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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Brandpilze

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Brandpilze.

förmigen Sporidien bildet. Urocystis, Sporen sind aus mehreren Zellen zusammengeballt, indem eine oder mehrere größere, gebräunte Zellen mit mehreren kleinern, farblosen, der Oberfläche jener ansitzenden verbunden sind.

I. Ustilago. 1) Der Staubbrand (Flug- Nagel-, Rußbrand, Ruß, U. Carbo Tul., s. Tafel "Pflanzenkrankheiten", Fig. 1-5) befällt Weizen, Gerste, Hafer, selten Roggen, auch andre Gräser, wie das französische Raigras, den Wiesenschwingel, Rasenschmiele u. a.; seine Sporen zerstören die Blütenteile bis auf die Epidermis und die festern Teile der Spelzen. Die Ähren der genannten Pflanzen haben daher eine schwarze, staubige Beschaffenheit, und das Sporenpulver verstäubt von selbst bald nach dem Hervortreten der brandigen Ähre. Die Sporen besitzen ein glattes, ziemlich tiefbraunes Episporium. Dieser Brand ist auf den genannten Getreidearten der häufigste; da aber seine Sporen längst vor der Körnerreife ausfliegen, so verunreinigen sie die Ernte nicht, und der Staubbrand ist daher unmittelbar nur insofern schädlich, als er bei seinem allerdings oft massenhaften Auftreten bei der Ernte einen Ausfall in der Zahl der Körner bedingt. 2) Der Hirsebrand (U. destruens Dub.), in den Blüten der Hirsearten, löst diese ebenfalls ganz in Brand auf, unterscheidet sich aber von dem vorigen durch seine Sporen, welche ein mit netzförmigen Erhabenheiten versehenes Episporium besitzen. 3) Der Maisbrand (Beulenbrand, U. Maydis Lév.) findet sich im Halm und namentlich in und unter den weiblichen Blütenständen des Maises, welche Teile unter seinem Einfluß sich abnorm verdicken und zu unförmlichen Beulen gestalten, die später aufbrechen und zuletzt ganz in trockne, schwarze Staubmasse zerfallen. Die Sporen haben ein stachliges Episporium. 4) Der Roggenkornbrand (U. Secalis Rbh.) tritt in den Körnern der im übrigen nicht veränderten Roggenähre auf.

II. Tilletia. 5) Der Steinbrand (Schmier-, Faul-, Kornbrand, Kornfäule, Faulweizen, geschlossener Brand, T. Caries Tul., s. Tafel "Pflanzenkrankheiten", Fig. 6), in den Körnern des Weizens bei im wesentlichen unveränderter Ähre, ist daher schwierig zu erkennen. Die brandigen Körner des Weizens sind kürzer, fast rund, anfangs dunkler grün, später mehr graubraun, leicht zerdrückbar, wobei die das ganze Innere erfüllende, zuerst schmierige, später staubartig trockne, übelriechende schwarze Masse sichtbar wird, spezifisch leichter, daher auf dem Wasser schwimmend. An dem Halme macht sich die Krankheit vor der Reife kenntlich durch eine etwas spreizende Stellung der Spelzen, welche die jungen, ungewöhnlich stark grün gefärbten Körner mehr entblößen als die gesunden. Die brandigen Körner bleiben bis zur Erntezeit geschlossen in der Ähre stehen, gelangen daher mit unter die geernteten Körner und machen das Mehl mißfarbig und übelriechend. Der Steinbrand verdirbt bisweilen die Ernte völlig; seine Sporen sind einfache sphärische Zellen, drei- bis viermal größer als die des Staubbrandes, mit braunem, auf der Außenfläche netzartig gezeichnetem Episporium. Eine ganz ähnliche Steinbrandform des Weizens ist T. laevis Kühn, die sich nur durch die glatte Sporenhaut von T. Caries unterscheidet. Der Kornbrand auf Roggen, durch T. Secalis Kühn verursacht, wurde bis jetzt nur sehr selten, z. B. in Schlesien, beobachtet.

