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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Deutschland

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Deutschland (Sprache und Volksstämme).

und Forstwirtschaft, Tierzucht und Fischerei ausschließlich oder hauptsächlich: 19,225,455 Personen oder 42,5 Proz. der Bevölkerung, darunter waren Angehörige, die nicht oder doch nur nebensächlich erwerbstätig waren, 10,564,046 oder 23,4 Proz. der Bevölkerung, bez. 57,6 Proz. jener Berufsabteilung; zu B. Bergbau, Bauwesen und Industrie: 16,058,080 Individuen oder 35,5 Proz. der Bevölkerung, darunter 9,359,054 Angehörige, 20,7 Proz. der Bevölkerung und 58,3 Proz. dieser Berufsabteilung; zu C. Handel und Verkehr, einschließlich Gast- und Schenkwirtschaft: 4,531,080 oder 10 Proz. der Bevölkerung, 2,665,311 oder 59 Proz. davon waren Angehörige; zu D. häusliche Dienstleistungen und Lohnarbeit wechselnder Art: 938,294 oder 2,1 Proz. der Bevölkerung, davon 538,523 = 57,4 Proz. Angehörige (die bei ihrer Herrschaft wohnenden Dienstboten sind mit 1,324,924 in den einzelnen Berufsabteilungen enthalten); zu E. Militär-, Zivil-, Staats-, Gemeinde-, Kirchen etc. Dienst und sogen. freie Berufsarten: 2,222,982 Personen oder 4,9 Proz. der Bevölkerung, davon 46,2 Proz. Angehörige; zu F. Selbständige ohne Beruf und ohne Berufsangabe, in Vorbereitung und Weiterbildung Begriffene und Anstaltsinsassen: 2,246,222 oder 5 Proz. der Bevölkerung. Der Anteil der hauptsächlichsten Berufsabteilungen der Landwirtschaft und der Industrie an der Gesamtbevölkerung ist über das Reichsgebiet höchst ungleich verteilt, doch lassen sich die extremen Gebiete in wenigen großen Zügen darstellen. Einen starken Prozentsatz industrieller Bevölkerung (über 30 Proz. der Gesamtbevölkerung ausmachend) finden wir zunächst in zwei großen zusammenhängenden Gebieten, diese sind 1) der ganze Westen des Reichs: Württemberg, Baden, Elsaß-Lothringen, Hessen, Hessen-Nassau, Rheinland und die angrenzenden Teile Westfalens, mit Ausschluß einzelner Kreise in Baden und Württemberg sowie des an Luxemburg grenzenden Teils der Rheinprovinz; 2) Königreich Sachsen, Thüringen und das mittlere D. bis zur Norddeutschen Ebene, sodann ein schmaler, stellenweise etwas unter obigem Prozentsatz stehender Streifen am Südrand der Provinz Schlesien. Außerdem gehören dahin die vereinzelten kleinen Gebiete von Stettin, Hamburg, Bremen, Kiel.

Vorwiegend Landwirtschaft treibend (über 50 Proz. der Gesamtbevölkerung) ist die Bevölkerung in den übrigen Teilen des Reichs. Voran steht das große Gebiet der östlichen Provinzen (beide Preußen und Posen), nach S. anschließend der größte Teil Schlesiens, nach W. Pommern, Teile Brandenburgs und beide Mecklenburg. Durch den Norden der Provinz Sachsen gelangen wir dann in das zweite Gebiet: Provinz Hannover (ohne Hildesheim) und Bezirk Münster, dann durch einen Streifen des Bezirks Minden, durch Waldeck und Regierungsbezirk Kassel nach dem gesamten rechtsrheinischen Bayern mit Ausnahme weniger Kreise; aber auch die Mehrzahl der württembergischen und badischen Kreise sowie Teile von Elsaß-Lothringen gehören hierher. Sodann treten noch besonders hervor die kleinern Gebiete: Regierungsbezirk Trier und der Norden Schleswig-Holsteins.

