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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Edda

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Edda (die jüngere; Ausgaben und Übersetzungen beider).

(Gudruns Tochter) töten lassen; Gudrun mahnt ihre Söhne zur Rache und zählt dabei alles erfahrene Leid auf (Gudhrúnarhvöt). Die Brüder erschlagen auf dem Weg zu Ermanarich ihren Stiefbruder und vollführen die Rache, aber auch sie selbst fallen in rühmlichem Kampf. Noch ist ein Lied übrig, der Oddrúnargrátr: Oddrun, Atlis Schwester, war Gunnars Geliebte; doch vor Brynhild muß sie zurücktreten. Auch nach deren Tod widersetzt sich Atli der Verbindung, die Liebende muß Gunnar im Schlangenturm sterben lassen. Früher rechnete man noch ein nur in Papierhandschrift des 18. Jahrh. enthaltenes Lied zu diesem Teil der E., den Gunnarsslagr (wie der gefesselte Gunnar im Schlangenturm durch Harfenspiel die Schlangen von sich scheucht); doch ist dies jetzt als Produkt des vorigen Jahrhunderts erwiesen (s. Pfeiffers "Germania", Bd. 13, S. 72, 284). Ein Produkt eigner Art sind endlich die Hávamál ("Sprüche des Hohen", d. h. Odins), ein Gedicht von wesentlich gnomisch-didaktischem Inhalt, in dem sich um einen ursprünglichen Kern (die Loddfáfnismál) eine Fülle von Sprüchen verwandter Art angeschlossen haben (vgl. Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde, Bd. 5, Abt. 1, S. 250, Berl. 1883).

Authentisch haftet der Name E. an jenem berühmten Lehrbuch altnordischer Kunstpoesie, an der jüngern oder prosaischen oder Snorra-E., die 1628 Arngrim Jonson ebenfalls nach jahrhundertelanger Vergessenheit wieder auffand; die unterscheidenden Epitheta finden sich jedoch erst, seit jene Volkslieder auch E. genannt wurden. Sie wurde von dem Isländer Snorri Sturluson (s. d.) um 1230 verfaßt, bez. zusammengestellt; doch ist in der Folge diesem ursprünglichen Buch manches hinzugefügt worden. Sie liegt uns in drei Haupthandschriften vor, von denen die Upsalasche von ca. 1300 den Namen E. führt; ob Snorri ihn selbst gegeben, ist ungewiß. Es sind zu unterscheiden: a) Die Gylfaginning, eine euhemeristische Darstellung der nordgermanischen Mythologie in einem Wechselgespräch zwischen dem mythischen Schwedenkönig Gylfi und den drei Asen Har, Jafnhar und Thridi. Daran schließen sich in geringerm Umfang die Bragaroedhur ^[Bragarœdhur], worin der Dichtergott Bragi manches von den Thaten und Schicksalen der Götter erzählt. Dieser Teil ist von einem Vor- und Nachwort (For- und Eptirmáli) eingeschlossen. b) Die Skaldskaparmál, welche die formale Seite der Dichtkunst zum Gegenstand haben, also eine Poetik für die Skalden. Da sind zunächst die kenningar oder poetischen Umschreibungen aufgezählt, dann die ókend heiti oder die in der gewöhnlichen Sprache veralteten Ausdrücke, endlich die fornöfn oder Ersatznamen, Umschreibungen für Eigennamen. Alle Regeln sind mit Beispielen aus der ältern Skaldenpoesie belegt und dabei ca. 70 Skalden genannt. c) Háttatal (auch Háttalykill), ein Lobgedicht des Snorri auf König Hakon von Norwegen (gest. 1263) und den Jarl Skuli, das aus 102 Strophen besteht, deren jede eine besondere Versart repräsentiert. Das ganze Gedicht wird durch einen weitläufigen Kommentar erläutert, welcher somit eine Art von skaldischer Metrik bildet (Ausgabe von Th. Möbius, Halle 1879-81). Der zweite und dritte Teil der Snorra-E. werden auch unter dem Namen Skálda zusammengefaßt.

