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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Atmosphäre

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Atmosphäre (Temperatur).

eine Quecksilbersäule von 760 mm (nahe 28 Zoll) als Repräsentanten des Atmosphärendrucks angenommen. Der Druck der A., der auf 1 qcm lastet, ist mithin gleich dem Druck von 76 ccm Quecksilber oder 1034 g (d. h. etwa 14,1 Pfd. auf 1 preuß. QZoll). Deshalb beträgt der Druck, den die Luft auf den menschlichen Körper ausübt, mehr als 20,000 kg, da die Körperoberfläche eines ausgewachsenen Menschen gut 1,96 qm beträgt. Dieser Druck wirkt senkrecht gegen jeden Teil der Körperoberfläche und zwar von allen Seiten gleichmäßig, so daß jedem Druck von links oder von oben ein gleicher Druck von rechts oder von unten entspricht. Das Innere unsers Körpers ist ebenfalls mit Luft gefüllt, welche mit der äußern im Gleichgewicht steht, und daher entspricht dem Druck von außen ein gleich starker Druck von innen. Unter gewöhnlichen Verhältnissen werden diese Druckkräfte, welche sich gegenseitig das Gleichgewicht halten, nicht wahrgenommen, machen sich aber sofort bemerkbar, wenn sie einseitig geändert werden. Auf hohen Bergen z. B. ist der auf den Menschen wirkende äußere Luftdruck geringer als in der Ebene, während der innere Luftdruck zum Teil unverändert bleibt. Da deshalb der innere Druck größer als der äußere ist, so treten eine Reihe von Beschwerden und Unannehmlichkeiten auf. Jede Bewegung hat eine ungewöhnliche Mattigkeit zur Folge, und oft tritt Blut aus Nase und Mund, indem die feinen, zartwandigen Blutgefäße infolge des verringerten äußern und unveränderten innern Drucks zerrissen werden. Die Muskeln des menschlichen Körpers dienen vorzugsweise zur Bewegung der Gliedmaßen, während sie in dem Festhalten der Extremitäten wesentlich durch den äußern Luftdruck unterstützt werden. Nimmt dieser ab, so wird die von ihm gewährte Unterstützung geringer, und die Muskeln werden mehr in Anspruch genommen, so daß jede Bewegung eine ganz besondere Ermüdung zur Folge hat.

Wenn man von den physikalischen Eigenschaften der A. spricht, so bezieht man dieselben auf vollständig trockne und von Kohlensäure befreite Luft. Solche Luft ist zunächst dem von Gay-Lussac für die Gase aufgestellten Gesetz unterworfen, welches sagt, daß sich die Gase proportional mit ihrer Temperaturzunahme ausdehnen, und daß diese Ausdehnung für alle Gase beinahe denselben Wert hat. Die trockne Luft dehnt sich beim Erwärmen um 1° C. um 0,003665 (1/273) ihres Volumens bei 0° aus, d. h. ihr Ausdehnungskoeffizient ist 0,003665, und deshalb wird ein Volumen Luft, welches bei 0° = v ist, solange der Druck unverändert bleibt, bei der Temperatur t in das Volumen v (1 + 0,003665 t) übergehen. Außerdem gehorcht die trockne atmosphärische Luft bis zu dem Druck von mehreren Atmosphären dem Mariotteschen Gesetz, d. h. ihr Volumen vermindert sich unter der Voraussetzung unveränderter Temperatur in demselben Verhältnis, in welchem der Druck zunimmt, und umgekehrt. 1 Lit. trockne atmosphärische Luft, frei von Kohlensäure, wiegt in Berlin bei 0° und 760 mm Barometerstand 1,2936 g. Bei 0° ist Luft 773mal leichter als Wasser von 4°, ihr spezifisches Gewicht (Wasserstoff = 1) ist 14,4. Man benutzt aber gewöhnlich das spezifische Gewicht der Luft bei 0° und 760 mm Barometerstand als Einheit für die spezifischen Gewichte der Gase.

