Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Eisen

419

Eisen (Schweißstahl).

erhitzt (Oberflächenhärtung). Längere Zeit jedoch wiederholt bei Luftzutritt erhitzt, wird der Stahl verbrannt (überhitzt), kohlenstoffärmer und infolgedessen grobkörnig und mürbe, läßt sich aber durch Glühen mit Kohlenstoff abgebenden Substanzen (z. B. Cyan bildenden Schweißpulvern) wieder regenerieren. Stahl erstarrt weniger leicht als E. und löst sich je nach dem Grad seiner Härtung mehr oder weniger leicht in Säuren. Guter Stahl verbindet mit Härte bedeutende Elastizität und Festigkeit ohne Sprödigkeit, welche Eigenschaften modifiziert werden können hauptsächlich durch die Größe des Kohlenstoffgehalts (mit dem Kohlenstoffgehalt nehmen z. B. Härtbarkeit und Schmelzbarkeit zu, Schweißbarkeit aber ab), durch die Darstellungsmethode und die mechanische Bearbeitung, besonders aber durch fremde Beimengungen. Gegen Rotbruch erzeugenden Schwefel ist Stahl weniger empfindlich als Schmiedeeisen, und zwar verträgt Flußstahl einen höhern Schwefelgehalt als Schweißstahl. Guter Stahl kann bis zu 0,012 Proz. Schwefel enthalten, bei 0,04 Proz. ist aber bereits jeder Stahl unbrauchbar. Gegen Kaltbruch bewirkenden Phosphor ist Stahl empfindlicher als Schmiedeeisen und zwar um so mehr, je reicher der Stahl an Kohlenstoff ist. Außerdem ist der nachteilige Einfluß von Phosphor im Flußstahl erheblicher als im Schweißstahl. Bei Bessemerschienen setzt man die zulässige Grenze auf 0,1 Proz. Silicium macht den Stahl härter, spröder, schmelzbarer, weniger fest und minder schweißbar und zwar in um so höherm Grad, je höher der Kohlenstoffgehalt ist. In Bessemerstahl kann Silicium den Kohlenstoff zum großen Teil vertreten, ohne daß dadurch ein wesentlicher Nachteil entsteht. Bei Schienenstahl kann das Silicium die Hälfte des Kohlenstoffgehalts, bei Werkzeugstahl sogar noch mehr betragen. Kupfer kann z. B. im weichen Bessemerstahl bis zu 0,3 Proz. vorhanden sein, ohne für dessen Qualität schädlich zu werden. Wolfram macht den Stahl härter und erteilt ihm einen muscheligen Bruch sowie die Fähigkeit, den Magnetismus länger zu erhalten als gewöhnlicher Stahl (Anwendung von Wolframstahl zu Magnetstäben).

1) Darstellung von Schweißstahl.

a) Die Erzeugung von Stahl durch direkte Reduktion von Eisenerzen, die sogen. Rennarbeit, ist nur noch ganz vereinzelt im Gebrauch, und es kann bezüglich dieser Darstellungsart auf das Schmiedeeisen verwiesen werden.

b) Durch das Herdfrischen und durch das Puddeln wird Stahl ganz in derselben Weise und in denselben Apparaten aus dem Roheisen gewonnen, wie das beim Schmiedeeisen schon beschrieben ist, nur wird bei der Stahlerzeugung die Entkohlung nicht so weit getrieben. Dabei wird als Rohmaterial ein manganreiches Weißeisen besonders hoch geschätzt.

