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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Darmgicht; Darmkanal; Darmkatarrh; Darmlarve; Darmnabel; Darmnaht; Darmperforation; Darmsaft; Darmsaiten; Darmschwindsucht

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Darmgicht - Darmschwindsucht.

nen) bilden, bald die Darmwand in ihrer ganzen Dicke durchdringen können. Sie sind verhältnismäßig selten, haben keine charakteristischen Formen und werden nur dann gefährlich, wenn sich eiterige Entzündungen der Darmwand, ihres Bauchfellüberzugs oder des losen Bindegewebes ihrer Umgebung (z. B. bei der Perityphlitis, s. Darmentzündung) an sie anschließen. 2) Embolische D., welche bei Herzfehlern zuweilen im ganzen Darm verbreitet vorkommen, sich aber sonst wesentlich auf den Zwölffingerdarm beschränken und daselbst in Form runder, scharfrandiger Defekte auftreten, über deren Einzelheiten dasselbe gilt, was beim Magengeschwür (s. d.) ausführlich beschrieben ist. 3) Follikulargeschwüre, welche im Dünn- und Dickdarm bei chronischer Darmentzündung beobachtet werden und aus Vereiterung der Follikel in der Submukosa hervorgehen; sie sind eine der häufigsten anatomischen Grundlagen der Darmschwindsucht (s. d.), zeichnen sich durch unterminierte Ränder aus und heilen sehr schwer. 4) Tuberkulöse D. haben ihren Sitz meist im Dünndarm, seltener in dem Magen oder den tiefern Dickdarmabschnitten. Sie entstehen durch Neubildung hirsekorngroßer Tuberkeln in der Schleimhaut, welche zerfallen und einen zunächst kleinen linsenähnlichen (lentikulären) Substanzverlust zurücklassen. In der Umgebung schießen dann neue Knoten auf, die wiederum aufbrechen, und so vergrößern sich die Geschwüre oft zu großen ringförmigen oder gürtelförmigen Verschwärungen (Ulcera annularia). Während die Follikulargeschwüre ihren Sitz in den tiefen Schichten der eigentlichen Schleimhaut haben, können die Tuberkeln schließlich alle Lagen der Darmwand durchsetzen und zum Durchbruch in die Bauchhöhle führen. Schon früh erkennt man sie daran, daß äußerlich auf der Serosa an den Geschwürsstellen grauweiße Tuberkeln aufsitzen. Sie heilen selten und kommen meist bei allgemeiner Schwindsucht vor. 5) Typhöse D. haben ihren Sitz vorwiegend in den Peyerschen Drüsenhaufen des tiefsten Dünndarmabschnitts, seltener im Dickdarm. Sie liegen daher meist dem Ansatz des Gekröses gegenüber, im Dickdarm an Stelle der Einzelfollikel. Diese D. nehmen ihren Ausgang aus einer markigen Anschwellung und lymphatischen Wucherung der genannten Drüsen; diese Wucherung zerfällt und bildet einen Schorf, der nach seiner Abstoßung das Geschwür hinterläßt. Gewöhnlich reicht der Defekt bis zur Ringmuskulatur, zuweilen jedoch durch alle Schichten, so daß nicht so selten Durchbruch zu stande kommt. Die typhösen D. heilen am besten und bilden zarte, höchst unscheinbare Narben. 6) Diphtheritische D. Dieselben sind ausgezeichnet durch ihren oberflächlichen Sitz im Dünndarm, auf der Höhe der Falten, und im Dickdarm, wo sie ihre Lieblingsstätte haben, auf den hervorragenden Leisten der sogen. Tänien und Haustra. Den Anlaß zur Verschwärung bilden hier Bakterienwucherungen, welche die Schleimhaut zum Absterben und Zerfall bringen. Diese Art der D. kommt vor unter epidemischen Einflüssen (Ruhr, Cholera) bei Kotstauungen und als Verstärkung chronischer einfacher Darmentzündung (s. d.). Beim Heilen hinterlassen sie mitunter höchst beschwerliche und gefahrbringende Verengerungen (Stenosis, Strictura intestinalis). 7) Syphilitische D. stellen sich nur selten im Dünndarm, häufiger dagegen im Mastdarm bei Frauenzimmern ein und zeichnen sich vor allen andern Formen durch Umfang, chronischen Verlauf und durch die Neigung zu starken Schrumpfungen aus. Die durch sie bedingten Verengerungen steigern sich zuweilen bis zum völligen Verschluß (Atresia) des Darmrohrs und können nur operativ beseitigt werden. 8) Als letzte Gruppe seien die krebsigen D. genannt, welche gewöhnlich als flache Gallertkrebse am Magen, Dünndarm und vornehmlich im Mastdarm vorkommen. Am letztern Ort geben sie gelegentlich Anlaß zu Verwechselungen mit den beiden früher erwähnten Kategorien, da auch sie Verengerungen im Gefolge haben und nur operativ behandelt werden können.

