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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Beichtgeheimnis; Beichtgeld; Beichtiger; Beichtkind; Beichtpfennig; Beichtregister; Beichtschein; Beichtsiegel; Beichtspiegel

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Beichtgeheimnis - Beichtspiegel.

leistungen zu bestimmen habe. Dies die sogen. Ohrenbeichte (confessio auricularis). 1215 wurde nämlich auf der vierten Lateransynode verordnet, daß jeder katholische Christ, sobald er die Entscheidungsjahre (anni discretionis) erreicht habe, jährlich wenigstens einmal seinem Priester ein geheimes Bekenntnis aller seiner Sünden ablegen und im Unterlassungsfall aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen und eines christlichen Begräbnisses verlustig gehen solle. Als notwendiger Bestandteil des Sakraments der Buße (s. d.) wird ein solches geheimes Bekenntnis aller schwereren Sünden (peccata mortalia), seien sie in Gedanken, Worten oder Werken begangen, gefordert, das Bekenntnis der geringern Vergehen (peccata venialia) aber nur für heilsam, nicht für notwendig erklärt. Durch eine wissentlich verschwiegene schwere Sünde wird der Beichtakt nichtig und das Sakrament entweiht. Nur ein geweihter Priester, welcher dabei im Namen Gottes und der Kirche fungiert, kann die B. abnehmen und Absolution erteilen. Strenge Verschwiegenheit ist ihm zur Pflicht gemacht. Geistliche, Mönche und Nonnen sollen öfters zur B. gehen. Insbesondere soll bei einer bevorstehenden Todesgefahr, oder wenn man irgend ein Sakrament empfangen will und eine Sünde auf dem Gewissen hat, gebeichtet werden. Der Ort der B. ist der Regel nach die Kirche (s. Beichtstuhl). Sie erfolgt kostenlos; freiwillige Gaben (Osterpfennige, Ostergroschen) sind indes zulässig. In der griechisch-katholischen Kirche hat man sich im Lauf der Zeit die wesentlichen Bestimmungen der abendländischen Lehrweise angeeignet. Unter den schismatischen Parteien der griechischen Kirche haben die monophysitischen Jakobiten in Syrien die strengste Beichtpraxis, während die nestorianischen Christen die B. ganz aufgegeben haben. Die Maroniten und Armenier fordern nur Bekenntnis des Mordes, Ehebruchs und Diebstahls. Die Raskolniken der russischen Kirche verwerfen wenigstens die priesterliche Absolution.

Die lutherische Kirche hat sich zwar von Anfang an gegen die Ohrenbeichte als nicht in der Heiligen Schrift begründete "Gewissensmarter" erklärt, wollte jedoch die Privatbeichte, die je nach Bedürfnis zum Bekenntnis bestimmter Sünden übergehen kann, im Zusammenhang mit der dem Predigtamt zustehenden Gewalt der Schlüssel beibehalten wissen, so daß also niemand ohne diese B., außer in besondern Notfällen, zum Abendmahl zugelassen werden sollte. Es war dies eine erzieherische Maßregel, welche die Bestimmung hatte, die Massen die sittlich-religiöse Autorität der Kirche empfinden zu lassen. Indes wich man in einzelnen Ländern gleich anfangs hiervon ab, und anderswo ist die Privatbeichte zur bloßen Formel geworden. Als der Pietist J. C. ^[Johann Caspar] Schade, Prediger zu Berlin, 1695 das ganze bisherige Beichtwesen, welches allerdings zu der protestantischen Geltung der Rechtfertigungslehre in auffallendem Kontrast steht, verwarf, traf man infolge des hierdurch hervorgerufenen Streits für das Kurfürstentum Brandenburg die Bestimmung, daß es einem jeden freistehen solle, ob er vor der Kommunion beichten wolle oder nicht. Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde bei weitem in den meisten lutherischen Ländern eine allgemeine B. üblich, gewöhnlich darin bestehend, daß der Geistliche ein allgemeines Bekenntnis der Sündhaftigkeit vorträgt und, nachdem sich die Gemeinde dazu bekannt hat, die Absolution verkündigt. Die Privatbeichte dagegen wurde erst neuerdings wieder seitens der restaurationslustigen Kirchlichkeit angestrebt. Die reformierte Kirche bestritt jederzeit die Notwendigkeit der Privatbeichte, aber ihre Vorbereitung zur Kommunion ist wenigstens einer allgemeinen B. ganz ähnlich. Die englische Episkopalkirche hat keine besondere Vorbereitungsandacht auf den Genuß des Abendmahls, sondern nimmt eine allgemeine B. und Absolution in den sonntäglichen Gottesdienst auf. Die schottische Presbyterialkirche verwirft jedes stehende Sündenbekenntnis, alle B. und Absolution. Eine Art von B. findet sich auch bei den Juden, indem bei ihnen sowohl beim öffentlichen als beim Privatgottesdienst eine kleinere und eine feierliche größere Beichtformel, z. B. am Vorabend des großen Versöhnungstags, angewendet zu werden pflegt. Vgl. Steitz, Das römische Bußsakrament (Frankf. 1854); Kliefoth, Die B. und Absolution (Schwerin 1856).