Von allem bisher Genannten galt Snorri schon um 1300 als Verfasser, doch ist sicher schon Vor- und Nachwort des ersten Teils nicht von ihm. Wieviel ihm sonst zuzuschreiben, ist Streitfrage. In dem Codex Wormianus aus dem 14. Jahrh. sind noch ein paar grammatische Traktate angehängt, die aber durchaus nicht in die E. gehören. Das Verhältnis der jüngern zur ältern E. ist nun folgendes: Die Sammlung der Lieder nebst der ergänzenden Prosa kannte Snorri noch nicht, und doch gibt er in Gylfaginning eine Paraphrase fast aller mythischen Lieder mit wörtlicher Anführung vieler Strophen und in den Skaldskaparmál eine Übersicht der Sigurd- und Nibelungensage (um zu erklären, wie der umschreibende Ausdruck otrgjöld ["Otterbuße"] Bezeichnung für Gold wurde). Er entnahm dies unmittelbar aus der mündlichen Tradition; möglich, daß auch einzelnes schon aufgezeichnet war.

[Ausgaben und Übersetzungen.] Die ältere E. wurde zuerst vollständig herausgegeben von der arnamagnäanischen Kommission mit lateinischer Übersetzung, Kommentar, Glossaren und Finn Magnusens "Mythologischem Lexikon" (Kopenh. 1787-1828, 3 Bde.), von Rask (Stockh. 1818), von Munch (Christiania 1847); nächstdem sind die deutschen Ausgaben von Lüning (Zür. 1859, mit Glossar, Grammatik, Mythologie, Anmerkungen) und Möbius (Leipz. 1860) zu erwähnen. Trotz wiederholter Lesung der Handschriften blieb aber doch noch vieles unsicher; ihre abschließende Ausnutzung dürfte erst durch Sophus Bugge gegeben sein, dessen Ausgabe (Christiania 1867) für jede Eddaforschung Grundlage sein muß. Auf Bugge beruhen Grundtvigs Handausgabe (Kopenh. 1868, 2. Aufl. 1874) und die kritische Ausgabe von K. Hildebrand (Paderb. 1876). Sämtliche Lieder der E. haben jetzt auch Aufnahme gefunden in Vigfussons "Corpus poeticum boreale" (Oxf. 1883, 2 Bde.). Durch Herausgabe einzelner Teile und Lieder haben sich verdient gemacht: Resenius (1665, Völuspá und Hávamál), v. d. Hagen (Berl. 1812), die Brüder Grimm (das. 1815, die Heldenlieder) und Bergmann (1838-79). Ein kritisch gereinigter Text der Völuspá mit ausführlichem Kommentar findet sich jetzt auch in Müllenhoffs "Deutscher Altertumskunde", Bd. 5, Abt. 1 (Berl. 1883). Übersetzungen sind vorhanden: dänisch von Finn Magnusen (Kopenh. 1821-23, 4 Bde. mit Kommentar), Hjort (das. 1860-1865), Winkel Horn (das. 1869), Möller (das. 1871); englisch von Thorpe (1866) u. R. B. Anderson (Chicago 1879); schwedisch von Afzelius (1818), Gödecke (Stockh. 1877); französisch von Mlle. R. du Puget (2. Ausg., Par. 1865), E. de Laveleye (Brüssel 1866); spanisch von D. A. de los Rios (Madr. 1857); deutsch von Gräter (1789), v. d. Hagen (Berl. 1814), Studach (Nürnb. 1829), Ettmüller (Zür. 1837, nur einzelne Teile), Ad. Holtzmann (Leipz. 1873), B. Wenzel (das. 1877) und Simrock (Stuttg. 1851, 8. Aufl. 1882), ohne Zweifel die beste, obschon gründliche Revision nötig wäre. Vollständige Ausgaben der jüngern E. besitzen wir von Resenius (Kopenh. 1665), Rask (Stockh. 1818), Sveinbjörn Egilsson (Reykjawik 1848-49) und Thorleifr Jonsson (Kopenh. 1875). Noch unvollendet ist die große kritische Ausgabe durch die arnamagnäanische Kommission (Kopenh. 1848-80, Bd. 1-3, I). Die für die Sagengeschichte wichtigen Teile sind mit der Völsungasaga und dem Nornagests tháttr herausgegeben von E. Wilken (Paderb. 1877). Übersetzungen: deutsch von Rühs (Berl. 1812), Majer (Leipz. 1818), Simrock (Gylfaginning und Bragaroedhur ^[Bragarœdhur] vollständig, aus der Skálda nur ein paar Auszüge); dänisch von Nyerup (Kopenh. 1808). Vgl. Köppen, Litterarische Einleitung in die nordische Mythologie (Berl. 1837); Grimm, Geschichte der deutschen Sprache (4. Aufl., Leipz. 1880, 2 Bde.); Möbius, Catalogus librorum islandorum et norvegicorum aetatis me-^[folgende Seite]