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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Erdöläther; Erdorseille; Erdpech; Erdpech, elastisches; Erdpfeifen

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Erdöläther - Erdpfeifen.

Erdölquellen in Verbindung gebracht, und jedenfalls sind noch heute die von brennbaren Gasen begleiteten Quellen von Baku den Anhängern Zoroasters ein Gegenstand religiöser Verehrung. Auch die Erdölquellen zu Rangun am Irawadi sollen schon im Altertum in Thätigkeit gewesen sein. Bei uns hat man das Steinöl (Oleum petrae) gleichfalls seit langer Zeit gekannt, es wurde oft als Heilmittel benutzt und dient noch jetzt als Hausmittel.

Auch in Amerika kannten und gewannen die Indianer im heutigen Pennsylvanien und Kanada das E. vor der Ankunft der Europäer; man findet dort Vorrichtungen zu diesem Zweck, welche aus sehr früher Zeit stammen. Unter dem Namen Seneca- oder Geneseeöl wurde das E. dort gleichfalls zu medizinischen Zwecken benutzt. 1836 waren Erdölquellen im Thal des Kleinen Kanawha in Virginia im Betrieb, welche jährlich 50-100 Fässer Öl lieferten. Murray, ein Geolog in Kanada, machte auf das Vorkommen von flüssigem Bitumen im körnigen Kalkstein von Westkanada aufmerksam, und die geologischen Berichte über dies Land von 1850 bis 1852 sprechen gleichfalls von diesen Verhältnissen. Schon 1845 versuchte ein unternehmender Mann das E. aus einer Quelle in Pennsylvanien in den Handel zu bringen; aber der Versuch schlug durchaus fehl. Erst die Entwickelung der Teerindustrie lenkte die Aufmerksamkeit auf diese so lange vernachlässigten Naturschätze. 1853 beschäftigte man sich mit dem Erdpech von Enniskillen in Kanada, 1857 begann Williams von Hamilton dasselbe zu destillieren, und gleichzeitig entdeckte man, daß beim Graben von Brunnen in dem tiefer liegenden Thon ein flüssiges Material in großen Mengen zum Vorschein kam. Auch nördlich von Pittsburg erbohrte man um dieselbe Zeit mehrere Quellen. In diesem und im folgenden Jahr kamen auch die ersten Erdölproben nach Europa, aber erst von 1859 datiert der Beginn des eigentlichen Petroleumhandels. Man stieß nämlich 12. Aug. jenes Jahrs bei Titusville im Bezirk Venango in Pennsylvanien bei dem Versuch, einen artesischen Brunnen zu graben, in einer Tiefe von 22 m auf eine Ölquelle, welche während vieler Wochen täglich 1000 Gallons E. lieferte. Die Nachricht von dieser Entdeckung verbreitete sich sehr schnell, von allen Seiten strömten unternehmungslustige Menschen herbei, und es brach ein "Ölfieber" aus, an Heftigkeit dem kalifornischen und australischen Goldfieber mindestens vergleichbar. Bis zu Ende 1860 waren bereits gegen 2000 Bohrlöcher abgeteuft, von welchen viele mit leichter Mühe eine reiche Ausbeute gaben, andre aber erst bei 120-150 m Tiefe das E. erreichten - oder auch gar nicht. Die Zustände in den Öldistrikten waren anfangs durchaus chaotisch; oft ergossen sich kolossale Mengen von E., ohne daß die Besitzer der Quellen genug Fässer herbeischaffen konnten, um diesen unerwarteten Reichtum zu bergen. Dazu fehlte es an Transportmitteln, man bildete Flöße aus aneinander befestigten Fässern und ließ das Öl in großen, flachen Kästen den Alleghany hinab nach Pittsburg schwimmen. Dabei entstanden die ärgsten Verwirrungen, und nicht selten entzündeten sich dem Erdboden entströmende Gase, bildeten ein Feuermeer und richteten die schrecklichsten Verwüstungen an; ja, das Feuer ergriff den Fluß, dessen Wasser mit einer Ölschicht bedeckt war, und dann erlahmten alle Anstrengungen, des Feuers Herr zu werden. Aber der Energie der Amerikaner gelang es bald, bessere Zustände herbeizuführen: Eisenbahnen, Kunststraßen und Kanäle vermitteln nun den Verkehr, und in einem Jahrzehnt sind blühende Städte in den Öldistrikten entstanden. Zum Transport des Öls nach den Raffinier- und Hafenplätzen wurden meilenlange Rohrleitungen angelegt (die Röhrenleitung nach der Seeküste ist 350 engl. Meilen lang und 6 Zoll weit und hat 2 Mill. Doll. gekostet). In wenigen Jahren war Petroleum der drittwichtigste Exportartikel der Vereinigten Staaten geworden und sein Sieg über alle andern Leuchtmaterialien, mit Ausnahme des Leuchtgases, entschieden. Kaum kennt die Handels- und Kulturgeschichte einen Gegenstand von gleicher Wichtigkeit, der so schnell in allen Kreisen der Gesellschaft Eingang gefunden hätte; große Industriezweige wurden durch dies neue Material aufs tiefste ergriffen und umgestaltet, und bis in die entlegensten Wohnstätten drang nun ein helles, freundliches Licht.

