Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bragi; Bragis Becher; Braguette; Brahe

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Bragi - Brahe.

Bragi, in der nord. Mythologie Sohn Odins und der Frigg, der Gott der Beredsamkeit und der Dichtkunst. Als Urheber der Skaldenkunst, die nach ihm Bragr genannt wird, waren ihm Zauberrunen in die Zunge eingegraben. Im Bild erscheint er als bejahrter Mann mit langem Bart, aber runzelloser Stirn. Seine Gattin ist Idun (s. d.); sie verwahrt die zauberhaften Äpfel, welche den Göttern ewige Jugend verleihen. In der Verbindung Bragis mit Idun ist nach Simrock die "verjüngende Kraft der Dichtkunst" ausgesprochen, ebenso wie der Umstand, daß B. die Geister der im Kampf gefallenen Helden in der Ewigkeit begrüßt, darauf hindeutet, daß durch ihn, den Vorsteher der Skalden, der Helden Ruhm ewig in den Liedern fortlebte. Die jüngere Edda (s. d.) enthält die sogen. Bragarödhur, d. h. mythische Geschichten, welche B. bei einem Trinkgelag in der Halle der Götter dem Ögir erzählt. Übrigens ist Uhland der Ansicht, daß in B. ein geschichtlicher Sänger, ein Skalde des 8. Jahrh. (B. der Alte, Boddis Sohn), zum mythischen erhoben wurde, in welchem nun Odin, als der ursprüngliche Gott der Dichtkunst, verjüngt erscheint.

Bragis Becher (Bragafull), das Trinkhorn der nordischen Helden, das bei Begräbnissen eines Königs und Jarls dessen Nachfolger, nachdem er das Regentengelübde abgelegt, ausleerte. Der Bragibecher kreiste auch, wenn Heldengelübde gethan wurden. Bei Opfermahlen wurde das Trinkhorn geleert zum Andenken gefallener Helden.

Braguette (franz., spr. -ghett; auch Brayette, spr. brajett), die anfangs bei den Franzosen, später auch bei andern Völkern übliche Schamkapsel, welche im 15. und 16. Jahrh. statt des frühern Zwischenschlitzes den zuweilen sogar noch mit Bandschleifen oder Fransen verzierten untern Verschluß der anfangs eng anliegenden langen Beinkleider, nachher auch der viel weitern Oberschenkelhosen bildete.

Brahe, linker Nebenfluß der Weichsel in Westpreußen, entspringt aus dem See bei Großschwessin auf der pommerschen Grenze unfern Rummelsburg, fließt (durch mehrere Seen) in südöstlicher Richtung, nimmt den Chotzen, die Kamionka und Zempolna aus, tritt unweit Bromberg durch den Bromberger Kanal mit der Netze und Oder in Verbindung und mündet nach einem Laufe von 195 km, von denen 15 km schiffbar sind, östlich von Bromberg bei Fordon in die Weichsel.

