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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Äolsharfe; Äolshöhlen; Äolus; Äolusball; Äon; Aonia; Aorasie; Aorist; Aorta; Aosta

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Äolsharfe - Aosta.

ging nach den Äolischen Inseln; er war fromm, gerecht und gastfrei, lehrte Segel gebrauchen und Wetter aus dem Feuer vorhersagen. Auch bei Homer ist Ä. Beherrscher der Äolischen Inseln. Dieser Ä. ist den Göttern befreundet und von Zeus zum Schaffner der Winde bestellt. Freundlich nimmt er Odysseus auf und gibt ihm zur Fahrt günstigen Westwind und einen Zauberschlauch, worin die übrigen Winde verschlossen sind. Da aber des Odysseus Gefährten den Schlauch, worin sie Schätze zu finden hoffen, öffnen, so wird das Schiff von den entfesselten Winden wieder zur Äolischen Insel zurückgetrieben, von wo Ä. die mit der Götter Haß Belasteten verjagt. Nach Vergil wohnt Ä. auf Lipara oder Strongyle als König der Winde, die er in einer Berghöhle verschlossen hält, während er selbst, das Zepter führend, auf hoher Burg thront. Bei spätern Dichtern wurde er mehr und mehr zum Gott, als solcher auch wohl von den Künstlern dargestellt, wiewohl sich kein Bild von ihm erhalten hat.

Äolsharfe (Windharfe, Wetterharfe, Geisterharfe), ein langer, schmaler Resonanzkasten mit oder ohne Schallloch, auf dem eine (beliebig große) Anzahl im Einklang abgestimmter Darmsaiten über zwei niedrige Stege aufgespannt ist. Die Saiten müssen von verschiedener Dicke sein, so daß für jede ein andrer Spannungsgrad zur Erreichung derselben Tonhöhe erforderlich ist; doch darf keine sehr stark angespannt sein. Streift ein Luftzug die Saiten, so fangen dieselben an zu tönen, und zwar machen sie zufolge der verschiedenen Spannung neben den totalen verschiedenartige Partialschwingungen, jedoch natürlich immer nur Töne gebend, die der Obertonreihe des gemeinschaftlichen Grundtons angehören. Der Klang ist von zauberischer Wirkung, da je nach der Stärke des Windes die Akkorde vom zartesten Pianissimo zum rauschenden Forte anschwellen und wieder verhallen. Die Ä. ist alt; als Erfinder, resp. Verbesserer werden genannt der heil. Dunstan (10. Jahrh.), Athanasius Kircher (gest. 1680) und Pope (1792). In neuerer Zeit hat sie besonders durch H. Ch. Koch wesentliche Verbesserungen erfahren. Vgl. Anemochord.

Äolshöhlen, s. Windgrotten.

Äolus, ein von Mesterns in Berlin konstruierter Apparat zum Kühlen und Reinigen der Luft, welcher aus einem zu einem Teil seiner Höhe doppelwandigen Hohlcylinder aus Thon oder Metall besteht, worin ein Rohr aufragt, dessen unteres Ende mit einer Druckwasserleitung in Verbindung gesetzt wird. Das Wasser tritt am obern Ende des Rohrs unter einer kleinen Glocke aus, wodurch sich ein zu regulierender schmaler Spalt zwischen der Rohrwand und dem untern Rande der Glocke bildet. Der Spalt ist so geformt, daß das austretende Wasser in einem konoidischen Strahlenschleier auf den Boden des Cylinders fällt, von wo es durch ein Ableitungsrohr entfernt wird. Dieser Wasserschleier wirkt aspirierend auf die Zimmerluft, welche, bis zum Boden des Cylinders mitgerissen und mit Feuchtigkeit gesättigt wie auch gewaschen, durch den Hohlraum zwischen den beiden Wänden des Cylinders wieder in die Höhe steigt und ins Zimmer zurückströmt. Der Apparat kann durch ganz geringe Änderungen auch zu einem Ventilationsapparat umgestaltet und vermittelst Schläuche an jeder Stelle des Zimmers aufgestellt werden, während er leicht und exakt zu regulieren ist.

Äolusball, s. v. w. Äolipile.

