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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Chile

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Chile (Bevölkerung, Unterrichtswesen, Erwerbszweige).

Bereitung von Palmhonig; auch sind die Früchte einiger Myrtenarten eßbar. Eine Bambusart, Coligue genannt, wird zum Dachdecken gebraucht. Was endlich die Tierwelt betrifft, so ist dieselbe durch auffallend wenige Arten vertreten; nur die Vögel und die Krustaceen sind sehr zahlreich. Auf den Kordilleren findet man, doch selten, Guanakos und Vicunnas; in den Wäldern leben Pumas (der amerikanische Löwe, das einzige größere Raubtier Chiles und der gefährlichste Feind der Herden), Hirsche (Cervus chilensis und humilis), Guinnakatzen, Füchse, Wiesel, Waschbären, Gürtel- und Beuteltiere. Von wertvollen Pelztieren sind fast nur die Chinchilla, der Coypú (eine Wasserratte) und der Guillin (ein Fischotter) zu nennen. Von Landvögeln zählt Molina 135 Arten, von denen aber nur die Kolibris und ein Star (Sturnus militaris) durch Schönheit glänzen. Unter ihnen findet sich auch der Kondor; am zahlreichsten aber sind Enten, der chilenische Schwan (schneeweiß mit schwarzem Kopf und Hals), Reiher, Ibisse, Flamingos, Papageien, Drosseln, viele Arten kleiner Singvögel und Tauben. Im S. finden sich patagonische Strauße. An Amphibien ist C. arm; von Schlangen gibt es nur eine einzige, unschädliche Art, auch keine Alligatoren, nur wenige Frösche und Eidechsen (darunter die Iguana, welche über ½ m lang wird), an der Küste mehrere Schildkrötenarten und große Mengen von Chonos, einer Auster, die eine Lieblingsspeise der Eingebornen abgibt. Eßbare Fischarten, darunter mehrere Karpfen, Forellen und der Bagre, eine Welsart von ausgezeichnetem Geschmack, zählt man mehr als 200; doch hat der früher stark betriebene Fischfang sehr abgenommen. Die Insektenwelt ist nur spärlich vertreten; giftige Arten fehlen ganz, auch Moskitos und Heuschrecken. Nur eine einheimische Spinnenart (Latrodectus formidabilis) soll durch ihren Biß gefährlich sein.

Bevölkerung.

Die Bevölkerung (ohne Antofagasta, Tarapacá, Tacna-Arica) betrug 1865: 1,819,223, 1875: 2,075,971 Seelen und wurde 1882 zu 2,237,949 Seelen geschätzt. Einschließlich von 50,000 wilden Indianern im äußersten Süden dürfte C. Anfang 1885: 2,500,000 Einw. gehabt haben, so daß also nur 3,8 Einw. auf das QKilometer kämen. Am dichtesten ist die Bevölkerung in den Provinzen Valparaiso, Santiago, Concepcion und Máule, am dünnsten in Magallanes, Atacama und den von Bolivia und Peru erworbenen Gebietsteilen. Nach der Zählung von 1875 kamen auf 1000 männliche Bewohner nur 1009 weibliche; 35 Proz. der Bevölkerung lebten in den Städten. Die jährliche Zunahme belief sich 1865-75 auf nur 1,4 Proz., trotzdem daß auf 1000 Lebende 46 Geburten und nur 28,4 Todesfälle kommen. Jedenfalls würde der Zuwachs bedeutender sein, wenn nicht die traurigen landwirtschaftlichen Verhältnisse jährlich Tausende von Chilenen ins Ausland trieben und gleichzeitig der Einwanderung aus Europa enge Grenzen setzten. Ob der in jüngerer Zeit von der chilenischen Regierung gemachte Versuch, durch Landschenkungen Einwanderer heranzuziehen, von Erfolg gekrönt sein wird, muß die Zukunft lehren. Nach 1875 zählte man im ganzen Staat nur 26,635 Ausländer, und von ihnen stammten nur 17,807 aus Europa und Nordamerika (4678 Deutsche, 4267 Engländer, 3314 Franzosen). Unter diesen Ausländern nehmen zwar die Engländer im Handel und Bergbau die vornehmste Stelle ein, aber der Einfluß der Deutschen ist trotzdem wohl ein für das Land ersprießlicherer, indem ihre in den Provinzen Valdivia und Llanquihue gegründeten Kolonien sehr wesentlich zur Entwickelung der Hilfsquellen des Landes beitragen. Auch sollen (nach Fonck) die Deutschen unter allen Fremden die beliebtesten sein, weil sie sich rasch in die Sprache, Sitten und Lebensweise des Landes einzugewöhnen wissen. Ihre Kolonien (meist von Lutheranern aus Württemberg gegründet) blühen, und deutsche Kirchen, Schulen und Vereine sind zahlreich.

