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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Deutschland

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Deutschland (Geschichte 1805-1807. Ende des alten Reichs).

sie 13. Nov. einzogen, und 2. Dez. 1805 wurde das vereinigte russisch-österreichische Heer in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz völlig besiegt. Rußland schied, weil es so bald keine neuen Streitkräfte aus dem Innern des Reichs heranzuziehen vermochte, ohne Frieden zu schließen, aus dem Krieg aus. Österreich, völlig erschöpft, schloß 25. Dez. mit Frankreich den Frieden von Preßburg, welcher ihm harte Bedingungen auferlegte: es mußte Venetien an den französischen Vasallenstaat Italien, Tirol und Vorarlberg an Bayern, den Breisgau an Baden abtreten und erhielt bloß Salzburg zur Entschädigung, welches der Großherzog von Toscana gegen Würzburg vertauschte. Ferner mußte es die Souveränität der neuen Könige von Bayern und Württemberg und des Großherzogs von Baden anerkennen und im voraus seine Zustimmung zu einem engern Bund Napoleons mit deutschen Fürsten geben. Dieser, der Rheinbund (s. d.), ward 12. Juli 1806 von 16 deutschen Fürsten: Bayern, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt, Berg, Nassau, dem Fürsten-Primas v. Dalberg u. a., abgeschlossen und wahrte durch Berufung einer ständigen Bundesversammlung nach Frankfurt seinen föderativen Charakter, war aber ganz in der Gewalt seines Protektors, des französischen Kaisers, gegen den sich jeder einzelne Fürst zu ewigem Bündnis und zur Stellung eines fest normierten Kontingents in jedem Krieg verpflichten mußte. Dafür erhielten die Rheinbundsfürsten die Erlaubnis, die noch unabhängigen Reichsgrafen und Reichsfürsten in ihrem Gebiet zu mediatisieren. Auf die Anzeige an den Regensburger Reichstag von der Bildung des Rheinbundes und dem Austritt seiner Mitglieder aus dem Reichsverband (1. Aug. 1806) legte Franz II. 6. Aug. die Kaiserwürde nieder, und der Reichstag ging auseinander. Dies war das Ende des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation, nachdem es lange schon abgestorben war. Sein Untergang ließ die deutsche Nation fast unberührt, so sehr war durch seine Ohnmacht sein Ansehen gesunken.

Nachdem Napoleon durch den Preßburger Frieden Österreich aus D. herausgedrängt und durch den Rheinbund Süd- und Westdeutschland seiner Botmäßigkeit unterworfen hatte, schritt er zum Sturz der preußischen Macht.

