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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Chemiglyphie - Chemische Verwandtschaft.

Chemiglyphie, s. Glyphographie.

Chemigraphie, s. Zinkographie.

Chemikalien, s. v. w. chemische Präparate.

Chemillé (spr. sch'mije), Stadt im franz. Departement Maine-et-Loire, Arrondissement Cholet, an der Hyronne ^[richtig:Hyrôme] und der Orléansbahn (Angers-Bressuire), hat eine Kirche aus dem 11. Jahrh., eine eisenhaltige Mineralquelle, Weberei von Leinwand und Sacktüchern (im Dienste der Industrie von Cholet, s. d.), Fabrikation von Flanell, Papier und (1876) 3073 Einw. Sieg der Vendéer über die Republikaner 12. April 1793.

Chemischblau, s. Indigo.

Chemischbraun, s. Bister und Kupferbraun.

Chemische Elemente, s. Elemente.

Chemische Formeln, s. Formeln.

Chemische Harmonika, s. Schall.

Chemische Meßkunst, s. Stöchiometrie.

Chemische Präparate (Chemikalien), im weitern Sinn alle Produkte, besonders chemische Verbindungen, welche durch chemische Prozesse gewonnen werden; im engern Sinn nur die in besondern chemischen Fabriken oder Laboratorien dargestellten Substanzen.

Chemischer Prozeß, der Vorgang der Verbindung oder Zersetzung der Stoffe. Chemische Prozesse verlaufen beständig in der Natur, und auch die Technik ruft in zahllosen Fällen solche Prozesse hervor, die sie auf ein bestimmtes Ziel hinleitet. Gesteine verwittern unter dem Einfluß des Wassers, des Sauerstoffs und der Kohlensäure, die in der Atmosphäre enthalten sind, und verwandeln sich in Ackererde, in welcher die Trümmer der gesteinbildenden Mineralien sich weiter zersetzen, neue Verbindungen gebildet und durch die lebenden, in der Erde wurzelnden Pflanzen sowie durch die Reste der abgestorbenen Pflanzen und Tiere zahlreiche chemische Wandlungen eingeleitet werden. In den Pflanzen verlaufen mannigfaltige chemische Prozesse, durch welche Kohlensäure, Wasser und Ammoniak oder Salpetersäure in die überaus verschiedenartigen Pflanzenbestandteile umgebildet werden. Überall entstehen Cellulose, Eiweiß, Stärkemehl, Gerbstoff etc.; aber neben diesen allgemein verbreiteten Pflanzenstoffen werden eigentümliche Substanzen gebildet, deren Auftreten mit der charakteristischen Organisation der einzelnen Pflanzenarten eng verknüpft ist. Obwohl in demselben Boden wurzelnd und auf gleiche Nahrungsstoffe angewiesen, erzeugt die eine Pflanze reichlich ätherisches Öl, die andre Farbstoffe, die dritte ein giftiges Alkaloid, ohne daß wir bis jetzt wissen, welche Kräfte die hier verlaufenden chemischen Prozesse in so eigentümliche Bahnen lenken. Bei den Tieren wird Ähnliches beobachtet, aber auch hier sind wir nicht entfernt im stande, das Spiel der Zersetzungen und Verbindungen zu übersehen, welchem die Nahrungsstoffe und die aus ihnen gebildeten Körperbestandteile unterliegen, bis sie, in Substanzen von verhältnismäßig einfacher Zusammensetzung übergeführt, endlich den Körper verlassen. Auf chemische Prozesse sind die Erfolge des Ackerbaues und der Viehzucht, die Entwickelung der Organismen, ihre Gesundheit, ihre Krankheit und ihr Tod zurückzuführen. Die Wirkung der meisten Arzneimittel beruht auf chemischen Prozessen, und ebenso werden die Substanzen, mit welchen die Technik arbeitet, die Metalle, viele Salze, das Glas etc., durch chemische Prozesse gewonnen.

Chemisches Laboratorium, s. Laboratorium.

Chemische Symbole, s. v. w. chemische Zeichen.

Chemische Technologie, s. Technologie.

Chemische Verbindungen, s. Elemente.

