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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Châteaubriant; Château-Châlon

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Châteaubriant - Château-Châlon.

solcher Haupturheber des spanischen Kriegs, welcher dieses unglückliche Land härter als je in Fesseln schlug. Seine unermeßliche Eitelkeit brachte ihn jedoch bald in Differenzen mit Villèle; er wurde ungnädigst entlassen und trat nun, voll Wut über den ihm angethanen Schimpf, in die liberale Opposition und bekämpfte als Pair mit allen Mitteln der entfesselten Presse die Villèleschen Institutionen. Seine meisterhaft geschriebene Flugschrift nach Ludwigs XVIII. Tod: "Le roi est mort; vive le roi!" wandte ihm zwar die Gunst des Hofs und insbesondere Karls X. Gnade von neuem zu, brachte ihn aber nicht ins Ministerium, daher er in seiner oppositionellen Stellung verharrte. Er schrieb nun in dem "Journal des Débats" seine glänzenden Artikel für Preßfreiheit und gegen die Zensur, für die Wiederherstellung Griechenlands ("Note sur la Grèce") etc. und nahm unter dem liberalen Ministerium Martignac 1828 den Gesandtschaftsposten in Rom an, den er aber 1829 niederlegte, als der Herzog von Polignac Minister wurde. Mit der Julirevolution, an der er keinen Anteil nahm, trat er in die dritte Periode seines politischen Wirkens: er verweigerte dem Bürgerkönig den Eid der Treue, schied aus der Pairskammer und blieb den Bourbonen treu, unterhielt aber zu gleicher Zeit Verbindungen mit den Republikanern, besonders mit Carrel und Béranger. Die letzten bedeutenden Aktionen seines Lebens waren seine Reisen im Interesse der Bourbonen (1831 nach Prag, 1843 nach Belgrave Square); die übrige Zeit blieb er ruhig in der Abbaye aux Bois, mit der Abfassung seiner Memoiren beschäftigt, in der Nähe seiner Freundin Mad. Récamier, der er 20 Jahre lang treu geblieben ist, und in deren Salon er der Mittelpunkt und Abgott des jungen Frankreich war. Er starb 4. Juli 1848 in Paris. Die schriftstellerischen Erzeugnisse dieser Periode sind: "De la restauration et de la monarchie élective" (1831); "De la nouvelle proposition relative au bannissement de Charles X et de sa famille" (1831); "Mémoire sur la captivité de Mad. la duchesse de Berri" (1833) und eine Menge Berichte, Reden, Journalartikel meist polemischen Charakters. Ferner erschienen in diesem Zeitraum die schon erwähnten "Natchez" (1825) und "Les aventures du dernier des Abencérages", die Erzählung eines Abenteuers in der Alhambra aus seiner Reise durch Spanien, vielleicht sein vollendetstes Werk (mit "Atala" und "René" übersetzt von M. v. Andechs, Hildburgh. 1866); "Études ou discours historiques sur la chute de l'empire romain, etc." (1831, 4 Bde.); "Voyages en Amérique, en France et en Italie" (1834, 2 Bde.); "Essai sur la littérature anglaise" (1836, 2 Bde.); eine Übersetzung von Miltons "Paradise lost" (1836); "Le congrès de Vérone" (1838); "Vie de Rancé" (1844) u. a. Am meisten jedoch beschäftigte ihn in dieser Zeit die Vollendung seiner "Mémoires d'outre-tombe", an denen er 1811-33 geschrieben hat. Wegen der vielen persönlichen Anspielungen, welche das Werk enthielt, sollte es erst lange nach seinem Tod veröffentlicht werden; aber die Geldnot, in der sich C. immer befand, zwang ihn, das Manuskript um einen hohen Preis zu verkaufen, und kaum hatte er die Augen geschlossen, da begann der Verleger unter dem Druck der ungeheuern Erwartung die Publikation als Feuilleton in der "Presse", dann in 12 Bänden (1849-50). Die Enttäuschung aber war eine allgemeine; man fand nur einen Wust von Gedanken und Gefühlen, von einander