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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Brasilien

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Brasilien (Finanzen; Heer und Flotte; Wappen etc.).

höhern Beamten des Reichs unterstehen. Die nächste Instanz bilden die Appellationstribunale. Es gibt deren gegenwärtig 11 und zwar in Rio de Janeiro (17 Mitglieder), Bahia (11 Mitglieder), Pernambuco (15 Mitglieder), Maranhão, Pará, Ceará, Minas Geraës, São Paulo, São Pedro do Sul (je 7 Mitglieder), Matogrosso und Goyaz (je 5 Mitglieder). Daneben fungieren 7 Handelsgerichte und zwar in Rio de Janeiro, Bahia, Pernambuco, Maranhão, Pará, Ceará, São Pedro do Sul. Für Militärjustiz besteht als höchster Gerichtshof das Militärtribunal, dessen Präsident der Kaiser ist. Die niedern Richtergrade sind durch die Friedensrichter, Gemeinderichter, Zivilrichter und Waisenrichter repräsentiert, welch letztere nur in Sachen der Waisen und Geisteskranken sowie der Abwesenden verfügten. In Kriminalsachen entscheidet das Geschwornengericht, dessen Leitung dem Kriminalrichter obliegt. Mit Ausnahme der Friedensrichter, die gewählt werden, und der Gemeinderichter, die wieder abberufen werden können, sind die Richter und Räte der Gerichtshöfe Brasiliens unabsetzbar, dürfen aber von einem Ort an den andern versetzt werden. Der Kriminalkodex, dem Code Napoléon nachgebildet, unterscheidet folgende Strafarten je nach der Art des Verbrechens: Strafzahlung, Suspension vom Dienst oder Absetzung, Verbannung, einfache Gefängnishaft, Haft mit Arbeit, Zuchthaus, Todesstrafe. In zivilrechtlichen Sachen gilt der "brasilische Kodex", ein unabsehbares Konglomerat von ältern portugiesischen Gesetzen, mit neuen unvollständigen, widersprechenden Paragraphen und Auslegungen vermehrt. Vgl. "Code criminel de l'empire du Brésil" (Par. 1834) und "Kritische Zeitschrift für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslandes" (Bd. 7, S. 297).

Die Finanzverhältnisse Brasiliens sind bei einem fortwährenden bedeutenden Defizit bis in die letzten Jahre keineswegs befriedigend zu nennen. Der Grund zu ihrem Verfall wurde durch die maßlosen Bedürfnisse des Hofs Johanns VI. gelegt. Man suchte sich durch Spekulationen zu helfen, welche unglücklich ausfielen und die Einführung des Papiergeldes statt der Münze zur Folge hatten. Mannigfache Unruhen im Innern und die fortwährenden Kriege mit den Nachbarstaaten, besonders der lange, erst 1870 beendete mit Paraguay, welcher dem Staat fast 489 Mill. Milreis gekostet haben soll, mehrten die Staatsschuld beständig und untergruben den Kredit immer mehr. Die Abschlüsse der letztverflossenen Jahre zeigen indessen, daß die großen natürlichen Hilfsquellen des Landes, welche die Regierung immer mehr zu benutzen versteht, in nicht zu ferner Zeit einen Ausgleich gestatten. Die Einnahmen sind in stetem Wachsen begriffen; sie betrugen:

Milreis

1840-41 16310577

1858-59 39428000

1864-65 56995925

1866-67 61845426

1870-71 101033695

1872-73 103333888

1874-75 109767300

1881-82 131986964

Diesen ordentlichen Einnahmen standen folgende Ausgaben gegenüber:

