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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Friedrich

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Friedrich (Preußen: F. der Große).

sein und die Persönlichkeit Gottes für unumstößliche Gewißheit; dagegen leugnete er die Unsterblichkeit der Seele, und die "Epître au maréchal Keith" setzt den Hauptwert der Tugend darein, daß sie um ihrer selbst, nicht um künftiger Belohnung willen geübt werde. Die Glaubenslehre der bestehenden christlichen Kirchen erklärte er für Entstellung der ursprünglichen Reinheit des Christentums, dessen Sittenlehre ihm als ewig gültig und unangreifbar galt. So hoch und rein F. von den sittlichen Pflichten des Menschen dachte, so erhaben erschien ihm auch das Wesen des fürstlichen Berufs. Seine erste politische Schrift, die "Considérations sur l'état du corps politique de l'Europe", mahnt die Fürsten energisch an ihre Pflicht, für das Glück ihrer Völker zu sorgen, denen sie ihre Erhebung verdanken. Der 1739 geschriebene "Antimachiavel, ou Examen du prince de Machiavel" (neuerlich übersetzt von Förster, Leipz. 1870) geht allerdings von der irrtümlichen Voraussetzung aus, daß Machiavelli ein "moralisches Ungeheuer" gewesen, geißelte aber mit Recht das Unwesen des damaligen Fürstentums und enthält den berühmten Satz, der Friedrichs Leitstern während seiner ganzen Regierung gewesen: "Der Fürst ist nicht der unumschränkte Herr, sondern nur der erste Diener seines Volkes". Ähnliche Gedanken enthalten der "Miroir des princes" (1744), die "Mémoires pour servir à l'histoire de la maison de Brandebourg" (1751), endlich der "Essai sur les formes du gouvernement et sur les devoirs des souverains" (1777). Überzeugt von dem volkstümlichen Ursprung der Regierungsgewalt, erklärte er sogar die republikanische Staatsform für durchaus berechtigt und eine verfassungsmäßige Volksvertretung wie das englische Parlament für die weiseste Einrichtung. Die Denk- und Gewissensfreiheit hat F. in seinem Staat fest begründet, so daß Preußen der Hauptsitz der deutschen Aufklärung und die Wiege der kritischen Philosophie wurde. Die politische Freiheit zu begründen, hat F. spätern Generationen überlassen, da er durchgreifende Reformen nur durch unumschränkte Fürstengewalt für möglich und sein Volk für politische Thätigkeit nicht für reif erachtete. F. hat auch mehrere hervorragende geschichtliche Werke geschrieben: außer den schon erwähnten "Mémoires de Brandebourg" die "Histoire de la guerre de sept ans"; "Mémoires, depuis la paix de Hubertsbourg 1763 jusqu'à la fin du partage de la Pologne"; "Mémoires de la guerre de 1778"; "Histoire de mon temps" (neue Ausg. in den "Publikationen aus preußischen Archiven", Bd. 4, Leipz. 1879); "Réflexions sur les talents militaires et sur le caractère de Charles XII". Eine neue Ausgabe seiner geschichtlichen Werke erschien unter dem Titel: "Frédéric le Grand, œuvres historiques choisies" (Leipz. 1873 ff.). Sein Briefwechsel ist ausgebreitet gewesen und sehr reichhaltig, besonders der mit seinem Bruder, dem Prinzen Heinrich, mit Voltaire, Duhan de Jandun, d'Argens u. a. Seine politische Korrespondenz wird jetzt im Auftrag der preußischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben (bis jetzt 13 Bde., Berl. 1878-86); ebenso "Staatsschriften aus der Zeit Friedrichs d. Gr." (Bd. 1 u. 2, 1878-86). Seine militärischen Schriften, Instruktionen u. dgl. sind außerordentlich zahlreich. Auch eine Sammlung seiner Gedichte erschien noch bei seinen Lebzeiten ("Œuvres ou poésies diverses du philosophe de Sans-souci"). Seine sämtlichen Werke sind in zwei Prachtausgaben (Berl. 1846-57, 31 Bde.) von der Berliner Akademie unter Leitung von Preuß herausgegeben worden; neuerdings erscheint auch eine neue Übersetzung ausgewählter Werke Friedrichs von H. Merkens in Würzburg 1873 ff., eine andre Berlin 1874, 2 Bde. Seine Schriften sind alle französisch geschrieben; die deutsche Litteratur hielt er keiner Beachtung für würdig und einen Aufschwung für unmöglich. Trotzdem hat gerade F. zu diesem bedeutend beigetragen durch den mächtigen Eindruck seiner Persönlichkeit und seines Heldenkampfes und durch seine Verdienste um die geistige Befreiung des deutschen Volkes.

