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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Dynamit; Dynamitgesetz; Dynamoelektrische Maschine; Dynamograph; Dynamologie; Dynamometer

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Dynamit - Dynamometer.

zwar ins Unendliche erweitern (der Stoff ins Endlose zerstreuen), aber keine begrenzte Ausdehnung (kein Körper) zu stande kommen. Wirkte die zweite allein, so käme gar keine Ausdehnung zum Vorschein, sondern der ganze Stoff bliebe in einem einzigen unteilbaren Punkt zusammengedrängt. Wirkliche Materie, wie sie den Ergebnissen der Erfahrung entspricht, wird erst durch das gleichzeitige Wirken beider entgegengesetzter Kräfte, von welchen jede die andre teilweise hemmt, als Spannungszustand möglich. Durch dasselbe wird nicht nur wirkliche Raumerfüllung, indem die abstoßende Kraft die anziehende hindert, den Stoff in einen Punkt zusammenzupressen, die anziehende Kraft aber die abstoßende hindert, denselben ins Endlose verfließen zu lassen, sondern auch Stetigkeit derselben und, je nach dem verschiedenen Spannungsgrad obiger Kräfte an verschiedenen Orten des erfüllten Raums, eine verschiedene Dichtigkeit des raumerfüllenden Stoffs an verschiedenen Orten des Raums zu gleicher oder an demselben Ort zu verschiedener Zeit begreiflich gemacht. Philosophisch betrachtet, leidet der D. an dem Übelstand, daß das Bestehen einer Kraft ohne Träger, an dem sie haftet ("Kraft ohne Stoff"), ein logischer Widerspruch ist. Physikalisch angesehen, hat er den Wert einer Hypothese, deren Bestand davon abhängt, ob sich sämtliche erfahrungsmäßig gegebene Erscheinungen der Materie mit derselben vereinigen lassen. In beiden Hinsichten hat der D. in neuerer Zeit vielfachen Widerspruch erfahren. Realistische Metaphysiker, wie Leibniz, Herbart (in jüngster Zeit auch Lotze), haben gegen ihn geltend gemacht, daß der Begriff der Kraft ein Inhärenzbegriff sei, welcher als Korrelat jenen der Substanz voraussetze. Statt sich daher mit der Zurückführung der Materie auf Kraft zu begnügen, müsse dieser, um nicht bodenlos zu sein, selbst wieder ein reales Substrat (Monaden, Reale, einfache Substanzen) zu Grunde gelegt werden. Atomistische Physiker, insbesondere Fechner, haben gegen ihn angeführt, daß es thatsächlich Erscheinungen gebe, welche sich schlechterdings nur unter der Voraussetzung atomistischer Zusammensetzung der Materie befriedigend erklären ließen. Als solche nennt Fechner aus dem Gebiet der Licht- und Wärmeerscheinungen folgende vier, die er als "Grunde erster Ordnung" gegen den D. bezeichnet: 1) Die optische Erscheinung der Farbenzerstreuung ist mit der Undulationstheorie (der "Lebensfrage der Physik") nur unter Voraussetzung des Atomismus der Materie vereinbar. 2) Der Zusammenhang der Erscheinungen des polarisierten Lichts mit jenen des gewöhnlichen ist nur unter derselben Voraussetzung denkbar. 3) Die Gesetze der Wärmeleitung (durch Körper) und der Wärmestrahlung (durch leeren Raum) vertrugen sich nur unter der nämlichen Annahme. 4) Das Gesetz, daß die Wärme am stärksten in der Richtung senkrecht auf die Oberfläche der Körper ausstrahlt, dagegen in den schiefen Richtungen die Strahlung nach dem Gesetz des Sinus schwächer wird, ist für den Atomismus eine natürliche Folgerung, aus dem D. hingegen nicht abzuleiten möglich. Weitere Gründe gegen den D. enthält Fechners Schrift "Die physikalische und philosophische Atomenlehre" (2. Aufl., Leipz. 1864).

Dynamit, s. Nitroglycerin.

Dynamitgesetz, s. Anarchie.

Dynamoelektrische Maschine, s. Magnetelektrische Maschinen.

Dynamograph, s. Dynamometer.

