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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Chiron - Chirurgie.

von den Handlinien begrenzte Planetenregionen geteilt, deren Umgrenzungen durch die Handlinien gedeutet wurden. Die hauptsächlichsten derselben sind die fünf Hauptlinien: die Lebenslinie (linea vitalis), zwischen dem Daumen und Zeigefinger anfangend und krumm um den Daumen herum abwärts laufend, sollte durchschnitten und rein ausgeprägt auf Lebenskraft und deshalb auf langes Leben deuten; die Natur- oder Hauptlinie (linea naturalis s. cephalica), unter dem Zeigefinger anfangend und gewöhnlich mit der Lebenslinie sich vereinigend, sollte bei gehöriger Länge einen guten Zustand des Magens, der Leber und der Lebensgeister anzeigen; die Tisch-, Gedärm- oder gemeine Linie (linea mensalis s. inguinalis s. communis), unter dem kleinen Finger anfangend, unter den drei letzten Fingern quer über die Hand laufend und unter dem Zwischenraum des Zeige- und Mittelfingers oder unter ersterm endend, sollte stark ausgeprägt gute Zeugungskraft, aber, wenn sie bis ins erste Gelenk des Zeigefingers geht, ein mühseliges Leben andeuten; die Leber- oder Magenlinie (linea hepatica s. stomachica), von unbestimmtem Anfang, in der Naturlinie endigend, sollte mit dem Zustand der Verdauung in Zusammenhang stehen; die Rascetta, die erste Querlinie unter der Hohlhand auf dem Handgelenk, deutete, wenn ununterbrochen, auf glücklichen Fortgang in Unternehmungen. Außerdem wurden sieben Nebenlinien unterschieden: Marslinie (linea Martis s. soror vitalis, Schwester der Lebenslinie), Sonnen- oder Ehrenlinie (linea solis s. honoris), Venusgürtel (cingulum Veneris), Saturn- oder Glückslinie (linea Saturnina), Heirats- oder Ehestandslinien (lineae matrimoniales), Milchstraße (via lactea), Diskriminal- oder Entscheidungslinien (lineae discriminales). Die Räume sind Stellen in der Hohlhand zwischen den angeführten Linien: der Tisch (mensa), zwischen der Natur- und Tischlinie, deutete auf Reichtum und Freigebigkeit; die Marshöhle oder das Dreieck (cavea Martis oder Triangulum), ein dreieckiger Raum zwischen der Lebens-, Natur- und Leberlinie, deutete, wohlgeschlossen, auf Glück im Vaterland sowie auf natürlichen Verstand, Bescheidenheit und stilles Wesen. Die fünf Berge der Finger (montes) hießen die fleischigen Teile unter den ersten scheinbaren Gelenken der Finger, nämlich: der Venusberg (mons Veneris), unter dem Daumen; der Jupiterberg (mons Jovis), unter dem Zeigefinger abwärts, bis an die Lebens- und Naturlinie; der Saturnberg (mons Saturni), unter dem Mittelfinger; der Sonnenberg (mons solis), unter dem Ringfinger; der Merkurberg (mons Mercurii), unter dem kleinen Finger; der Mondberg (mons lunae) war der dem Venusberg entgegengesetzte, erhabene, fleischige Teil der innern Hand unter dem kleinen Finger. Als eine glückliche Hand galt eine solche, die alle Linien und besonders die Hauptlinien hat und zwar am rechten Ort, wo die Berge sich genau unter ihren bezüglichen Fingern befinden, die Hauptlinien unzerrissen sind, das Dreieck nicht durch verworrene Linien gestört und besonders auch der Venusgürtel vorhanden ist sowie alle Hauptlinien und die Glückslinie gehörig und der Tisch in beiden Händen gleich groß sind.