Welche Stellung D. in der prozentualen Verteilung der im Hauptberuf Erwerbstätigen auf drei der obigen großen Berufsabteilungen: 1) Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei, 2) Industrie, 3) Handel und Verkehr, gegenüber einer Reihe fremder Staaten und einzelner Reichsteile einnimmt, erhellt aus nachfolgender Übersicht:

Von 100 Erwerbsthätigen gehören an:

der Landwirtschaft etc. der Industrie dem Handel u. Verkehr

Berlin 0,8 60,7 23,3

Königreich Sachsen 23,6 58,4 10,6

Schottland 18,8 54,8 15,8

England und Wales 14,0 54,5 17,2

Schweiz 45,9 41,9 7,6

Deutsches Reich 46,7 36,3 8,9

Prov. Schlesien 49,3 36,3 7,1

Prov. Schleswig-Holstein 46,2 32,2 11,5

Frankreich 46,3 31,9 13,7

Vereinigte Staaten 47,3 24,4 12,4

Irland 48,8 23,0 8,2

Italien 62,6 22,8 6,0

Österreich 59,8 22,2 4,2

Provinz Posen 67,9 17,9 5,8

Ungarn 67,2 12,1 2,8

Sprache und Volksstämme.

Unter der Gesamtbevölkerung des Reichs gibt es fast 42 Mill. Deutsche und 3¼ Mill. Nichtdeutsche, unter den letztern 2½ Mill. Polen und Tschechen, 140,000 Wenden, 200 Kassuben, 150,000 Litauer, 140,000 Dänen und 280,000 Franzosen und Wallonen. Durchaus deutsch sind die kleinern Bundesstaaten, mit Ausnahme des Königreichs Sachsen, wo es eine Anzahl Wenden gibt, und des Reichslandes Elsaß-Lothringen, wo Franzosen in nicht unbedeutender Zahl leben. Unter den preußischen Provinzen haben Westfalen, Hannover, Sachsen und Hessen-Nassau eine rein deutsche Bevölkerung. Gering ist auch die Zahl der Nichtdeutschen in Pommern, in der Rheinprovinz und in Brandenburg, ansehnlicher in Schleswig-Holstein (Dänen), Ost- und Westpreußen, Schlesien und Posen; in der letztern überwiegen sogar die Nichtdeutschen.

Die Deutschen scheiden sich durch Dialekt und Sitte, die sich selbst im Bau von Dorf, Gehöft und Haus ausspricht, in mehrere Stämme, welche man in die niederdeutschen mit plattdeutscher Sprache, die Bewohner des nördlichen Tieflandes und selbst eines Teils des nordwestlichen Berglandes, und in die das übrige D. bewohnenden hochdeutschen Stämme einteilen kann. Zu den Niederdeutschen gehören die Friesen, Niederrheinländer, Westfalen und Niedersachsen, Nachkommen der alten Sachsenstämme, die ihre plattdeutsche Mundart auch über die ganze ursprünglich wendische Bevölkerung östlich der Elbe verbreitet haben. In der Mark Brandenburg, in Mecklenburg, Pommern und dem größern Teil von Ost- und Westpreußen ist gegenwärtig das Plattdeutsche herrschende Volkssprache. Die Friesen bewohnen von Ostfriesland bis Schleswig das Küstenland der Nordsee und sind auch gegenwärtig noch der seetüchtigste deutsche Stamm, Meister im Bau der Deiche, zu Hause auf ihrem Gehöft freie Bauern. Mit welch zäher Tapferkeit diese Freiheit von ihnen bewahrt wurde, dafür spricht laut der Kampf der friesischen Dithmarschen. Der Niederrheinländer, der vom Südende der Kölner Bucht und von den Erftquellen nördlich bis Wesel das westliche Grenzland bewohnt, hat schon ganz Mundart und Sitte des angrenzenden Niederländers; auch wie dieser mehr auf Viehzucht als Ackerbau bedacht, ist er durch die Tausende gewerbfleißiger Familien, welche spanische und französische Verfolgung einst in seine Grenzen hinübertrieben, zum emsigen Fabrikarbeiter geworden. Der Westfale lebt in den Sauerländischen Gebirgen und in dem ebenen Münsterland, in Osnabrück und bis in die untern Weserberge hinein.