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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Donjon; Don Juan

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Donjon - Don Juan.

"Gianni di Calais", "Il Giove di grasso"; ferner "Il Paria", "Il castello di Kenilworth", "Il diluvio universale", "Francesca di Foix", "Imelda de' Lambertazzi", "La Romanziera" u. a., sämtlich für Neapel. Eine neue Periode für D. bezeichnete seine "Anna Bolena" (1831 für Mailand geschrieben), der bis 1835 nebst mehreren andern die Opern: "L'elisir d'amore", "Fausta", "Il Furioso", "Parisina" folgten. In einer Art Wettstreit mit Bellini bei der Italienischen Oper zu Paris, in welchen er 1835 mit seinem "Marino Faliero" gegen Bellinis "Puritani" eintrat, mußte er letzterm weichen, errang aber noch in demselben Jahr mit seiner "Lucia di Lammermoor" (für Neapel) und "Belisario" (für Venedig) um so größern Erfolg. D. war inzwischen 1834 zum Kapellmeister und Lehrer der Komposition am Konservatorium zu Neapel ernannt worden, erhielt darauf 1836 auch die Professur des Kontrapunktes und wurde 1838, nach Zingarellis Tode, Direktor der Anstalt, gab jedoch diese Stellung 1840 auf, um zum zweitenmal sein Glück in Paris zu versuchen, diesmal mit entschiedenem Erfolg, denn er fand sowohl in der Großen Oper mit seiner "Favorite" als auch in der Komischen mit seiner "Fille du régiment", wenn auch nicht beim ersten Erscheinen dieser Werke, so doch bei den spätern Aufführungen, enthusiastischen Beifall. Nachdem er 1842 seine "Linda di Chamounix" für Wien komponiert hatte, wurde er zum österreichischen Hofkapellmeister ernannt, brachte 1844 seine "Catarina Cornaro" in Neapel auf die Bühne und begab sich darauf ein drittes Mal nach Paris, um hier neue Siege zu erringen. Allein infolge übermäßiger Anstrengungen im Komponieren und einer zügellosen Hingabe an die Genüsse des Lebens fiel er hier plötzlich in einen völligen Stumpfsinn, aus dem ihn kein Mittel wieder zu erwecken vermochte. Zunächst im Irrenhaus zu Ivry bei Paris untergebracht, dann in seine Vaterstadt zurückgeführt, starb er hier 8. April 1848. D., der mit fabelhafter Leichtigkeit und Schnelligkeit produzierte, hat im ganzen 70 Opern komponiert, wobei er freilich auf die Instrumentierung meist nur geringe Sorgfalt verwendete. Unter seinen ernsten Opern sind "Lucrezia Borgia" (1834) und "Lucia di Lammermoor" (1835) unstreitig die besten; unter den komischen verdienen "L'elisir d'amore" (1832), "La fille du régiment" (1840) und "Don Pasquale" (1843) durch ihre Frische und Originalität den Vorzug, wenn er auch in dieser Hinsicht hinter Rossini zurückstehen muß. D. ist in allen seinen Werken durchaus Italiener und verfolgt die Richtung der Oper, welche von dem letztgenannten Meister angebahnt worden war. Er sorgt in erster Reihe für leichten und bequemen Genuß durch augenblicklich ansprechende und erregende Melodien, doch zeigt er nicht selten auch eine bewunderungswürdige Tiefe der Empfindung und dramatische Kraft. - Sein Bruder Giuseppe, geb. 1814, war längere Zeit Direktor der Militärmusik des Sultans in Konstantinopel, wo er 1856 starb.

Donjon (franz., spr. dongschóng, irisch dûn-ion, "befestigter Ort"), im Mittelalter s. v. w. Bergfried (s. d. und Tafel "Burgen", Fig. 7). Im spätern Festungsbau ein zur Verteidigung eingerichteter turmartiger Bau als innerster Kern und höchster Teil eines Werkes; auch Name kleiner, auf Wohnhäuser aufgesetzter Pavillons oder Türmchen sowie der Dachreiter.