Dynamologie (griech.), Lehre (Lehrbuch) von den Naturkräften, auch von den Kräften der Arzneien.

Dynamometer (griech., "Kraftmesser"), Instrumente, mit welchen man entweder den Zug oder Druck mißt, den vorhandene Kräfte äußern, oder die Größe der mechanischen Arbeit, wenn diese Kräfte Widerstände längs gegebener Wege zu überwinden haben. Man unterscheidet aber D. solcher Konstruktion, daß man Kraft oder Arbeit durch direkte Verbindung mit dem Widerstand, mit der Bewegungs- oder Arbeitsmaschine, messen kann, und solche, mit denen man einen künstlich erzeugten proportionalen Widerstand oder eine ebenso hervorgerufene widerstehende Arbeit mißt. Zu den Dynamometern der ersten Klasse gehören alle Federwagen, insofern diese die Stärke der Gravitationskraft eines Körpers gegen die Erde messen; man kann mit denselben auch die Intensitäten andrer Kräfte bestimmen, zieht aber gewöhnlich Instrumente vor, welche für den bestimmten Zweck schneller, sicherer und bequemer arbeiten. Ein namentlich zur Ermittelung des Zugwiderstandes bei landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten taugliches D. haben Schäffer u. Buddenberg angegeben. Den Hauptteil bildet eine gebogene Stahlfeder (s. Figur), die beim Gebrauch in der Richtung ihrer großen Achse gezogen wird; die relativ geringen Formveränderungen derselben werden durch einen in der Mitte der Feder angebrachten Mechanismus derartig multipliziert oder vergrößert, daß sie von einem Zeiger auf einer Skala deutlich wahrgenommen und gemessen werden können. Ein zweiter Zeiger, der beim Aufhören der Zugkraft nicht zurückgeht, gibt die größte Kraftäußerung an, welche bei einem bestimmten Versuch überhaupt vorkam. Dieses D. leidet, wie die meisten seiner ähnlichen Vorgänger, an dem Mangel, daß es nicht die mittlere Kraft angibt, welche ein Zugwiderstand zur Überwältigung erfordert, obwohl es in der Regel erforderlich ist, gerade diese Kraft zu kennen. Zur Lösung der Aufgabe hat man mit Erfolg Registrierapparate in geeigneter Weise mit Dynamometern verbunden. Eine solche für vergleichende Versuche sehr brauchbare Konstruktion rührt von Burg her, welcher seinen Registrierapparat an dem Federdynamometer von Regnier anbrachte. Für absolute Zugkraftbestimmungen eignet sich dagegen das Zugdynamometer von Morin, bei welchem die Formveränderungen der Feder unmittelbar auf einem Papierstreifen verzeichnet werden, welcher dem zurückgelegten Weg proportional fortrückt. Es sind zwei Stifte angebracht; der eine beschreibt unter allen Umständen eine gerade Linie, der zweite dagegen eine Linie, welche den Konturen einer fortlaufenden Gebirgskette ähnlich ist. Der Inhalt der Fläche, welche von beiden Linien eingeschlossen wird, durch die Länge der geraden Linie dividiert, gibt die gesuchte mittlere Kraft, sobald man nur weiß, welche Kraftintensität einer bestimmten Durchbiegungsgröße der Feder entspricht. Die totalisierenden D. gestatten, die Größe einer in bestimmter Zeit verrichteten mechanischen Arbeit direkt zu messen, indem die vorhandenen Mechanismen das Bilden des Arbeitsprodukts, nämlich die Multiplikation von Kraftintensität mal Wegelement, für jeden Augenblick automatisch ausführen. Diese zuerst von Morin u. Poncelet angegebenen, dann von Valet verbessert angewendeten Instrumente gründen sich auf das Prinzip, daß man eine Scheibe dem einen Faktor des Arbeitsprodukts, nämlich dem zurückgelegten Weg, proportional drehen und auf dieser Scheibe zugleich eine kleine Friktionsrolle laufen läßt, die ihren Ort mit der Biegungs- oder Ausdehnungsgröße einer Stahlfeder, propor-^[folgende Seite]

^[Abb.: Gebogene Stahlfeder.]