Die Erdölproduktion der Vereinigten Staaten betrug 1859: 82,000 Barrels à 42 Gallons, 1869: 4,046,558 Barrels und erreichte ihren Höhepunkt 1882 mit 28,650,181 Barrels; 1884 wurden 23,744,942 Barrels produziert, wovon zur Ausfuhr gelangten: 415,615,693 Gallons raffiniertes, 67,186,329 Gallons rohes Petroleum, 15,045,411 Gallons Naphtha u. a., 10,515,535 Gallons Schmieröl und 5,297,124 Gallons Rückstände, im ganzen 513,660,092 Gallons im Gesamtwert von 47,103,248 Doll. Das nächstbedeutende Produktionsgebiet, Rußland, ist erst in neuester Zeit bekannt geworden, hat sich aber außerordentlich schnell entwickelt und macht dem amerikanischen E. selbst im mittlern und westlichen Europa bereits ernstliche Konkurrenz. 1875 betrug die Gesamtausfuhr an Naphtha in Baku u. a. O. erst 554,291 Pud, 1883 aber 60 Mill. Pud und 14,252,626 Pud Petroleum. Die Ausfuhr aus Baku betrug 1883: 11,927,980 Pud Petroleum, 1,935,557 Pud Naphtha u. a., 1,001,398 Pud Schmieröl und 17,442,340 Pud Rückstände. Die Gesamtproduktion der Erde beträgt gegenwärtig in Hektolitern:

^[Liste]

Vereinigte Staaten 64000000

Baku 25000000

Galizien 8000000

Britisch-Birma 1600000

Kanada 1440000

Deutschland 480000

Peru 480000

Rumänien 200000

Transkasp. Gebiet 186000

Australien 128000

Kaukasien 80000

Japan 54000

Der Erdölverbrauch Europas stellt sich in Verbindung mit den annäherungsweise anzunehmenden Verbrauchsziffern der Türkei und Griechenlands und unter Mitberücksichtigung des Konsums der Freihäfen und Freigebiete auf ca. 11 Mill. Ztr. Deutschland steht, selbst nach Abzug des Exports, an der Spitze der Konsumtion von E. Der bedeutendste Handelsplatz in Deutschland ist Bremen, ihm folgt Hamburg. Vgl. Hirzel, Das Steinöl und seine Produkte (Leipz. 1864); Perutz, Die Industrie der Mineralöle (Wien 1868-80, 2 Bde.); Buchner, Die Mineralöle (Weim. 1864); Cone und Johns, Petrolia, a brief history of the Pennsylvania petroleum region (New York 1870); Höfer, Petroleumindustrie Nordamerikas (Wien 1877); Strippelmann, Petroleumindustrie Österreich-Deutschlands (Leipz. 1878, 3 Tle.); Nöldeke, Vorkommen und Ursprung des Petroleums (Celle 1883); Piedboeuf, Petroleum Zentraleuropas (Düsseld. 1883); Hue, Le pétrole (Par. 1885).

Erdöläther, s. Erdöl, S. 767.

Erdorseille, s. Lecanora.

Erdpech, s. v. w. Asphalt.

Erdpech, elastisches, s. v. w. Elaterit.

Erdpfeifen (Erdorgeln), cylindrische oder konische, 0,25 bis etwa 1 m weite Löcher, welche durch eine oder mehrere mächtige Schichten hindurchgehen und mit Schutt, Sand und Thon ausgefüllt sind, oben