widersprechenden Urteilen und falschen Behauptungen, und man ärgerte sich über die lächerliche Eitelkeit und naive Selbstüberschätzung des Autors und über die bittern und ungerechten Urteile gegen seine Zeitgenossen. Wie die "Memoiren" aber trotzdem von großer Wichtigkeit sind für die Kenntnis der Zeitgeschichte, so haben sie auch am meisten dazu beigetragen, die ungeheure Überschätzung Chateaubriands auf das richtige Maß zurückzuführen. Ein Schriftsteller ersten Ranges in der Behandlung der Sprache, ein Dichter durch seinen Reichtum an schöpferischer Phantasie, obwohl er nie einen Vers geschrieben, als Naturmaler von einer Kraft und Üppigkeit, an welche selbst Bernardin de Saint-Pierre nicht heranreicht, durch und durch Original, steht er mit Recht an der Spitze dieses Jahrhunderts. Er ist zugleich Vorkämpfer und oberstes Haupt der Romantik in Frankreich und der Hauptvertreter der poetischen Prosa, über deren Fundgruben er mit mächtigem Zauberstab gebietet, und deren funkelnde Schätze er mit solcher Virtuosität zu bearbeiten versteht, daß das trunkene Auge neben dem blendenden Schein die Fehler der Gattung kaum gewahr wird. Der Höhepunkt seiner litterarischen Wirksamkeit sind die "Martyrs" und das "Itinéraire", seiner politischen die Polemik gegen Villèle im "Journal des Débats" (1824 bis 1827). Und wenn in einer großen Menge seiner Schriften, besonders in seinen "Mémoires", sich bedeutende Mängel finden in der Komposition, in Geschmack und Urteil, so darf man nicht vergessen, daß in seiner besten Zeit zwei treue Berater ihm zur Seite standen und helfend und bessernd auf seine Schriften einwirkten: für die litterarischen Werke Fontanes, für die politischen der ältere Bertin, deren Hilfe er bei den "Mémoires" entbehren mußte. Auf seine politische Thätigkeit wirft das beste Licht sein Glaubensbekenntnis in "De la restauration et de la monarchie élective" (1831): "Ich bin Anhänger der Bourbonen aus Ehrgefühl, Royalist aus Überzeugung, Republikaner aus Neigung". Unter den zahlreichen Ausgaben seiner "Œuvres complètes" sind die von C. selbst besorgte (1826-31, 31 Bde.) und die von Sainte-Beuve (1859-61, 12 Bde.) hervorzuheben; eine deutsche Gesamtausgabe erschien in 66 Bänden (Freiburg i. Br. 1827-28). Die einzelnen Werke sind oft aufgelegt worden, z. B. "Atala" 1862, mit Zeichnungen von G. Doré; die "Mémoires" 1856 in 8 Bänden mit Lebensbeschreibung von Ancelot. Vgl. Villemain, C., sa vie, ses écrits (Par. 1858, 2 Bde.); Sainte-Beuve, C. et son groupe littéraire sous l'empire (das. 1860, 2 Bde.); L. Nadeau, C. et le romantisme (das. 1874).

Châteaubriant (spr. schatohbriang), Arrondissementshauptstadt im franz. Departement Niederloire, an der Chère und der Eisenbahn von Nantes nach Laval, mit mehreren alten, interessanten Kirchen (darunter die romanische St.-Jean de Béré von 1114, neuerlich restauriert), einem Schloß (mit dem Zimmer, in welchem die berühmte Françoise de Foix, Gräfin von C., 1537 starb) und (1881) 4002 Einw., welche Eisen- und Glockengießerei, Maschinen- und Lederfabrikation und Handel mit Getreide, Vieh etc. betreiben. In der Nähe sind ergiebige Eisengruben. C. war vormals eine Baronie, welche eine Zeitlang dem Haus Laval, später dem Haus Bourbon-Condé gehörte. Am 27. Juni 1551 erließ hier König Heinrich II. sein Religionsedikt gegen die Reformierten.

Château-Châlon (spr. schatohschalóng), Dorf im franz. Departement Jura, Arrondissement Lons le Saunier, an der Seille, mit 570 Einw., war ehemals berühmt durch die im 7. Jahrh. gegründete Frauenabtei, welche später in ein adliges Kapitel umgewandelt wurde.

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