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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Blutgeld

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Blutgeld.

hingegen Lungen vorhanden sind (Lurchfische, Amphibien, Reptilien), strömt es aus der Herzkammer teils direkt in den Körper, teils in die Lungen, kehrt aus diesen in die linke Vorkammer zurück und trifft in der Herzkammer mit dem durch die rechte Vorkammer aus den Körpervenen dahin gelangten venösen Blut zusammen. In den Großen Kreislauf tritt also kein rein arterielles, sondern nur gemischtes Blut ein. Ganz abweichend ist der Kreislauf bei den Leptokardiern (Amphioxus etc.). Hier sind alle größern Arterien und Venen kontraktil, so daß nicht ein, sondern viele Herzen vorhanden sind; außerdem fehlen gesonderte Lymphgefäße.

Im menschlichen Körper kommen sämtliche Arterienstämme aus der großen Körperschlagader oder Aorta (s. d. und Fig. 3 u. 5), in welche die linke Herzkammer ihr Blut einpumpt. Die Aorta gibt ganz nahe an ihrem Ursprung aus dem Herzen zwei Arterien ab, welche sich im Herzfleisch selbst verästeln (Kranzarterien, Fig. 1). Dann treten aus dem Aortenbogen drei große Arterienstämme in der Richtung nach oben zu ab, um Kopf und Hals sowie die Arme mit Blut zu versorgen; es sind: 1) die Arteria anonyma (Fig. 5), welche sofort in die rechte Kopfschlagader (Karotis) und in die rechte Schlüsselbeinarterie zerfällt, 2) die linke Kopfschlagader und 3) die linke Schlüsselbeinarterie. Die Schlüsselbeinschlagadern setzen sich in die Armschlagadern fort, deren Verzweigung in Fig. 5 dargestellt ist. Der ansteigende Teil der Brustaorta entsendet zahlreiche kleinere Zweige für Brustkorb, Speiseröhre und Luftröhre (samt ihren Ästen) und gibt nach dem Durchtritt durch das Zwerchfell (Fig. 5) zunächst die beiden Zwerchfellarterien, dann die Eingeweidearterie (Arteria coeliaca) ab, welche sofort in drei Äste zerfällt, die zum Magen, zur Milz, Leber, Bauchspeicheldrüse und zum Zwölffingerdarm führen (Fig. 5). Gleich unterhalb der Arteria coeliaca entspringt die obere Gekrösarterie zur Ernährung des Darmkanals (Fig. 4); ein wenig tiefer treten die zwei Nierenschlagadern (Fig. 5) hervor; dann kommen unter spitzem Winkel die innern Samenschlagadern für die Geschlechtsteile hervor, gleich darunter die untere Gekrösarterie, welche sich am Dickdarm bis zum After hinab verzweigt; seitlich treten jederseits vier Lendenschlagadern hervor. Endlich, auf der Höhe des vierten Lendenwirbels (Fig. 5), löst sich die Aorta in ihre beiden Endäste, die gemeinschaftlichen Hüftarterien (Arteriae iliacae communes), auf. Aus jeder von diesen gehen wieder zwei Äste hervor, von denen der eine als Arteria hypogastrica oder Arteria iliaca interna sich zu den Organen des Beckens begibt, während der andre (Arteria iliaca externa) sich in die Schenkelarterie fortsetzt, um sich an der untern Extremität bis zu den Zehenspitzen zu verbreiten (Fig. 5). Die direkte Fortsetzung der Aorta nach hinten hin ist die Arteria sacralis media, eine kleine, an der Teilungsstelle in die Arteriae iliacae entspringende Ader, welche bei Wirbeltieren mit langem Schwanz als sogen. Schwanzarterie (Arteria caudalis) mächtig entwickelt ist. Im allgemeinen liegen die größern Arterien möglichst tief, in der Nähe des Knochens, und halten sich an die Beugeseite, nicht an die Streckseite der Gelenke. Die Venen hingegen weichen vielfach von den Arterien ab. Das Blut, welches aus Kopf, Hals und Armen nach dem Herzen zurückfließt, sammelt sich jederseits in die Vena anonyma; letztere vereinigen sich zur obern Hohlvene und münden so in die rechte Herzkammer ein (Fig. 1 der Tafel stellt die rechte Herzkammer mit Vorkammer und Lungenarterie so dar, wie sie nach dem preußischen Regulativ für Gerichtsarzt eröffnet werden muß). Jede Vena anonyma geht wieder aus zwei Stämmen hervor, aus der Schlüsselbeinvene, welche sämtliche Armvenen, und aus der gemeinschaftlichen Drosselader, welche das Blut aus Kopf und Hals in sich aufnimmt. Die Venen der untern Körperhälfte sammeln sich in der untern Hohlader (Fig. 5, 3), welche ebenfalls in die rechte Vorkammer des Herzens einmündet. Im allgemeinen verlaufen sie dicht neben den Ästen der Aorta und ähneln denselben in Anordnung und Verzweigung. Eine wesentliche Abweichung von dieser Regel liegt aber darin, daß die Venen, welche der Eingeweidearterie sowie der obern und untern Gekrösarterie entsprechen und das Blut aus Magen, Milz, Bauchspeicheldrüse und Darmkanal abführen, zunächst zur Pfortader (s. d.) zusammentreten. Letztere führt das Blut in die Lebert hier fließt es durch ein zweites Kapillarsystem hindurch und tritt dann erst durch die Lebervenen in die untere Hohlader ein (sogen. Pfortaderkreislauf, Fig. 4). Die Venen dieses Pfortaderkreislaufs entbehren der Klappeneinrichtung, so daß Blutstauungen in der Leber sich auf alle Verdauungsorgane übertragen. Zwischen das Gebiet der obern und untern Hohlader ist noch das System der Vena azygos und Vena hemiazygos eingeschaltet, welche beide B. das Blut aus der Brust und Bauchwand in sich aufnehmen und durchaus keine Analogie mit dem arteriellen System haben. Ferner treten an den Gliedmaßen stark entwickelte, oft netzartig verbundene Hautvenen auf, welche von keiner Arterie begleitet werden. Nur die tief liegenden Venen folgen im Bereich der Gliedmaßen den gleichnamigen Arterien und zwar in der Weise, daß vom Ellbogen und der Kniekehle an abwärts bis zu den Fingern und Zehen hin je zwei miteinander vielfach durch Querstämmchen verbundene Venen zur Seite einer Arterie verlaufen. Für die Venen des Halses, des Kopfes und des Gehirns existieren ganz andre Verlaufsnormen als für die Arterien. Die Bedeutung vieler größerer Venen erklärt sich aus ihrer Entwickelung beim Fötus, dessen Kreislauf in vielen Beziehungen stark abweicht (s. Fötus). - Über den Bau der B. s. die einzelnen Artikel.