Preußen führte seinen Untergang durch eigne Schuld herbei. Zwar hatte die neue Regierung Friedrich Wilhelms III. (1797-1840) die zerrütteten Finanzen durch Sparsamkeit geregelt, aber der gefährliche Mißstand der Kabinettsregierung, welcher die Minister vom König fern hielt und ihn in die Gewalt schmeichlerischer Günstlinge brachte, blieb bestehen. An dem Heerwesen wurde nichts geändert; trotz der Erfahrungen in den französischen Feldzügen, trotz der glänzenden Erfolge der Napoleonischen Heeresorganisation und Kriegführung konnte man sich nicht zu Reformen in den Heereseinrichtungen entschließen. Hochmütiger Dünkel erfüllte die Offiziere, und die altersschwachen Generale, welche die höchsten Kommandos innehatten, glaubten das Feldherrntalent Friedrichs II. zu besitzen, weil sie noch unter ihm gedient hatten. Die Neutralität verschaffte dem Staat eine längere Friedenszeit. In dieser gab sich aber das Volk der Genußsucht und der geistigen Schwelgerei hin und entfremdete sich, wenigstens an seiner Oberfläche, den edlen, erhabenen Ideen patriotischer Hingebung und der Vaterlandsliebe. Die Leiter der äußern Politik, Haugwitz, Lucchesini und Lombard, waren zwar nach Machtvergrößerung lüstern, wagten aber weder die offene Allianz, die Napoleon wiederholt anbot, anzunehmen, noch sich gegen ihn zu erklären. So nahm Preußen 1803 Hannover nicht von Napoleon an, duldete aber, daß die Franzosen es besetzten. 1805 war der König entschlossen, aus seiner schwächlichen Zurückhaltung herauszutreten und sich mit der dritten Koalition zu verbünden. Eine anmaßende Drohung des ungeduldigen russischen Kaisers verhinderte einen sofortigen Entschluß. Der eigenmächtige Durchmarsch der Franzosen durch Ansbach bewirkte dann, daß Preußen sein Heer auf Kriegsfuß setzte und Haugwitz in das französische Hauptquartier sich begab, um von Napoleon die Räumung Deutschlands und die Rückkehr zu den frühern Verträgen zu fordern, widrigenfalls ein preußisches Heer von 180,000 Mann zu den Verbündeten stoßen werde. Aber der eitle, schwache Haugwitz ließ sich bis nach der Schlacht von Austerlitz hinhalten und dann den Vertrag von Schönbrunn (15. Dez. 1805) aufnötigen, nach welchem Preußen ein neues Schutz- und Trutzbündnis mit Frankreich schloß und gegen Abtretung Ansbachs, Neuenburgs und Kleves Hannover annahm. Nach dem Frieden von Preßburg wagte der völlig isolierte Berliner Hof nicht, diesem Vertrag die Genehmigung zu versagen, und gab auch seine Zustimmung zur Stiftung des Rheinbundes und zur Auflösung des Deutschen Reichs gegen die Zusage Napoleons, die Bildung eines norddeutschen Bundes unter preußischer Hegemonie zu befördern.

Jetzt, da der französische Despot seinen Zweck erreicht, Preußen den übrigen Mächten verächtlich gemacht und seine moralische Kraft gebrochen hatte, ließ er es den ganzen Zorn und die Geringschätzung fühlen, die ihm seine Feigheit und Schwäche eingeflößt hatten. Er verhinderte die Bildung des norddeutschen Bundes, bot England Hannover wieder an, ließ durch den Großherzog von Berg preußische Gebietsteile besetzen und beschuldigte in höhnischen Noten Preußen der Anmaßung und übermütigen Kriegslust. Als sich endlich Friedrich Wilhelm III. 1. Okt. 1806 zu einem energischen Ultimatum entschloß, lehnte er es ab und begann sofort den Krieg, für den er den ganzen Sommer hindurch die umfassendsten Vorbereitungen getroffen hatte. Die preußische Armee wurde bei Jena und Auerstädt (14. Okt.) vernichtet, die Monarchie Friedrichs d. Gr. brach schmählich zusammen und konnte auch durch russische Hilfe nicht gerettet werden. Nach den Schlachten von Eylau (7. und 8. Febr. 1807) und Friedland (14. Juni) von Alexander I. im Stiche gelassen, mußte Preußen den Frieden von Tilsit (9. Juli) schließen, in welchem es seine sämtlichen deutschen Besitzungen links der Elbe und die Erwerbungen der zweiten und dritten polnischen Teilung verlor; seine Festungen blieben bis zur Bezahlung der auf eine unerschwingliche Höhe hinaufgeschraubten Kontributionen von Franzosen besetzt.

Nun war auch Norddeutschland dem corsischen Eroberer unterthan, und er schaltete hier mit noch größerer Willkür als im Süden. Die Verbündeten Preußens, der Kurfürst von Hessen und der Herzog von Braunschweig, wurden ihrer Lande beraubt und aus ihnen, einem Teil Hannovers und den übrigen preußischen Besitzungen zwischen Elbe und Weser das neue bonapartistische Vasallenkönigreich Westfalen, das Napoleons jüngster Bruder, Jérôme, erhielt, gebildet. Von den andern bisher preußischen Gebieten fielen Münster und die Grafschaft Mark an Berg, Ostfriesland an Holland, die fränkischen Fürstentümer an Bayern, die polnischen Besitzungen außer Danzig, das Freistaat wurde, an Sachsen,