Abgesehen von den Indianern (deren Zahl indes nicht sehr bedeutend ist) sowie den wenigen Negern und ihren Mischlingen, besteht die einheimische Bevölkerung aus etwa 400,000 Abkömmlingen von eingewanderten Europäern (Spaniern) reinen Bluts und den aus der Mischung von Europäern und Indianern hervorgegangenen Mestizen. Als Hauptcharakterzug der Chilenen bezeichnet man Gutmütigkeit, Sanftheit, Fröhlichkeit, Vorliebe für Poesie und Musik, aber auch Spiel- und Prozeßsucht. Dem Fremden kommt man mit Herzlichkeit entgegen. Die Frauen reinen Bluts zeichnen sich durch Schönheit sowohl als anmutiges und doch würdevolles Benehmen aus. Arbeitsamkeit und wahre Vaterlandsliebe sind Tugenden, die der Chilene in höherm Grad besitzt als andre Abkömmlinge der Spanier in Südamerika.

Die Zahl der Indianer, welche in C. noch in Stämmen lebt, war schon zur Zeit der Befreiung des Landes vom spanischen Joche gering und beschränkt sich jetzt auf den Süden des Landes. Die Changos, im N. des Landes, die auf ihren zerbrechlichen, aus zwei mit Luft gefüllten Schläuchen von Seehundsfell gebildeten Balsas auf den Fischfang ausfahren, das Guanako jagen oder in den Bergwerken arbeiten, haben schon längst die spanische Sprache angenommen. Alle übrigen Indianer, von Copiapo bis zur Magelhaensstraße, gehören zum großen Stamm der Aucaes oder Araukaner (s. d. und Tafel "Amerikanische Völker"), deren letzte Reste auf dem Festland sich 1883 freiwillig der chilenischen Regierung unterwarfen. Desselben Stammes sind die Huilli-che ("Südvolk") auf Chiloe und die Chonos, Poyyas und Key-yas an der Küste von Magallanes. Im äußersten Süden endlich wohnen die Anacaluf (s. Feuerland).

Für die Erziehung ist in C. mehr geschehen als in irgend einem andern Staat Südamerikas. Der Unterricht in sämtlichen vom Staat unterhaltenen Lehranstalten ist unentgeltlich. An der Spitze dieser Anstalten steht die wohlausgestattete Universität von Santiago, 1883 mit 912 Studenten. An Fachschulen gibt es eine landwirtschaftliche Schule (mit Musterwirtschaft), eine Kunstschule, eine Gewerbeschule, mehrere Bergbauschulen, ein Konservatorium für Musik, eine See- und Militärschule und 2 Lehrerseminare unter deutscher Leitung (102 Studenten). Den Sekundärunterricht erteilen das Nationalinstitut in Santiago und 18 Provinziallyceen (1883: 4130 Schüler). An Volksschulen gab es 1883: 1198 (wovon 472 von Vereinen unterhalten wurden) mit 78,941 Schülern. Insgesamt widmeten der Staat und die Gemeinden dem Schulwesen 1883 die beträchtliche Summe von 1,907,850 Pesos. In den größern Städten findet man außerdem von Privatunternehmern geleitete Colegios. Unter den wissenschaftlichen Anstalten ragen die Nationalbibliothek und die Sternwarte in Santiago hervor.

Erwerbszweige.

Landwirtschaft und Bergbau bilden die Hauptwerbszweige. Im J. 1875 beschäftigten sich von je 1000 Personen, deren Beschäftigung angegeben war, 414 mit Landwirtschaft, 259 in Gewerben, 154 als

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