Blutgeld, die Summe, welche nach altdeutschem Recht von einem Totschläger dem gezahlt wurde, welcher eigentlich die Blutrache ausüben sollte (s. Wergeld); dann auch wohl Bezeichnung für dasjenige Geld, welches vom Gericht für Entdeckung und Denunziation eines Verbrechers ausgesetzt ward. In England wurden z. B. durch Gesetze von 1692 bis 1742 Belohnungen von 10-50 Pfd. Sterl. für diejenigen ausgesetzt, durch deren Zeugnis Straßenräuber, Diebe und Falschmünzer überführt werden würden. Bei gewissen Diebstählen, z. B. Einbruch und Pferdediebstahl, wurde nach dem Gesetz von 1699 demjenigen, welcher den Verbrecher ergreifen und überführen würde, außer baren 40 Pfd. Sterl. noch ein Certifikat erteilt, wodurch er von Kommunaldiensten, z. B. als Armenaufseher, Kirchenvorsteher u. dgl., befreit wurde. Diese Freischeine, auch Galgenscheine (Tyburn-tickets) genannt, konnten vererbt und verkauft werden und hatten in großen Städten oft einen Preis von 200-300 Pfd. Sterl. Die Summe des ausgezahlten Blutgeldes ohne die Tyburn-tickets betrug 1798 in England 7700 Pfd. Sterl. und war 1813 auf 18,000 Pfd. Sterl. gestiegen. Die entsittlichenden, die Unschuld gefährdenden Wirkungen dieses Systems blieben natürlich nicht aus; daher wurde durch Parlamentsakte 1818 das B., abgesehen von der auf die Entdeckung von Banknotenfälschung gesetzten Belohnung, aufgehoben.