Milreis

1858-59 40097000

1864-65 83346159

1866-67 102873050

1870-71 83570376

1874-75 101484792

1881-82 139470648

Infolge der zur Fortsetzung des Kriegs mit Paraguay bewilligten außerordentlichen Kredite stellte sich in den 60er Jahren ein besonders hohes Defizit heraus. Es betrug z. B. 1866-69 fast 59,25 Mill., 1867-68 sogar über 107 Mill. Milreis. In dem Budget für 1883/84 aber stehen sich 132,115,400 Milreis an Einnahmen und 130,185,060 Milreis an Ausgaben gegenüber. Auch in dem Voranschlag für 1885/86 übertreffen die Einnahmen um etwa 5 Mill. Milreis die Ausgaben. Die wesentlichste Einnahmequelle bilden die sehr hohen Zölle, welche sowohl auf die Einfuhr als auf die Ausfuhr gelegt sind. Sie betrugen im Budget von 1883/84: 93,709,800, dazu kommen an innern Einnahmen an Grundsteuer, Patentsteuer, Posten, Eisenbahnen etc. 35,395,600 Milreis. Die Staatsschuld hatte sich infolge der erwähnten Umstände in den letzten Jahrzehnten außerordentlich vermehrt. Während die Summe derselben in einer offiziösen Ausstellung vom 31. März 1867 zu 166 Mill. Milreis angegeben wurde, finden sich 1869 nicht weniger als 724,753,954 Milreis aufgeführt, wovon allerdings ein großer Teil für Eisenbahnen verwendet wurde; Ende 1870 war sie bereits reduziert auf 581,323,430 Milreis, wozu im Februar 1871 noch ein englisches Anlehen von 3 Mill. Pfd. Sterl. kam. Am 31. März 1884 belief sie sich wieder auf 863,168,809 Milreis, so daß deren Verzinsung einen großen Teil der jährlichen Einnahmen absorbiert. Die Staatsschuld zerfällt in die äußere (ca. 170 Mill.), die in Gold zu bezahlen ist, und die innere (ca. 406 Mill.), die in Papier bezahlt wird. Der Rest entfällt auf die schwebende Schuld (darunter Gouvernementsnoten im Wert von 188 Mill.). Dazu kommen noch die Noten der Bank von B. und der Banken von Bahia und Maranhão im Betrag von 22 Mill. Milreis. Die Staatsaktiva bestanden 31. März 1884 außer den rückständigen Steuern (fast 14 Mill.) und dem Guthaben des Staatsschatzes an den Eisenbahnen (14 Mill.) in einer Schuldforderung an Uruguay und Paraguay im Betrag von zusammen ca. 17 Mill. Milreis.

Die brasilische Armee ist durch das Gesetz vom 27. Febr. 1875 reorganisiert. An Stelle des frühern Werbesystems ist die allgemeine Wehrpflicht eingeführt, welche jedoch Ausnahmen zuläßt und Stellvertretung in einzelnen Fällen gestattet. Die Friedensstärke ist auf 13,000 Mann normiert, die Kriegsstärke auf 32,000 Mann. Die Dienstzeit beläuft sich aus 6 Jahre bei der Armee und 3 Jahre bei der Reserve. Die frühere Nationalgarde ist aufgelöst, um nach den Ergebnissen der neuen Zählung reorganisiert zu werden. Die Zahl der Aktiven betrug 1884 (Friedensstärke): 1900 Offiziere und 11,864 Mann, welche sich auf 21 Bataillone Infanterie, 5 Regimenter Kavallerie, 3 Regimenter reitende und 5 Bataillone Fußartillerie, 1 Bataillon Pioniere, 2 Jäger- und 14 Garnisonkompanien verteilen. Dazu kamen 10,792 Mann Gendarmerie, davon 1063 in Rio de Janeiro. Die Flotte bestand 1884 aus 60 aktiven Fahrzeugen, darunter 8 Panzerschiffe, 6 Kreuzer, 12 Kanonenboote und 8 Torpedofahrzeuge, mit einer Besatzung von 3022 Mann und 93 Kanonen. Im Bau befanden sich 1 Panzerschiff und 5 Kanonenboote. Das Personal der Marine belief sich auf 5673 Mann, 15 Offiziere des Generalstabs, 382 Offiziere erster Klasse, Marinekorps 3181 Mann, Seebataillon 578 Mann und 1060 Mann Seekadetten- und Jungenkorps. - Das Wappen (s. Tafel "Wappen") zeigt im grünen Felde die Himmelskugel Heinrichs des Seefahrers, durch das silberne, mit einem roten Rand eingefaßte Kreuz des Christusordens in vier Teile geteilt und von einem blauen, runden Reif umgeben, welcher mit 19 silbernen Sternen belegt ist und auf beiden Seiten eine silberne Einfassung hat. Den Schild deckt eine Kaiserkrone, zur Rechten umgibt ihn ein Zweig des Kaffeebaums, zur Linken der Zweig einer Tabakspflanze,