Chemische Verwandtschaft (Affinität), die Ursache der Bildung und des Bestehens chemischer Verbindungen. Alle Elemente zeigen unter bestimmten Verhältnissen ein gewisses Bestreben, sich mit andern Elementen zu verbinden; aber dies Vereinigungstreben ist durchaus nicht bei allen Elementen gleich. Während Kalium sich außerordentlich begierig mit Sauerstoff verbindet, besitzt Gold sehr geringe Verwandtschaft zum Sauerstoff und läßt sich direkt gar nicht mit demselben verbinden. Die ungleichen Grade der Verwandtschaft lassen sich nicht messen; man kann die Kraft, mit welcher die Atome in einer chemischen Verbindung zusammengehalten werden, nicht durch Vergleichung mit einer andern Kraft bestimmen, sondern vermag nur über die relative Größe der Verwandtschaft Betrachtungen anzustellen. Im allgemeinen kann man sagen, daß die Elemente um so größere Verwandtschaft zu einander besitzen, je mehr sie in ihren Eigenschaften voneinander abweichen. Man spricht von einfacher chemischer Verwandtschaft, wenn sich zwei Elemente direkt miteinander vereinigen, wie Eisen mit Schwefel beim Erwärmen. Wirkt aber Eisen auf Schwefelquecksilber, also auf eine chemische Verbindung von Schwefel mit Quecksilber, so tritt ein Wettstreit ein zwischen den drei Elementen Schwefel, Quecksilber und Eisen, und da Schwefel zum Eisen größere Verwandtschaft besitzt als zum Quecksilber, so wird das Schwefelquecksilber zersetzt, und es entsteht Schwefeleisen, während sich metallisches Quecksilber ausscheidet. Hier "wählt" gewissermaßen der Schwefel zwischen den beiden Metallen, und man spricht daher von einfacher Wahlverwandtschaft. Treten zwei chemische Verbindungen miteinander in Berührung, so kann auch ein doppelter Austausch stattfinden; aus Jodkalium und Chlorquecksilber wird z. B. Chlorkalium und Jodquecksilber, und dies nennt man eine Zersetzung durch doppelte Wahlverwandtschaft. Übergießt man Zink mit Wasser, so findet keine Einwirkung statt; gießt man aber Schwefelsäure hinzu, so wird Wasser zersetzt, der Wasserstoff desselben entweicht, und der Sauerstoff des Wassers verbindet sich mit dem Zink zu Zinkoxyd, welches sich mit der Schwefelsäure zu schwefelsaurem Zinkoxyd verbindet. Hier waltet prädisponierende Verwandtschaft. Die Verwandtschaft des Zinks zum Sauerstoff ist nicht groß genug, um denselben bei gewöhnlicher Temperatur dem Wasserstoff entreißen zu können. Tritt aber Schwefelsäure hinzu, so wirkt diese prädisponierend wegen ihrer großen Neigung, sich mit einer Base zu verbinden, und nun wird das basische Zinkoxyd gebildet. Diese Vorstellungen haben durch die neuere Chemie nicht unwesentliche Modifikationen erfahren. Zink zersetzt nicht das Wasser, wohl aber die Schwefelsäure, welche aus Wasserstoff, Schwefel und Sauerstoff besteht. Es bildet sich schwefelsaures Zink, indem das Zink an die Stelle des Wasserstoffs tritt, der dadurch frei wird. Soll die ch. V. zur Äußerung gelangen, so ist vor allem innigste Berührung erforderlich. Eine solche innige Berührung gestattet vor allem der flüssige Zustand der Körper, und man hat daher den Satz aufgestellt: Corpora non agunt nisi fluida, "die Körper wirken nur aufeinander, wenn sie flüssig sind". Man kann trocknes kohlensaures Natron mit trockner Weinsäure als feinstes Pulver sehr innig mischen, ohne daß eine Zersetzung eintritt; sobald man aber das Gemisch mit Wasser übergießt, entwickelt sich alsbald lebhaft Kohlensäure, weil die Weinsäure durch einfache Wahlverwandtschaft das kohlensaure Natron zersetzt. Ferner modifiziert das Licht die ch. V. Ein Gemisch von Wasserstoffgas mit Chlor verändert sich

^[Artikel, die unter C vermißt werden, sind unter K oder Z nachzuschlagen.]