wagerechten Platte und einem Schaft oder einer Wand mit ganz oder fast lotrechten Oberflächen darüber, wobei die letztern nur mit der Ober-, also nicht mit den Seitenflächen jener Platten verbunden werden. Der A. findet bei Sockelgesimsen, Säulenbasen u. dgl. häufig Anwendung.

^[Abb.: Anlauf.]

Anlaufen, bei Metallen die Bildung eines dünnen Überzugs auf der Oberfläche. Blei und Zink bedecken sich an feuchter Luft mit einer dünnen Schicht von Oxyd oder Kohlensäuresalz, auf Silber entsteht in unreiner Luft ein Überzug von Schwefelsilber, Stahl bedeckt sich beim Erhitzen mit einer Oxydschicht, die je nach ihrer Stärke gelblich, rötlich oder blau erscheint (Anlauffarben). - Im Seewesen bedeutet a., auf der Fahrt nach dem Bestimmungshafen einen Zwischenhafen besuchen oder einen Nothafen aufsuchen.

Anlegemaschine, s. Spinnen.

Anlehen, s. Darlehen.

Anlehnslose heißen die verzinslichen und unverzinslichen Obligationen der Prämien- oder Lotterieanlehen. Verzinsung und Tilgung dieser Anlehen werden durch den meist auf den einzelnen Schuldverschreibungen abgedruckten Anlehnsplan festgesetzt, der das Rechtsverhältnis zwischen dem Begeber der Lose und den Inhabern der Schuldscheine regelt. S. Lotterie und Staatsschuld.

Anleihe, ursprünglich s. v. w. Anlehen, jetzt ausschließlich die kontraktliche Erborgung einer Summe Geldes mit der Bedingung, solche dereinst in gleichem Betrag zurückzuzahlen, in der Regel mit der Verpflichtung, bis dahin für den Gebrauch des Geldes eine jährliche Vergütung, Zinsen genannt, an den Darleiher zu entrichten; insbesondere bezeichnet das Wort A. die großen Geldaufnahmen, welche öffentliche Wirtschaften (Staat, Gemeinde etc.) sowie Gesellschaften zur Bestreitung außerordentlicher Ausgaben machen. Über Begebung, Form und Tilgung solcher A. vgl. Staatsschuld.

Anliegen, in der Seemannssprache s. v. w. nach einer bestimmten Richtung steuern, z. B. Osten a., das Vorschiff ist nach Osten gerichtet.

Anluven, das Vorderteil eines Schiffs näher an den Wind bringen, also das Gegenteil von Abhalten (s. d.).

Anmeldeschein, s. Paß.

Anmeldestellen sind diejenigen mit den Anschreibungen für die Verkehrsstatistik beauftragten Amtsstellen, denen auf Grund des Gesetzes, betreffend die Statistik des Warenverkehrs, vom 20. Juli 1879 die Waren nach Gattung, Menge, Herkunfts- und Bestimmungsland anzumelden sind, welche über die Grenzen des deutschen Zollgebiets ein-, aus- oder durchgeführt werden. Die Anmeldung erfolgt durch den Warenführer mittels Übergabe eines Anmeldescheins an die Anmeldestelle; bei den unter Zollkontrolle stehenden Waren vertritt das Zollabfertigungspapier den Anmeldeschein. Beim kleinen Grenzverkehr genügt mündliche Anmeldung. A. sind die Zollämter im Grenzbezirk. Außerdem sind dort A. nach Bedürfnis errichtet (Gemeindehörden). Ausnahmsweise können auch Zoll- oder Steuerämter, die nicht im Grenzbezirk liegen, zu A. bestellt werden. A. nennt man auch die für die Verzollung errichteten Ansageposten (s. Ansageverfahren).

Anmeldeverfahren, s. Patentschutz.

Anmusterung, die Verlautbarung des zwischen Schiffer und Schiffsmann abgeschlossenen Heuervertrags vor dem zuständigen Seemannsamt (s. Heuer). Vgl. Abmusterung.

