Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Eisen

420

Eisen (Flußstahl).

Puddelstahl gegenüber, sicherer eine bestimmte Härte geben, und aus bestem schwedischen E. dargestellt und in Tiegeln umgeschmolzen, liefert er den renommierten englischen Huntsmanstahl, welcher fast nur aus reinem Kohleneisen, höchstens mit 1/1000 Mangan und Silicium, besteht.

Behufs des Gärbens werden mehrere Stäbe zu einem Bündel (Garbe) zusammengelegt, dieses mit später abzuschlagenden Ringen umgeben, in einem offenen Gebläsefeuer zwischen Kohlen unter Aufstreuen von Sand (Schweißsand) ausgeheizt, die herausgenommene, nahezu schweißwarme, von Schlacke umgebene Garbe mit einem Handhammer zusammengeschlagen (das Ganzmachen), wieder ins Feuer gebracht und in schweißwarmem Zustand in mehreren Hitzen unter einem Schwanzhammer ausgereckt. Diese Operationen werden nötigen Falls noch drei- bis viermal wiederholt.

In die Rubrik des Zementstahls gehört auch noch der indische Damast- oder Wootzstahl, welcher auf die Weise dargestellt wird, daß man das durch Rennarbeit in niedrigen Herden erzeugte E. in kleinen Thontiegeln mit Holz von Cassia auriculata und Windenblättern im Gebläseofen so lange erhitzt, bis infolge einer oberflächlichen Kohlung das E. äußerlich zu schmelzen beginnt, während der innere, kohlenstoffärmere Kern nur teigartig wird. Die erkaltete Masse wird an der Luft ausgeglüht und bei Schweißhitze zu Stäben ausgeschmiedet, welche beim Ätzen mit Säuren eigentümliche ader- und wellenförmige Zeichnungen (Damast) erhalten, indem sich die kohlenstoffärmern Partien leichter auflösen als die stahlartigen, kohlenstoffreichern. Wegen der Reinheit der angewendeten Rohmaterialien zeigt der Stahl große Elastizität im gehärteten Zustand. Bester Stahl dieser Art enthält nur 0,87-1,28 Proz. Kohlenstoff, zuweilen mit 0,04-0,14 Proz. Silicium. Dem echten Produkt kommt der unechte oder künstliche Damaststahl nicht gleich, welcher durch Zusammenschweißen von Stahl- und Schmiedeeisendraht, Winden des Stabes, Drehen, Durchhämmern und wiederholtes Schweißen der Masse erfolgt.

2) Darstellung von Flußstahl.

Flußstahl wird im geschmolzenen Zustand erhalten und ist deswegen stets homogener als Schweißstahl.

a) Die Erzeugung von Flußstahl (Gußstahl) durch Umschmelzen von Schweißstahl ist die älteste Darstellungsmethode und wurde zuerst 1740 von Huntsman in Sheffield ausgeführt. Das Umschmelzen wird am häufigsten mit Zement- und Glühstahl, zuweilen auch mit Herd- und Puddelstahl vorgenommen. Bei Anwendung von Zementstahl zerschlägt man die gehärteten Stahlstangen, sortiert die 20-80 mm langen Stückchen nach Bruch- und Oberflächenansehen und bringt dieselben (15-45 kg pro Tiegel) mittels eines Blechtrichters in glühende, sehr feuerfeste Tiegel von 390-420 mm Höhe (Fig. 21 auf Tafel III), welche entweder zu zweien oder vieren in einem mit Koks gespeisten Windofen, oder zu 20 und mehr in zwei Reihen in einem Siemensschen Regenerativofen stehen. Die Windöfen (Textfig. 5) haben für zwei Tiegel einen nach oben zusammengezogenen Schmelzraum a von etwa 940 mm Höhe, 630 mm Länge und 420 mm Breite mit Rost b, auf welchem die Tiegel stehen. Der Aschenfall c ist verhältnismäßig tief und die mit dem Fuchs e kommunizierende Esse f bis 20 m hoch; g ist ein mittels Zugstange h zu stellender Temper und d ein Deckel auf dem Ofenschacht. Der Siemenssche Regenerativofen (Fig. 22 u. 23 auf Tafel III), in welchem die Heizung durch brennbare Gase und Luft, beide durch die abgehenden Feuergase stark erhitzt, bei hoher Temperatur geschieht, hat nachstehende Einrichtung: A Gasgenerator, auf dessen Rost a' durch den Cylinder b' Brennmaterial geschüttet wird. Dasselbe verbrennt unmittelbar über dem Rost zu Kohlensäure, welche beim Durchstreichen der darüber befindlichen glühenden Brennmaterialsäule in brennbares Kohlenoxydgas übergeht. Dieses zieht durch den Kanal d, wenn dessen Absperrventil c (hier geschlossen) geöffnet ist und die Wechselklappe a die in der Zeichnung angegebene Stellung besitzt, durch den Kanal e, durch die noch kalten Regeneratoren f über die Feuerbrücke g in den mit beweglichen Deckelteilen versehenen Schmelzraum B, in welchem in zwei Reihen die Tiegel stehen. Die Verbrennungsluft fällt in den mit einem Gatter überdeckten Schacht C ein, zieht, nachdem das Absperrventil h (hier geschlossen) geöffnet worden, bei der dermaligen Stellung des Wechselventils b durch den Kanal x, den kalten Regenerator k und die Feuerbrücke l in den Schmelzraum B, mischt sich hier mit den aus g hervortretenden Gasen, erhitzt nach Entzündung der letztern die Tiegel, und die heißen Verbrennungsprodukte ziehen an dem dem Eintritt entgegengesetzten Ende einerseits durch z, p, q und r, anderseits durch y, m, n und o in den Schornstein D, wobei die in den Regeneratoren enthaltenen Steine in Glut versetzt werden. Ist dies zur Genüge geschehen, so stellt man die Wechselklappen a und b mittels einer bis über die Hüttensohle reichenden Handhabe um, worauf jetzt die brennbaren Gase aus A durch d, q, p und z, die Luft durch C, i, n, m und y in den Schmelzraum B ziehen und zwar beide, nachdem sie in den Regeneratoren p und m stark erhitzt worden. Die Feuergase ziehen jetzt durch q und l ab, und bei zeitweiligem Umstellen der Wechselklappen a und b wiederholt sich das Spiel. Nachdem der Stahl in den Tiegeln völlig geschmolzen ist, was man mittels einer in die Tiegel eingeführten Eisenstange fühlt, so läßt man denselben ½-¾ Stunde ruhig stehen, wobei die absorbierten Gase entweichen, und gießt ihn dann in Formen. Der Siemens-Ofen erfordert weniger Brennmaterialien und gestattet eine größere Produktion als der Windofen. Sicherer als Bessemer-, Martin- und Landorestahl gibt Tiegelstahl dichte Güsse.

b) Entkohlung des geschmolzenen Roheisens durch eingepreßte Luft (Bessemern). Dieses

^[Abb.: Fig. 5. Windofen zum Umschmelzen des Rohstahls.]