Eine so vielseitige Thätigkeit war nur möglich bei außergewöhnlicher Arbeitskraft und peinlicher Ausnutzung der Zeit. Bis in sein spätestes Alter widmete er den ganzen Tag vom frühen Morgen an den Geschäften. Vor dem Siebenjährigen Krieg liebte er auch Geselligkeit, namentlich geistvoller Franzosen; auch Voltaire war mehrere Jahre an seinem Hof. Jeden Tag war Konzert, in dem F. selbst die Flöte spielte. Nach dem Krieg konnte er die Abendgesellschaften nicht mehr vertragen; er zog sich mehr und mehr in die Einsamkeit zurück und ging ganz in der Erfüllung seiner Pflichten auf. In dieser letzten Zeit steigerten sich manche Schwächen: seine Sparsamkeit (er brauchte für seinen ganzen Hofstaat nur 200,000 Thlr. jährlich) artete in Geiz aus, seine Strenge oft in willkürliche Härte, seine Vereinsamung steigerte in ihm die Menschenverachtung. In seiner nächsten Umgebung war er deshalb nicht mehr beliebt, desto mehr bei seinem Volk, und der Ruhm seiner Herrscherthätigkeit war über die ganze Welt verbreitet. Den großen König, Potsdam, namentlich sein Schloß Sanssouci, endlich die unbesiegbare preußische Armee zu sehen, wallfahrten viele Fremde nach der bis dahin kaum bekannten Mark. Und noch jetzt bricht sich die Erkenntnis von Friedrichs Verdiensten immer mehr Bahn, namentlich daß nicht bloß das preußische, sondern auch das deutsche Volk ihm die Wiedererweckung nationalen Selbstbewußtseins und opferfreudiger Vaterlandsliebe verdanken. F. litt wie seine Vorfahren schon früh an Gicht, die mit jedem Jahr schlimmer wurde und zuletzt in Wassersucht überging, an der er 17. Aug. 1786 in Sanssouci starb. Seine Ehe mit Elisabeth von Braunschweig (s. Elisabeth 8) war kinderlos geblieben. Seine charakteristischen, geistvollen Züge, seine einfache, aber originelle Erscheinung sind in zahllosen Porträten und Denkmälern verewigt; von letztern ist das großartigste das Reiterstandbild von Rauch in Berlin (seit 1851; s. Tafel "Bildhauerkunst VIII", Fig. 3); 1847 wurde seine Reiterstatue von Kiß vor dem Stadthaus zu Breslau, 1877 ein Standbild Friedrichs von Siemering in Marienburg enthüllt. Eine würdige Geschichte seines Lebens und seiner Regierung gibt es noch nicht, nur einige tüchtige Vorarbeiten. Von Gesamtdarstellungen sind zu nennen: Preuß, F. d. Gr. Eine Lebensgeschichte (Berl. 1832-34, 4 Bde. mit 5 Tln. Urkunden); Carlyle, History of Frederick II. (Lond. 1858-65 u. ö., 6 Bde.; deutsch, Berl. 1858-69, 6 Bde.); Droysen, Geschichte der preußischen Politik, 5. Teil: F. d. Gr. (Leipz. 1874-85, 4 Bde., bis 1756 reichend). Vom entgegengesetzten Standpunkt aus ist F. beurteilt von O. Klopp ("F. II. von Preußen und die deutsche Nation", 2. Aufl., Schaffh. 1867). Sehr verbreitet ist auch Kuglers "Geschichte Friedrichs d. Gr.", mit den berühmten Holzschnitten von A. Menzel (neue Ausg., Leipz. 1875). Vgl. ferner Gottschalk, Die Feldzüge Friedrichs d. Gr. im Siebenjährigen Krieg (2. Aufl., Leipz. 1879); Duncker, Aus der Zeit Friedrichs d. Gr. etc. (Berl. 1876); v. Bernhardi, F. d. Gr. als Feldherr (das. 1881, 2 Bde.); Cauer, Zur Geschichte und Charakteristik Friedrichs d. Gr.