Die Blütezeit dieser Kunst (16-18. Jahrh.) hat eine reichhaltige Litteratur über die C., meist in der Form akademischer Leitfäden in lateinischer Sprache hervorgebracht. Die Hauptvertreter derselben sind: Johann von Hagen (um 1522), Ingenbert (1689), Prätorius (1699), Gocklenius (1692). Abuhaly Ben Omars "Astrologia terrestis", aus dem Arabischen (Freystadt 1703), ist besonders wertvoll für die Kenntnis des Zusammenhangs des astrologischen und chiromantisch-metoposkopischen Systems. Noch zu Anfang des 18. Jahrh. wurden auf den meisten deutschen Universitäten eigne chiromantische Kollegien gelesen, so in Jena von Hexner, in Halle von Nietzky. Der chiromantische Aberglaube findet sich jetzt noch häufig selbst unter Gebildeten. Vornehmlich sind es Zigeuner, welche aus demselben einen Nahrungszweig machen. In neuerer Zeit haben S. d'Argentigny ("La chirognomonie", Par. 1843; deutsch, Stuttg. 1846) und K. G. Carus ("Über Grund und Bedeutung der verschiedenen Formen der Hand", das. 1846) der C. eine wissenschaftliche Seite abzugewinnen und einen haltbaren Kern darin nachzuweisen gesucht. Vgl. J. ^[Josef] Landsberg, Der Handteller (Posen 1861).

Chiron, s. Cheiron.

Chironomīe (griech.), die mimische Bewegung der Hände in der Orchestik (s. d.) der Griechen und Römer, dann überhaupt orchestische Aktion, Gebärdensprache; s. Mimik.

Chiroplást (griech., "Handbildner"), eine von Logier (s. d.) erfundene und 1814 patentierte Vorrichtung, welche den Klavierspieler verhinderte, das Handgelenk sinken zu lassen und mit den Fingern anders als senkrecht anzuschlagen. Der C. wurde von Stöpel nachgeahmt, von Kalkbrenner vereinfacht und ist als "Bohrerscher Handleiter" in verbesserter Gestalt neuerdings wieder aufgelebt, kann aber auch in dieser Gestalt sowenig wie in jeder andern empfohlen werden, weil ein Schüler, für den solche Mittel nötig sind, nach Wegfall der mechanischen Nachhilfe immer wieder in die alten Fehler verfallen wird. Der beste C. ist ein guter Lehrer. Eine Erfindung von etwas mehr Wert ist Seebers "Fingerbildner", welcher nur zum Einziehen der Nagelglieder zwingt, da auf jeden Finger eine einzelne kleine Zwinge aufgesetzt wird.

Chiroplástik (griech., "Handbildnerei"), die Kunst, mit den Händen aus weichen und knetbaren Massen, wie Thon, Wachs etc., Bildwerke zu formen.

Chiroptĕra, Ordnung der Säugetiere, s. v. w. Handflügler.

Chirothēke (griech.), ein die Hand verhüllender, handschuhartiger Verband; auch Name der zu den Krönungsinsignien der deutschen Kaiser sowie zum Ornat der abendländischen Bischöfe gehörigen Handschuhe. Erstere waren meist von purpurfarbenem Seidenzindel genäht und außen reich mit Laubzierat in Gold- und Perlstickerei bedeckt, letztere ebenfalls aus einem kostbaren Stoff gefertigt und reich verziert (jetzt mit einem gestickten Kreuz). Endlich hieß C. auch ein Folterwerkzeug (eiserner Handschuh mit spitzen Haken).

Chirotherĭum, s. Labyrinthodonten.

Chirotheriumsandstein, s. Triasformation.

Chirurgīe (griech., "Handwirkung", die mit den Händen wirkende ärztliche Kunst), Wundarzneikunde. Eine scharfe Definition von C. läßt sich nicht geben, weil das Gebiet derselben mehr durch Gebrauch und altes Herkommen als durch Umstände, welche in der Natur der Krankheiten liegen, festgestellt worden ist. Sowenig es eine scharfe und naturgemäße Grenze zwischen innern und äußern Krankheiten gibt, sowenig läßt sich zwischen der C. und der innern Medizin eine strenge Unterscheidung aufstellen. Beide Zweige der praktischen Medizin schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen vielmehr einander. Darum muß auch der Chirurg im Vollbesitz des allgemeinen medi-^[folgende Seite]

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