Anmut, Schönheit der Bewegung (Lessing) und daher nur dem Beweglichen oder doch beweglich Scheinenden eigen (im Gegensatz zur Würde [s. d.], d. h. derjenigen Schönheit, welche dem Unbeweglichen oder doch unbeweglich Scheinenden, z. B. der Charakterfestigkeit, zukommt). Ihr Erscheinungsgebiet ist die Zeit (wie jenes der Würde der Raum), weil jede (sei es geistige, sei es körperliche oder Orts-) Bewegung Zeit erfordert. Sie äußert sich an Naturvorgängen (Rauschen der Blätter im Wind, Murmeln und Plätschern des Gewässers, Flackern und Knistern der Flamme) oder menschlichen Handlungen (Sich gebärden, Gehen, Tanzen, Sprechen, Singen, Musizieren), die sich durch mehrere aufeinander folgende Zeitmomente ausdehnen, also eine Bewegung darstellen. Das Bewegte selbst braucht darum nichts weniger als schön zu sein, wie denn unschöne Gesichtszüge und Körperformen durch gefälliges Mienen- und Gliederspiel anmutig erscheinen können. Der Grund aber, daß uns Bewegung "anmutet", liegt darin, weil wir uns selbst nicht nur als körperlicher, sondern auch geistiger Bewegung (Gemüt) Fähiges kennen und daher überall, wo wir Bewegung wahrnehmen, nicht nur ein uns Verwandtes, d. h. gleich uns Beseeltes und Belebtes, ein "Gemüt", sondern auch, je wohlgefälliger uns die Bewegung anspricht, eine desto vollkommnere "Seele" als Urheberin der "seelenvollen" Bewegung vermuten. Die seelenlose, nur durch mechanische Gesetze bewegte Natur (z. B. die auf und ab wogende Meeresfläche) kann daher durch die A. ihrer Bewegungen beseelt, umgekehrt wird die "schöne Seele" durch den rhythmischen Fluß ihrer äußern Erscheinung als Spiegel ihrer innern Harmonie anmutig erscheinen. Das weibliche Geschlecht, dessen organischer Körperbau zu schöner (wie jener des männlichen zu kraftvoller) Bewegung vor dem andern geeignet ist, gilt daher vorzugsweise als Träger der A.

Anna, a) kleine Rechnungsmünze in Britisch-Ostindien, = 1/16 Kompanierupie = 1 Sgr. 2⅜ Pf. preuß. = 12,03 Pf.; b) Salzmaß in Bombay, = 1/16 Räsch = 100 Parahs = 2634,26 Lit. = 2540 kg; c) Perlengewicht daselbst, = 0,0121 g; d) Gold- und Silbergewicht in Kalkutta, = 1/16 Tola = 0,729 g.

Anna (v. hebr. channâh, "Gnade"), Heilige, nach der Tradition Ehefrau des heil. Joachim, soll nach 20jähriger Unfruchtbarkeit Maria, die Mutter Jesu, geboren haben. Sie gilt als Schutzpatronin der Tischler. Ihr Gedächtnistag ist der 26. Juli, bei den Griechen der 9. Dezember.

Anna, Name zahlreicher Fürstinnen, von denen als die merkwürdigsten anzuführen sind:

[England.] 1) A. Boleyn (Bullen), zweite Gemahlin König Heinrichs VIII. von England, Tochter des Thomas Boleyn, Viscounts von Rochefort, aus dessen Ehe mit einer Tochter des Herzogs von Norfolk, ward 1507 geboren und seit ihrem siebenten Jahr am französischen Hof erzogen. Mit allen Reizen des Körpers und einer feinen Bildung ausgestattet, kehrte sie im 18. Jahr nach England zurück und wurde Hoffräulein der Königin Katharina von Aragonien, der Gemahlin Heinrichs VIII. Letzterer wurde bald