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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bandwürmer

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Bandwürmer.

(Skolex) hervorgebracht und sind daher um so älter und auch um so weiter entwickelt, je mehr sie nach hinten vorrücken. Da aber der Kopf selber, wenn auch auf einem Umweg, aus einem befruchteten Ei hervorgeht, so haben die B. einen Generationswechsel aufzuweisen (Einzelheiten s. unten). - Abweichend von den Trematoden, erfolgt ferner die Nahrungsaufnahme, da Mund und Darm gänzlich fehlen, geradezu durch die Haut vermittelst der Endosmose. Eine Leibeshöhle ist gleichfalls nicht vorhanden, und so verbreiten sich die Säfte des Tiers, in welchem der Bandwurm lebt, direkt in seinem ganzen Körper, der gewissermaßen einem Schwamm gleicht. Stark entwickelt sind hingegen die unter dem Namen der Wassergefäße bekannten Exkretionsorgane; sie verlaufen, meist 4 an der Zahl, der Länge nach durch die ganze Kette, erhalten aus jeder Proglottide Anschluß durch Querzweige, welche in ein Netz noch feinerer Gefäße übergehen, und münden hinten aus. Das Nervensystem besteht nur aus 2 im sogen. Kopf gelegenen und miteinander verbundenen Ganglien nebst 2 von ihnen ausgehenden Längsstämmen; Sinnesorgane fehlen. Viel Raum nehmen die Geschlechtsorgane in Anspruch, die sich indessen erst allmählich und zwar die männlichen zuerst entwickeln. Die jungen Glieder zeigen noch keine Spur von ihnen, während jedes alte sowohl zahlreiche Hoden als auch einen Eierstock samt Dotterstock, Schalendrüse, Eibehälter (Fig. 2), Samentasche und Scheide besitzen. Wahrscheinlich begattet jedes Glied als ein echter Hermaphrodit sich selbst. Die Eier werden nach Befruchtung durch die Spermatozoiden von einer dicken Kapsel, dem Produkt der Schalendrüse, umhüllt und gelangen meist erst mit dem Glied, in welchem sie sich befinden, aus dem Wirtstier heraus ins Freie. Ein Glied des Gewöhnlichen Bandwurms (Taenia solium) enthält etwa 50,000 Eier, die Wurmkolonie selbst also mit ihren 1500 Gliedern gegen 75 Mill. Von diesen müssen aber, weil die B. selbst nicht häufiger werden, alle bis auf eins, das sich völlig auszubilden Gelegenheit hat, vor der Geschlechtsreife früher oder später zu Grunde gehen. Die Entwickelung hat darum auch viel Eigentümliches; sie verläuft wie folgt.

In den Eiern bilden sich Embryonen aus, welche bei Bothriocephalus noch mit Wimpern bekleidet sind, bei den übrigen Bandwürmern aber dieses Zeichen ihrer Abkunft von ursprünglich frei lebenden Plattwürmern bereits eingebüßt haben. Dies ist meist (Ausnahme ist Bothriocephalus, s. unten) schon geschehen, während die Eier sich noch in den Proglottiden befinden; letztere verlassen den Darm des Wirts, gelangen mit dessen Exkrementen auf Düngerhaufen, auf Wiesen, in das Wasser etc. und bleiben dort unter Umständen noch tagelang bei feuchter Wärme am Leben. So können sie nun zugleich mit der Nahrung von andern Tieren verschluckt werden und finden dann manchmal auch Gelegenheit zur Weiterentwickelung. Für die einzelnen Bandwurmarten existieren aber ganz bestimmte Tiere (die sogen. Zwischenwirte), in deren Darm allein die Verdauung der Proglottiden, die Auflösung der Eikapseln u. das Wachstum der nun frei werdenden Larve vor sich gehen. Diese bohrt sich mit ihren 4-6 Haken (Fig. 3) durch die Darmwandung des Zwischenwirts hindurch und verbreitet sich im Körper desselben, teils vom Blut mitgeführt, teils auch wohl im Bindegewebe wandernd, kommt aber zuletzt in ganz bestimmten Organen (Leber, Lunge, Hirn, Muskeln, Auge) vorläufig zur Ruhe. Die verletzten Teile des Wirts scheiden bald eine bindegewebige Kapsel aus; in ihr bilden sich die Larven zu sogen. Blasenwürmern oder Hydatiden um, die früher als selbständige Tiergattungen beschrieben wurden und im gewöhnlichen Leben Finnen oder Quesen heißen. Zunächst scheidet sich im rundlichen Körper (Fig. 4) eine Flüssigkeit aus und dehnt den Leib zu einer Blase aus. Dann entwickelt sich, in die Blase hineinragend, ein hohler Zapfen, welcher in seiner Höhlung die Saugnäpfe und den Stachelkranz des künftigen Bandwurmkopfes erkennen

^[Abb.: Fig. 1. Gewöhnlicher Bandwurm. Natürliche Größe.]

^[Abb.: Fig. 2. a Glied des schwarzen Bandwurms mit Eibehälter. b Zwei Glieder des gewöhnlichen Bandwurms mit den Eibehältern. 4/1]

^[Abb.: Fig. 3. Embryonen mit Haken. Stark vergrößert.]

^[Abb.: Fig. 4. Finne mit beginnender Bildung des Kopfzapfens. Stark vergrößert.]

^[Abb.: Fig. 5. Erste Anlage des spätern Bandwurmkörpers bei der Finne. Stark vergrößert.]

^[Abb.: Fig. 6. Finne mit vorgestülptem Kopf. 6/1]