Don Juan (span., spr. chuán), berühmte Theaterfigur, Held einer spanischen Sage, die, unter dem heißen Himmel des Südens entstanden, in ihrer erschütternden Gewalt wie ihrer tief im Geiste des Mittelalters wurzelnden Grundidee der Faustsage des Nordens entspricht oder vielmehr die Ergänzung derselben bildet. Während diese lehrt, daß das Überspringen der dem forschenden Menschengeist gesteckten Schranken Frevel ist und ins Verderben stürzt, zeigt jene, wie umgekehrt das maßlose Schwelgen im Genuß des Irdischen zu demselben Ziel führt. In beiden Sagen tritt uns der menschliche Egoismus, der rücksichtslos nur die Befriedigung seines subjektiven Gelüstens erstrebt, in der höchsten Potenz entgegen; beide zusammen bilden den Inbegriff alles menschlichen Irrens im Denken wie im Fühlen. Die D.-Sage ist älter als die Sage vom Faust und knüpft an eine geschichtliche Person an, deren Familienname Tenorio ist. Wir erfahren von einem Hidalgogeschlecht dieses Namens und besonders von einem Admiral Tenorio, der sich im Kampf gegen die Mauren einen ruhmvollen Namen erwarb. Den jüngsten von dessen Söhnen, Juan, bezeichnet die Sage als ihren Helden und macht ihn zum Genossen des Königs Pedro (1350 bis 1369) bei seinen Lüsten und Grausamkeiten, so daß sein Name in Sevilla und der Umgegend zum Gegenstand der abenteuerlichsten und schaudervollsten Erzählungen ward. Nach zahllosen Frevelthaten, so wird berichtet, habe er endlich eine Jungfrau in Sevilla, Giralda, zu entehren versucht und ihren Vater, den Gouverneur der Stadt, der ihr zu Hilfe geeilt, im Zweikampf ermordet. Als er darauf im Übermut die jenem errichtete steinerne Statue zum Nachtessen geladen, sei diese wirklich erschienen und mit ihm zur Hölle gefahren. Mit dieser Sage vermischte sich in späterer Zeit eine andre, deren Gegenstand ein Wüstling ähnlichen Namens, Juan de Maraña, ist. Derselbe sollte ein Bündnis mit dem Teufel geschlossen, sich schließlich aber nach vielen Schandthaten bekehrt haben und im Geruch der Heiligkeit gestorben sein. Schon frühzeitig soll die D.-Sage von einem unbekannten Dichter dramatisch bearbeitet und unter dem Titel: "El ateista fulminado" lange Zeit hindurch in den Klöstern aufgeführt worden sein; der erste, der sie notorisch im Drama darstellte, war der Mönch Gabriel Tellez, der unter dem Namen Tirso de Molina als beliebter Komödiendichter in der ersten Hälfte des 17. Jahrh. lebte und den ergiebigen Stoff unter dem Titel: "El burlador de Sevilla y convidado de piedra" (deutsch von Braunfels in Rapps "Spanischem Theater", Bd. 5, Hildburgh. 1870) auf die Bühne brachte. Molinas Stück, das eine flüchtige Arbeit ist, aber doch Partien enthält, wie sie nur ein Dichter ersten Ranges geben kann, wurde zu Ende des 17. Jahrh. in Spanien selbst von Ant. de Zamora überarbeitet. Bereits vorher war dasselbe nach Italien übergegangen, zuerst in O. Gilibertis (1652), dann in Cicogninis Bearbeitung ("Il convitato di pietra", 1670), welch letztere bemerkenswert ist, weil die komische Person hier zuerst in bestimmter Zeichnung erscheint. Von Italien drang es bald auch nach Frankreich ein, wo zuerst Dorimon eine Bearbeitung des Stückes von Giliberti unter dem abgeschmackten Titel: "Le festin de pierre, ou le fils criminel" 1658 in Lyon, dann de Villiers eine solche als "Tragikomödie" 1659 in Paris zur Aufführung brachte. Der Stoff erregte hier so großes Interesse, daß Molière noch kurz vor seinem Tod nach demselben seinen "D., ou le festin de pierre, comédie en 5 actes" bearbeitete, der 1665 zum erstenmal auf dem Theater des Palais Royal aufgeführt ward. Der Spaßmacherei der Italiener gegenüber wollte Molière den Gegenstand in die Sphäre der eigentlichen Komödie erheben, verwischte aber dabei jede Spur vom national-historischen Charakter des