Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bernhardy; Berni

780

Bernhardy - Berni.

gesetze" (mit Erläuterungen von Öhlschläger, das. 1878, 2 Bde.).

2) Rosine, genannt Sarah, bekannte franz. Tragödin, als Tochter unbemittelter Eltern jüdischer Konfession 22. Okt. 1846 zu Paris geboren und nach dem Willen ihres Vaters in der christlichen Religion getauft, empfing ihre Erziehung im Kloster Grand-Champs zu Versailles und trat 1858 in das Pariser Konservatorium ein, wo Samson und Prévost ihre Lehrer wurden. Nachdem sie zwei zweite Preise erhalten hatte, debütierte sie 1862 im Théâtre français als Iphigenie, ohne weiteres Talent zu verraten. Sie ging bald ans Gymnasetheater, lebte dann in Paris, bis sie 1866 wieder im Théâtre de la Porte St.-Martin auftauchte, auf dessen Bühne sie unter angenommenem Namen selbst im Chor mitwirken mußte. 1867 siedelte sie ins Odéontheater über, auf dem sie in Coppées Schauspiel "Passant" als Zanetto und als Königin in Victor Hugos "Ruy Blas" einen durchschlagenden Erfolg errang. Allein noch einmal legten sich die Verhältnisse hemmend zwischen sie und ihre nachmalige Berühmtheit. Der Krieg von 1870/71 machte ihrer künstlerischen Thätigkeit ein Ende, und sie spielte nun eine Rolle als Pflegerin der Verwundeten. Nach dem Friedensschluß trat sie wieder als Königin in "Ruy Blas" auf, errang sich mit dieser Rolle ihre verlorne Position am Théâtre français zurück und galt bald als erste Tragödin seit der Rachel und Mars. Sie macht übrigens auch auf den Ruhm Anspruch, Bildhauerin und Malerin zu sein, schreibt Zeitungsartikel, hat ein Buch über ihre Fahrt im Ballon captif und ein Drama: "Die goldene Nadel", verfaßt. 1879 begleitete sie die Gesellschaft des Théâtre français auf deren Gastspielreise nach London, wo sie in der Straße Piccadilly eine Ausstellung ihrer Werke arrangierte. 1880 brach sie ihren Kontrakt, der sie an das Théâtre français fesselte, gastierte in London, dann in Kopenhagen, in Amerika, Holland, Wien, Pest, Rußland und Italien. Später kehrte sie wieder zu dauerndem Aufenthalt nach Paris zurück und führte eine Zeitlang selbst Direktion, jedoch mit so geringem Erfolg, daß sie auf Jahre hinaus verschuldet ist. Als Schauspielerin ist sie jedenfalls ein großartiges Talent, ausgerüstet mit durchdringendem Geiste, doch leider mit nur geringer physischer Kraft, was in leidenschaftlichen Stellen störend hervortritt. Ihre Stimme besitzt eine ungewöhnliche Weichheit und melodische Reinheit, ihre schlanke Figur ist von sprichwörtlich gewordener Magerkeit, ihr feines Gesicht trägt den Ausdruck des Leidens. Doña Sol in Victor Hugos "Hernani" gilt als eine ihrer vorzüglichsten Rollen. Die schauspielerische Bedeutung der B. wird übrigens noch übertroffen von ihrer nahezu kindischen Eitelkeit und raffinierten Reklamesucht. Vermählt ist sie seit April 1882 mit einem mittelmäßigen Schauspieler, Daria (eigentlich Jacques d'Amala). Vgl. Clamant, Biographie de S. B. (1879); Colombier, Le voyage de S. B. en Amérique (1881).