Äon, griech. Wort, welches eigentlich Zeitraum, Welt-, Menschenalter, auch wohl Ewigkeit bedeutet, in einem besondern Sinn aber von den Gnostikern (s. d.) gebraucht wurde. Bei diesen sind die Äonen göttliche Kräfte, die vor dem Anfang der Zeiten von Gott ausgeströmt (emaniert, s. Emanation) sind und als selbständige Geister Existenz, an dem ewigen Sein Gottes aber Anteil haben und den verschiedenen Weltaltern oder Weltordnungen vorstehen. Daher Äonenlehre, die gnostische Lehre von der Emanation der Äonen aus Gott.

Aonia, alter Name für Böotien. Aoniden, Beiname der Musen.

Aorasie (griech.), Unsichtbarkeit; Blindheit.

Aorist (griech., "unbegrenzt"), ein Tempus des griech. Verbums, das sich der Form nach auch im Indischen, Slawischen und Iranischen findet. Der griechische A. hat namentlich entweder eine ingressive Bedeutung, etwa wie die Silbe "er" in erwachen, oder eine effektive, etwa wie die Silbe "ge" in gesehen; im Indikativ drückt er die reine Vergangenheit aus und wird daher vorherrschend bei Erzählungen gebraucht. S. Verbum.

Aorta (griech.), die stärkste Arterie (Schlagader) des Wirbeltierkörpers, führt das Blut aus dem Herzen durch ihre Äste und Zweige nach allen Organen des Körpers hin (s. Tafel "Blutgefäße des Menschen"). Beim Menschen entspringt sie als ein beim Erwachsenen reichlich daumendickes Rohr aus der linken Herzkammer, steigt ein kurzes Stück in der Brusthöhle aufwärts (A. ascendens), biegt dann bogenartig (Aortenbogen) nach links und hinten um und läuft dicht vor der Wirbelsäule bis zum letzten Lendenwirbel herab (A. descendens), wo sie scheinbar sich gabelig spaltet und ein Ende findet (s. Blutgefäße). Beim erwachsenen Menschen ist die A. in ihrem Anfangsteil unsymmetrisch, indem ihr Bogen nach links verläuft; dies ist beim menschlichen Fötus und bei vielen andern Wirbeltieren nicht der Fall, vielmehr existieren stets mehrere (gewöhnlich fünf) Paare von Aortenbogen, in welche sich die A. gleich an ihrem Anfang teilt, die aber auch wieder zu einer einheitlichen absteigenden A. zusammentreten. Diese Bogen bleiben entweder (Fische) zeitlebens als Kiemenarterien bestehen, oder wandeln sich zum Teil in andre Adern um (z. B. in Lungenarterien), oder gehen ganz ein. So ist bei den Reptilien stets noch ein rechter und linker Aortenbogen vorhanden, dagegen bei Vögeln und Säugetieren nur während des Eilebens; die erwachsenen Vögel besitzen nur noch den rechten, die Säugetiere den linken Bogen. - Krankheiten der A. sind häufig, abgesehen von angebornen Anomalien der A. vorzugsweise Arterienentzündung und Aneurysma.

Aosta, Kreishauptstadt in der ital. Provinz Turin, an der Dora Baltea und am Vereinigungspunkt der Straßen vom Großen und Kleinen St. Bernhard, inmitten von Obsthainen, Rebenhügeln und Mandelbaumpflanzungen gelegen, ein düsterer, winkeliger Ort, hat eine Kathedrale mit reichgeschmückter Fassade und dem Grabmal des savoyischen Fürsten Thomas, ein ansehnliches Rathaus und (1881) 5672 Einw., welche Nägelerzeugung, Handel mit Vieh, Butter und Wein betreiben. Die Stadt besitzt ein Lyceum, ein Gymnasium und eine technische Schule und ist Sitz eines Bischofs und eines Unterpräfekten. Das nach der Stadt benannte reizende Thal von A. liegt zwischen den Grajischen und Penninischen Alpen, enthält den Oberlauf der Dora Baltea, hat schönes Wiesen- und Weideland, Waldungen, Bergwerke und Mineralquellen, darunter die von Courmayeur (s. d.), und wegen seiner strategischen Wichtig-^[folgende Seite]