Brahe, 1) Tycho, Astronom, geb. 14. Dez. 1546 zu Knudstrup, einem Dorf bei Lund in Schonen, studierte zu Kopenhagen (seit 1559) und Leipzig (seit 1562) Rechts- und Staatswissenschaft; das genaue Eintreffen einer für 21. Aug. 1560 vorher verkündeten Sonnenfinsternis führte ihn jedoch zur Astronomie. Mit sehr mangelhaften Instrumenten beobachtete er 1563 die Zusammenkunft des Saturn und Jupiter und fand die Unzuverlässigkeit der Kopernikanischen Tabelle. Im J. 1565 Erbe eines bedeutenden Vermögens geworden, widmete er sich ganz der Astronomie, besuchte Wittenberg, Rostock, Augsburg, erbaute zu Heeritzwalde bei Knudstrup eine Sternwarte und entdeckte in der Kassiopeia 1572 einen neuen, 1574 wieder verschwundenen Stern. Im letztgenannten Jahr fing er auch an, astronomische Vorlesungen zu halten, machte dann eine zweite Reise nach Deutschland, der Schweiz und Italien und gedachte sich in Basel niederzulassen. Friedrich II. von Dänemark verlieh ihm indes 1576 einen Jahrgehalt und die kleine Insel Hveen im Sund zu Lehen und verwilligte ihm ansehnliche Summen zum Bau eines mit Sternwarte und Laboratorium versehenen Schlosses (Uranienburg) und eines Wohnhauses (Sternenburg) für seine Schüler. Auf diesem Schloß, das, mit allen astronomischen Apparaten reichlich ausgestattet, eine Pflanzschule der Astronomie für ganz Europa war, lebte B. 21 Jahre lang in den glücklichsten Verhältnissen, geehrt von Fürsten und Gelehrten und umgeben von Schülern, die er zum Fortbau der Wissenschaft heranbildete. Er bestimmte den Meridian seiner Sternwarte und arbeitete einen Fixsternkatalog aus. Nach dem Tod Friedrichs II. siegten seine Feinde, unter denen der Reichsrat Walchendorf genannt wird, und bewirkten, daß die Unterstützungen, die er bis dahin genossen, ihm entzogen wurden. Er verließ hierauf Dänemark (1597), begab sich zum Grafen Ranzau nach Wandsbeck und folgte 1599 einem Ruf des Kaisers Rudolf II. nach Prag, wo ihm derselbe einen ansehnlichen Jahrgehalt aussetzte und das Schloß Benack schenkte. Doch zog es B. vor, seine Wohnung und Sternwarte in Prag selbst aufzuschlagen, wo er von Kepler, seinem großen Nachfolger, bei seinen Arbeiten unterstützt wurde. In Prag starb B. 24. Okt. 1601 und wurde in der Teinkirche, wo man noch sein Denkmal sieht, beigesetzt. Die kostbare Sammlung seiner astronomischen und sonstigen Instrumente wurde nach der Schlacht am Weißen Berge größtenteils vernichtet; nur ein großer Sextant wird noch in Prag gezeigt. Eine große messingene Himmelskugel, welche 5000 Thlr. gekostet haben soll, ging 1720 beim Brande des Schlosses in Kopenhagen zu Grunde. Seinen Ruhm verdankt B. seinen astronomischen Beobachtungen, denen er mit Hilfe verbesserter Instrumente einen Grad von Genauigkeit verlieh, den keiner seiner Vorgänger oder Zeitgenossen erreichte. Insbesondere waren es seine genauen Beobachtungen des Planeten Mars, welche Kepler die Ausstellung der richtigen Gesetze der Planetenbewegung ermöglichten. Obwohl B. den Kopernikus sehr hochschätzte, konnte er sich doch mit dessen Weltsystem nicht befreunden und nahm insbesondere an der dritten Bewegung der Erde Anstoß, die dieser Astronom angenommen hatte. Deshalb stellte er um 1585 selbst ein Weltsystem auf, bei welchem die Erde den Mittelpunkt der Welt bildet. Sie wird von Mond und Sonne umkreist, und um die letztere laufen Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Von seinen Werken erwähnen wir: "Opera astronomica" (1648); "Astronomiae instauratae mechanica" (Uranienb. 1598, Nürnb. 1602); "Epistolae astronomicae" (Uranienb. 1566, Frankf. 1610); "Historia coelestis" (hrsg. von L. Barret, Augsb. 1666); "De mundi aetherici recentioribus phaenomenis" (Uranienb. 1588); "Opera omnia" (Prag 1611, Frankf. 1648). Sein Leben beschrieben Gassendi (Par. 1655; deutsch, Leipz. u. Kopenh. 1756), Helfrecht (Hof 1798), Pedersen (Kopenh. 1838), Friis (das. 1871). Brahes Briefwechsel wurde von Frijs veröffentlicht (Kopenh. 1876 ff.). 1876 wurde ihm in Kopenhagen ein Denkmal gesetzt. Vgl. auch v. Hasner, Tycho B. und J. Kepler in Prag (Prag 1872).

2) Ebba, Gräfin von, Tochter des schwed. Reichsdrosten Magnus B., geb. 1596, Gustav Adolfs Jugendgeliebte, an die er Briefe und Lieder richtete, von denen sich noch einige Überreste erhalten haben. Er wollte sich, als er zur Regierung gekommen (1611), mit ihr vermählen; aber seine Mutter Christine von Schleswig-Holstein hintertrieb dies, und Ebba wurde 1618 Gemahlin des schwedischen Feldherrn Jakob de la Gardie. Sie starb 1654.

3) Per, schwed. Staatsmann, geb. 1602, studierte in Upsala, Gießen, Bonn, Straßburg und