Beichtgeheimnis, s. Beichtsiegel.

Beichtgeld (Beichtpfennig, Opferpfennig, Beichtgroschen), eine ursprünglich freiwillige Gabe, die der Beichtende dem Priester zu spenden pflegte. Bis 1031 scheint es dem Beichtenden freigestanden zu haben, ob und wieviel er geben wolle. Dann wurde diese Gabe durch Herkommen zu einer festen und drückenden Abgabe, die in der katholischen Kirche, abgesehen von einer noch hier und da vorkommenden Gebühr für den Beichtzettel, später abgeschafft, aber in der lutherischen Kirche teils erneuert, teils beibehalten ward. In der reformierten Kirche wurde das B. auf Calvins Vorschlag abgeschafft. Daß dies in der lutherischen Kirche bis jetzt trotz vielfacher Versuche noch nicht überall geschehen ist, hat seinen Grund darin, daß man keinen Ausweg fand, die meist gering dotierten Geistlichen zu entschädigen, welchen das B. von alten Zeiten her als Besoldungsteil angewiesen war. Doch ist die Aufhebung dieser Leistung neuerdings vielfach erfolgt. In Preußen wurde das B. schon 1817 beseitigt.

Beichtiger, s. v. w. Beichtvater.

Beichtkind, s. Beichtvater.

Beichtpfennig, s. Beichtgeld.

Beichtregister, das Verzeichnis der Beichtenden, welches die katholischen Geistlichen führen müssen, um diejenigen Glieder der Gemeinde kennen zu lernen, welche dem Gebot, jährlich einmal zu beichten, nicht Folge leisten (s. Beichte).

Beichtschein, s. v. w. Beichtzettel.

Beichtsiegel (Beichtgeheimnis, Sigillum confessionis), die pflichtmäßige Verschwiegenheit des Geistlichen in Bezug auf alles, was ihm in der Beichte anvertraut wird, ward von jeher in der Kirche anerkannt, ist im kanonischen Recht unbedingt behauptet, und Verletzung desselben wird mit Absetzung bestraft. Der evangelische Geistliche hat zwar kein B. im strengen Sinn, aber eine nicht weniger ernste Pflicht der Amtsverschwiegenheit zu beobachten. Sowohl im Zivil- als im Strafprozeß sind Geistliche in Ansehung desjenigen, was ihnen bei Ausübung der Seelsorge anvertraut ist, zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt. Dagegen besteht auch für Geistliche die Anzeigepflicht, wofern sie von dem Vorhaben eines Hochverrats, Landesverrats, Münzverbrechens, Mordes, Raubes, Menschenraubes oder eines gemeingefährlichen Verbrechens glaubhafte Kenntnis erhalten und solches durch rechtzeitige Anzeige verhindern können, Vgl. Deutsche Zivilprozeßordnung, § 348; Strafprozeßordnung, § 52; Strafgesetzbuch, § 139; Knopp, Der katholische Seelsorger als Zeuge vor Gericht (Regensb. 1849).

Beichtspiegel, im 15. und 16. Jahrh. ein fliegendes Blatt mit einer gedruckten Anleitung zum