[Temperatur.] Die Temperatur der uns umgebenden Luft ist das Resultat nicht eines, sondern mehrerer Vorgänge. Die Erwärmung der Erdoberfläche und der A. rührt fast ausschließlich von der Sonne her, indem die Sonnenstrahlen teilweise von der A., vorzugsweise aber von der Erdoberfläche absorbiert und in fühlbare Wärme verwandelt werden. Aus Beobachtungen mit dem Heliometer (s. d.) folgerte Pouillet, daß etwa ein Drittel aller von der Sonne nach der Erde kommenden Wärmestrahlen von der A. absorbiert werden; doch sind die Grundlagen der Betrachtungen, die zu diesem Resultat führen, schwankend und das Resultat selbst daher unsicher.

Während die von leuchtenden Körpern ausgesendeten Wärmestrahlen die Luft durchdringen, werden die von dunkeln Körpern ausgesendeten Wärmestrahlen zum größern Teil von der Luft absorbiert. Die von der erwärmten Erde, einem dunkeln Körper, ausgehenden Wärmestrahlen werden also zur Erwärmung der Luft beitragen, während die Wärmestrahlen der Sonne mit geringem Verlust an die Erdoberfläche gelangen und diese erwärmen. Da die Wärme, welche die durch die Sonnenstrahlen erwärmte Erdoberfläche ausstrahlt, die Temperatur der untern Luftschichten erhöht, so wird sich die Erde wie unter einer schützenden Hülle nur langsam abkühlen. Da, wo die schützende Decke der A. eine größere Dichtigkeit besitzt, wird auch die Abkühlung eine allmählichere und geringere sein und wird deshalb unter sonst gleichen Verhältnissen in Niederungen weniger betragen als an hoch gelegenen Orten.

Wenn Körper zusammengepreßt werden, wird ihre Temperatur erhöht, indem Wärme frei wird; dagegen verschwindet Wärme, wird latent, und die Temperatur der Körper nimmt ab, wenn sie sich ausdehnen. Je mehr die Dichtigkeit eines Körpers abnimmt, um so mehr steigt auch seine Wärmekapazität; die obern dünnern Teile der A. können also den Sonnenstrahlen ebensoviel Wärme entziehen wie die untere dichtern, ohne jedoch ebenso warm zu werden wie letztere, und wenn die untere Luft durch Strahlung und Leitung der Wärme von der Erde aus eine bedeutend höhere Temperatur angenommen hat und aus diesem Grund, weil spezifisch leichter, in die Höhe steigt, so wird die Temperatur derselben, abgesehen von andern Gründen, sich erniedrigen, weil sie infolge des verminderten Luftdrucks sich ausdehnt und dadurch Wärme bindet. Dies ist einer von den Gründen, weshalb es in den obern Luftschichten kälter ist als in den untern. Außerdem werden aber auch die obern Luftschichten, wie schon oben gesagt ist, wegen ihrer größern Wärmekapazität durch die hindurchgehenden Sonnenstrahlen an und für sich weniger erwärmt als die untern, die außerdem noch ihre Erwärmung vorzugsweise von der Erdoberfläche durch Strahlung und Leitung erhalten. Wenn diese beiden Ursachen immer und überall mit gleicher Kraft wirken würden, so würde die Verteilung der Temperatur in der A. eine sehr regelmäßige und unveränderliche sein; sie würde bloß in senkrechter Richtung ungleich sein, und zwar würde die Temperatur mit wachsender Entfernung von der Erdoberfläche stets nach demselben Gesetz abnehmen. Allein weder die Einwirkung auf die A. noch der Zustand und die Beschaffenheit derselben sind überall und immer gleich. Die Sonne zunächst kann zwar an sich als eine unveränderliche Wärmequelle angesehen werden, aber ihre Wirkung ist durch Verschiedenheit in Neigung der Strahlen und in Länge der Tagbogen (wodurch einerseits die Menge der auf eine gewisse Fläche fallenden Strahlen und die Länge des von ihnen in der A. zurückgelegten Wegs, also die Intensität dieser Strahlen, sowie anderseits die Dauer ihrer Wirkung abgeändert werden) sehr verschieden, sowohl nach Verschiedenheit der geographi-^[folgende Seite]