III. Urocystis. 6) Der Stengel- oder Stielbrand im Roggen (U. occulta Rabenh.) befällt die Halme und Blattscheiden des Roggens und geht selten bis in die Ähre. Jene Teile bekommen schwielenartige, der Länge nach gerichtete, inwendig erst weißliche, später dunkle Erhabenheiten, welche zuletzt aufplatzen und schwarzes Brandpulver enthalten. Der Pilz hat hier das Parenchym des Halms und der Blattscheiden zerstört; diese Teile sind daher zerspalten und verlieren ihre Festigkeit und ihre aufrechte Haltung; die Pflanze bleibt unentwickelt oder bricht ganz zusammen, und da dies in der Regel schon vor der Blütezeit geschieht, so sind solche Pflanzen für die Körnerproduktion verloren. Dieser Brand ist aber weit weniger häufig als die vorher genannten.

Die Entwickelung der B. beginnt stets im jugendlichsten Zustand des befallenen Pflanzenteils, indessen parenchymatischen Geweben der Pilz zuerst nur im Zustand der Myceliumbildung vorhanden ist: dünne, seine Pilzfäden, welche zwischen den noch unversehrten Zellen der Nährpflanze hinkriechen, zum Teil auch in die Zelle eindringen. Beim Flug- und Steinbrand findet man in der jungen Getreidepflanze diese Myceliumfäden im ganzen, um diese Zeit noch nicht in die Lange gestreckten Halm bis zu den Wurzeln. Eine weitere Entwickelung machen die Myceliumfäden nur in denjenigen Teilen durch, in welchen die Sporen erzeugt werden sollen. Hier erzeugen sich zahlreiche die Zellen bald ganz ausfüllende, oft regellos sich verflechtende, sporenbildende Fäden mit gallertartig angeschwollenen Membranen, welche die Zellen der Nährpflanzen nach und nach gänzlich auflösen. Die äußern Teile der befallenen Organe wachsen weiter gleich denen gesunder, das Organ erreicht ungefähr seine normale Größe, und gleichzeitig nimmt auch die Pilzmasse in seinem Innern unter Vermehrung der sporenbildenden Fäden zu. Endlich beginnt in den letztern die Sporenbildung, indem bei Tilletia an den Enden der kurzen Ästchen kugelige Zellen abgeschnürt werden, bei Ustilago die Fäden selbst in kugelige Glieder sich abteilen. Während der Inhalt dieser Glieder sich vermehrt, schwindet allmählich die gallertartige Membran, und es bildet sich um die Glieder eine neue feste Haut, welche später an ihrer Außenfläche ein allmählich sich bräunendes Episporium erzeugt. So verwandelt sich die helle, gallertartige Masse in ein trocknes, braunes oder schwarzes Pulver, die reifen Sporen.

Für die Verbreitung des Pilzes ist der Umstand von Bedeutung, daß die Keimschläuche ein kleines Promycelium bilden, welches eine besondere Form von Sporen (Sporidien) durch Abschnürung erzeugt, die ihre Keimschläuche in die Nährpflanzen eindringen lassen. Die Fruchtbarkeit des Pilzes, die wegen der enormen Anzahl der Sporen schon eine sehr große ist, wird dadurch noch bedeutend erhöht. Die Sporen aller auf Getreidearten vorkommenden B. sind sogleich nach der Reife keimfähig und keimen im ersten Jahr am leichtesten; in den folgenden Jahren vermindert sich ihre Keimkraft rasch und scheint sich nicht über wenige Jahre hinaus zu erhalten. Kühn sah bei Aussaat der Sporen von Tilletia Caries aus keimende Weizenpflanzen die Keimschläuche ihrer Sporidien in die Oberhaut des untern Stengelendes und in die innern Gewebe desselben hineinwachsen, wo sie sich zu dem gewöhnlichen Mycelium ausbildeten, und Wolff hat das Eindringen der Keime der B. in die Nährpflanze für eine ganze Reihe von Brandpilzen nachgewiesen und zugleich erkannt, daß die Keime der einzelnen B. in verschiedene Teile der keimenden Nährpflanze vorzugsweise und am sichersten eindringen. Nach Kühn ist das Eindringen der Keimschläuche in die Achse der jungen Getreidepflanze der gewöhnlichste