c) Erzeugung von Stahl durch Glühfrischen. Während man beim Herdfrischen und Puddeln die Temperatur bis zum Schmelzen des Roheisens steigert, gelingt die Entkohlung von Weißeisen auch schon in der Glühhitze (Glühfrischen) ohne Änderung des Aggregatzustandes, indem man 2 cm starke Stangen von Weißeisen, in Thonkasten von 5000 kg Inhalt in grobkörnigen Quarzsand eingepackt, 15-35 Tage zum Glühen erhitzt; durch den Sauerstoff der Luft entsteht auf der Oberfläche des Roheisens Eisenoxydoxydul, welches den gebundenen Kohlenstoff in Kohlenoxyd überführt. Der erhaltene Stahl (Tunners Glühstahl) wird durch Umschmelzen in Tiegeln oder durch Umschweißen verbessert. Häufig ist es wünschenswert, eine spröde Gußware ohne Änderung der Form in schmiedbares E. überzuführen, um die Festigkeit zu erhöhen und die Möglichkeit einer leichtern Bearbeitung herbeizuführen (Temperguß, schmiedbarer Guß, hämmerbares Gußeisen). Man umgibt alsdann die aus reinem, möglichst graphitarmem, lichtgrauem oder halbiertem Roheisen gegossenen Gegenstände mit Roteisenstein (seltener mit andern Eisenerzen oder Braunstein, Zinkoxyd etc.) und glüht die schichtenweise in gußeiserne oder thönerne Kasten eingepackten Gegenstände 4-6 Tage lang in gemauerten Kammern bei Kirschrotglut. Die erfolgenden Gegenstände (z. B. Schlüssel, Pferdegeschirr- und Gewehrteile, Schrauben, Knöpfe, Thürbeschläge, Nägel, Portemonnaiebügel etc.) lassen sich in der Kälte und bei nicht zu hoher Temperatur schmieden und nehmen stahlartige Politur an, ohne jedoch große Festigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen Stöße zu besitzen.

d) Erzeugung von Stahl durch Kohlung von Schmiedeeisen (Zementstahldarstellung). Möglichst reines Schmiedeeisen wird in etwa 50-130 mm breiten und 10-20 mm dicken Stäben in abwechselnden Lagen mit grobem Holzkohlenpulver (Zementierpulver, am besten Laubholzkohle) in Thonkasten A (Fig. 17 auf Tafel III) geschichtet, welche vom Feuerungsraum C aus erhitzt werden. Der viereckige Herdraum des Zementstahlofens ist mit einem flachen Gewölbe überspannt und dieses mit Zuglöchern versehen. Die Kisten bleiben meist offen oder werden mit einer Decke von Ziegelpflaster, Quarzsand und Thon versehen und binnen 24 Stunden auf Kupferschmelzhitze gebracht und bei dieser Temperatur erhalten. Zeigt die Bruchfläche einer Probestange nach 8-9 Tagen, seltener 6-7 Tagen, ein feinkörniges Gefüge ohne Eisenkern, so läßt man den Ofen bei geschlossenen Öffnungen 3 Tage abkühlen. Man verwendet zum Zementieren auf 100 kg Schmiedeeisen (am besten eignet sich dazu mit Holzkohlen erzeugtes) ca. 27 kg Holzkohle (½-¾ im frischen Zustand); die Gewichtszunahme des erfolgenden Produkts beträgt 0,5-0,75 Proz. Auf der Crescent-Steelhütte zu Pittsburg in Pennsylvanien hat Swindell einen Zementierofen mit Gasfeuerung eingerichtet, bei welchem die Wärme sehr vollständig ausgenutzt wird (Fig. 18-20 auf Tafel III). A offen bleibende Kiste, a Kanal zur Gaszuführung, b Luftkanal; Gas und Luft treten an einer Seite, resp. durch die Kanäle c und d unter die Sohle e der Kiste, vereinigen sich hier, die Flamme steigt in Zügen f auf, und die Verbrennungsprodukte ziehen durch die Öffnung g in Kanälen h und i durch k und l in den Schornstein m. Bei dem Glühen in Holzkohle erleidet das Schmiedeeisen eine Kohlung, welche um so mehr nach innen fortschreitet, je länger das Zementieren dauert. Die Kohlung wird begünstigt durch das Entstehen von Cyanverbindungen und durch die aus den frischen Holzkohlen entwickelten gasförmigen Produkte. Es geht dabei die sehnige Textur des Eisens anfangs in eine kristallinisch-schuppige über, das spezifische Gewicht nimmt von 7,76 auf 7,71 ab, die kristallinischen Blättchen werden immer kleiner, und der Prozeß ist beendigt, wenn die Stäbe bei sehr feinkörnigem Gefüge und dunkler Farbe brüchig werden, auch oberflächlich sich mit Blasen überziehen (Blasenstahl, Rohstahl). Dieser Stahl ist wegen seiner Brüchigkeit direkt nicht zu verwenden, sondern muß nach sorgfältigem Sortieren entweder durch Schweißen (Gärbstahl) oder Umschmelzen in Tiegeln (Tiegelgußstahl, s. unten) homogen gemacht werden. Man kann dem Zementstahl, dem Herd- und