Bernhardy, Gottfried, bedeutender Philolog, geb. 20. März 1800 zu Landsberg a. d. Warthe, Sohn eines jüdischen Kaufmanns, besuchte seit 1811 das Joachimsthalsche Gymnasium in Berlin, studierte daselbst seit 1817 unter Wolf, Buttmann und Böckh, wurde 1820 Mitglied des Seminars für gelehrte Schulen und Lehrer am Friedrichswerderschen Gymnasium, habilitierte sich 1823 an der Berliner Universität, wurde 1825 dort außerordentlicher Professor, 1829 als Nachfolger Reisigs ordentlicher Professor und Direktor des philologischen Seminars in Halle und 1844 zugleich Oberbibliothekar daselbst. Seit 1862 zum Geheimen Regierungsrat ernannt, starb er in Halle 14. Mai 1875. Seine Hauptwerke sind: "Wissenschaftliche Syntax der griechischen Sprache" (Berl. 1829), in der er die Gesetze der griechischen Syntax in ihrer geschichtlichen Entwickelung und nach den einzelnen Litteraturgattungen zusammenzufassen sucht; "Paralipomena syntaxis graecae" (Halle 1854 und 1862); "Grundriß der römischen Litteratur" (das. 1830; 5. Bearbeitung, Braunschw. 1869); "Grundriß der griechischen Litteratur" (1. Teil: "Innere Geschichte der griechischen Litteratur", Halle 1836; 4. Bearbtg. 1875; 2. Teil: "Geschichte der griechischen Poesie", das. 1845; 3. Bearbtg. 1867-72, 2. Abdruck 1876-80; 3. Teil: "Geschichte der griechischen Prosa", fehlt) und die kritisch wie litterarhistorisch vorzügliche Ausgabe von "Suidae lexicon" (Halle u. Braunschw. 1834-53, 4 Bde.). Außerdem erschienen von ihm: "Eratosthenica" (Berl. 1822); der 1. Band einer Sammlung der "Geographi graeci minores", den Dionysios Periegetes enthaltend (Leipz. 1828); "Grundlinien zur Encyklopädie der Philologie" (Halle 1832) und mannigfache Aufsätze. Seine letzte Publikation ist die Sammlung der "Kleinen Schriften von Fr. A. Wolf" (Halle 1869, 2 Bde.).

Berni (Bernia), Francesco, ital. Dichter, geboren gegen Ende des 15. Jahrh. zu Lamporecchio im Toscanischen als Sprößling einer adligen, aber armen Familie. Nach einer in großer Dürftigkeit verlebten Jugend trat er in seinem 20. Jahr zu Rom in die Dienste seines Verwandten, des Kardinals Bibbiena (s. d.), nach dessen Tod in die seines Neffen Angiolo und wurde schließlich Sekretär beim Datario Ghiberti, Bischof von Verona, bei welchem er sieben Jahre blieb. Sein Hang zur Ungebundenheit und zu Genüssen, besonders aber seine rücksichtslose Spottlust, welche auch die höchsten geistlichen Würdenträger nicht verschonte, verhinderten ihn jedoch, sich eine gesicherte und behagliche Existenz zu verschaffen, während sein Witz, seine heitere Laune und seine poetischen Talente ihm Freunde und Ruhm erwarben. B. war eins der angesehensten Mitglieder der 1527 gestifteten Accademia de' Vignajuoli, zu welcher die bedeutendsten damals in Rom lebenden Dichter gehörten. Der Verlust seiner Habe bei der Plünderung Roms 1527 verleidete ihm den Aufenthalt daselbst, und er begab sich nach Florenz, wo er von den Einkünften eines ihm zugefallenen Kanonikats lebte und des Schutzes des Kardinals Hippolyt von Medici und des Herzogs Alessandro genoß. Die Verbindung mit diesen wurde jedoch verhängnisvoll für B. Denn als der Herzog ihm zumutete, den Kardinal zu vergiften, und B. sich dessen weigerte, soll er von jenem selbst Gift bekommen haben, woran er 1536 starb. Bernis Hauptwerk ist sein "Orlando innamorato" (zuerst Vened. 1541 u. öfter; am besten Flor. 1827-28, 2 Bde.), eigentlich nur eine Überarbeitung des Gedichts von Bojardo (s. d.), bei welcher er, ohne an dem Stoff selbst oder am Gang der Erzählung irgend etwas zu ändern, nur Sprache, Stil und Versifikation des Gedichts verbesserte und demselben einen scherzhaften, oft sogar burlesken Ton verlieh. Nur die schönen Anfänge der Gesänge gehören B. ganz zu eigen. Wegen der Reinheit, Anmut und Eleganz der Sprache und des Versbaues wird jedoch dieser Bernische "Orlando" als klassisch betrachtet, hat das Originalgedicht bis auf die neuere Zeit fast ganz in Vergessenheit gebracht und wird von den Italienern nur dem "Orlando furioso" des Ariost nachgestellt. Nächstdem ist B. besonders berühmt we-^[folgende Seite]