Darmgicht, s. Kotbrechen; D. der Bienen, s. Tollkrankheit.

Darmkanal, s. Darm.

Darmkatarrh, s. Darmentzündung.

Darmlarve, s. Entwickelungsgeschichte.

Darmnabel, s. Nabel.

Darmnaht (Enterotomie), chirurg. Operation, durch welche der Bauch und darauf der Darm künstlich eröffnet werden. Die D. ist äußerst lebensgefährlich und wird sehr selten ausgeführt, einmal um bei krankhaftem Verschluß des Darms den von oben andrängenden Inhaltsmassen einen Weg nach außen zu schaffen (künstlicher After), oder um eingeklemmte, brandig gewordene Darmstücke zu entfernen. Zuweilen geht der D. die Entfernung (Resektion) eines durch Brand oder Geschwülste entarteten Darmstücks voraus. Namentlich bei Geschwüren und Krebs des Magens ist seit 1880 zuweilen die D. ausgeführt worden; dauernden Erfolg hat man kaum je erzielt.

Darmperforation, s. Darmgeschwüre.

Darmsaft, ein von der Schleimhaut des Darmkanals, speziell von den tubulösen Lieberkühnschen und acinösen Brunnerschen Drüsen, geliefertes Sekret. Er stellt eine farblose Flüssigkeit von alkalischer Reaktion dar, die neben unbedeutenden Mengen von Eiweiß mineralische Bestandteile und wahrscheinlich auch ein diastatisches Ferment enthält. Eine eiweißverdauende Kraft kommt dem D. nicht zu, allem Anschein nach wirkt er vielmehr ausschließlich auf die Kohlehydrate ein. Eine hervorragende Bedeutung des Darmsaftes für die Verdauung ist nicht nachgewiesen.

Darmsaiten, s. Saiten.

Darmschwindsucht (Phthisis meseraica, Enterophthisis, Phthisis oder Tabes intestinalis) bezeichnet eine Mehrheit krankhafter Prozesse des Darms und der zugehörigen Gekrösdrüsen, welche in chronischem Verlauf zu einer Aufhebung der Verdauung und damit zu allgemeiner Auszehrung führen. Vorzugsweise gehören hierher geschwürige Zerstörungen des Darms, durch Schwellung, Vereiterung oder Verkäsung der Follikel hervorgebracht, dann die tuberkulöse Verschwärung und die Verkäsung und Tuberkulose der Gekrösdrüsen; zuweilen gesellt sich zu einem der genannten Prozesse noch eine Amyloidentartung der Darmzotten oder eine diphtheritische Darmentzündung. Die D. kommt sehr häufig bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen vor, welche an Lungenschwindsucht, an tuberkulöser Bauch- oder Brustfellentzündung oder allgemeiner Tuberkulose leiden. Mitunter entsteht sie jedoch primär oder wenigstens als Hauptleiden, wo sie sich auf der Grundlage einer skrofulösen Krankheitsdisposition aus chronischem Katarrh des Verdauungsapparats entwickelt. Das nächste Symptom bildet ein chronischer, oft unstillbarer Durchfall und demnächst der langsam fortschreitende Verfall der Kräfte. Zuweilen schwindet das Fettgewebe so stark, daß die Kranken zum Skelett abmagern, zuweilen begleitet die D. im Gegenteil reichlicher Ansatz von Fett bei bleichem, pastosem