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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gemeindeabgaben; Gemeindeausschuß; Gemeindebeamte; Gemeindebeisassen

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Gemeindeabgaben - Gemeindebeisassen.

Schultheiß, Richter, Vogt), sei es ein Kollegium (Magistrat, Gemeinderat, Stadtrat). In dem ersten Fall stehen dem Gemeindevorstand Beigeordnete, ein zweiter Bürgermeister, Dorfgeschworne oder Schöffen als Gehilfen zur Seite, so namentlich in den Landgemeinden Norddeutschlands. Der Gemeindevorstand wird regelmäßig von der Gemeindevertretung gewählt und zwar auf eine bestimmte Reihe von Jahren; zuweilen wird er jedoch auch von der Regierung ernannt. In den östlichen Provinzen Preußens ist das Schulzenamt mitunter mit dem Besitz eines gewissen Guts (Erbscholtisei) verbunden. Nach andern Gemeindeordnungen dagegen und insbesondere nach den meisten Städteordnungen hat der Gemeindevorstand eine kollegialische Verfassung. Der Bürgermeister, in den größern Städten vielfach durch das Prädikat "Oberbürgermeister" ausgezeichnet, hat hier nur die Stellung eines Vorsitzenden des Vorstandskollegiums, welches er auch in repräsentativer Hinsicht vertritt. Sein Vertreter ist der zweite Bürgermeister oder Beigeordnete. Das Magistratskollegium besteht aus besoldeten und unbesoldeten Stadträten (Ratmannen), welche von der Stadtverordnetenversammlung regelmäßig auf eine bestimmte Reihe von Jahren gewählt werden und in der Regel der Bestätigung der Regierung bedürfen. In der Rheinprovinz dagegen besteht kein Kollegialsystem, sondern nach französischem Muster führt der Bürgermeister (Maire) mit den nötigen Gemeindebeamten die Gemeindeverwaltung. Regelmäßig ist der Ortsvorstand auch mit gewissen staatsobrigkeitlichen Funktionen betraut, so daß er insoweit, z. B. als Standesbeamter, Amtsanwalt, Polizeirichter u. dgl., als mittelbarer Staatsbeamter erscheint. Eine Gemeindegerichtsbarkeit besteht nur noch in ganz geringem Umfang (s. Gemeindegerichte).

Was die beratende und beschließende Gemeindevertretung anbetrifft, so ist es nur in kleinen Gemeinden die Gemeindeversammlung selbst, welche sich aus den stimmberechtigten Ortsnachbarn zusammensetzt, die in dieser Beziehung in Thätigkeit tritt. Nach manchen Gemeindeverfassungen besteht zwar eine repräsentative Gemeindevertretung, doch ist die Beschlußfassung über einzelne besonders wichtige Gemeindeangelegenheiten, z. B. über die Aufnahme von Schulden, der vollen G. vorbehalten. Die Regel aber, namentlich in den Stadtgemeinden, bildet die Vertretung durch eine repräsentative Körperschaft (Stadtverordnetenversammlung, Gemeinderat, Stadtrat, Schöffenrat, Gemeindeausschuß, Bürgerausschuß, franz. Conseil municipal). Das Wahlsystem ist ein außerordentlich verschiedenes. Nach manchen Gemeindegesetzen werden Wählerklassen der Gemeindeangehörigen nach Maßgabe der Gemeindeumlagen gebildet, auch werden die Sonderinteressen der Grundeigentümer zuweilen besonders berücksichtigt. Die Gemeindevertretung wird nach bestimmten Grundsätzen periodisch erneuert, indem alljährlich eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern ausscheidet, um durch Neuwahl ersetzt zu werden. Die Regierung hat solchen repräsentativen Körperschaften gegenüber das Recht der Auflösung und der Anordnung von Neuwahlen. Der Stadtrat ist wenigstens in den größern Städten zumeist nach Art der parlamentarischen Versammlungen und nach dem Vorbild ihrer Geschäftsordnungen eingerichtet, so bezüglich der Redeordnung, der Stellung von Interpellationen und Anträgen, der Erörterung von Petitionen und der Beratung und Feststellung des Gemeindehaushalts. In manchen Staaten und Landschaften aber hat der Gemeinderat in Verbindung mit dem Gemeindevorstand zugleich die Funktionen einer Verwaltungsbehörde, so in der Rheinprovinz, Hessen-Nassau, Pfalz und in einigen Thüringer Staaten. In Sachsen kann durch Ortsstatut die Bildung eines Gemeinderats durch Zusammenfassung der beiden sonst getrennten Körperschaften, Stadtrat und Stadtverordnetenversammlung, erfolgen. In den östlichen Provinzen Preußens bestehen gemischte, aus Magistrat und Stadtverordneten zusammengesetzte Verwaltungsdeputationen neben den besoldeten Fachbeamten, welche nebst den ihr Amt als Ehrenamt verwaltenden Bezirksvorstehern und ähnlichen Funktionären im Kommunaldienst thätig sind. Die G. ist eine juristische Person mit selbständiger Vermögensverwaltung und mit dem Recht, Abgaben zu Gemeindezwecken zu erheben (s. Gemeindehaushalt). Nach den neuern Gesetzen sind die Gemeinden selbständig, d. h. sie beschließen ohne staatliche Kontrolle über ihre Angelegenheiten; nur in wichtigen Angelegenheiten (Veräußerungen von erheblichem Betrag, Teilung von Gemeindevermögen, Festsetzung außerordentlicher Umlagen, Aufnahme von Kapitalien) tritt die staatliche Oberaufsicht ein. Dagegen ist fast überall die Autonomie der G., d. h. das Recht, für sich und ihre Bürger besondere Rechtssätze aufzustellen, weggefallen unbeschadet des Rechts, innerhalb des Rahmens der bestehenden bürgerlichen Gesetzgebung durch Ortsstatuten, die freilich in der Regel von der Aufsichtsbehörde genehmigt sein müssen, allgemein verbindliche Anordnungen für die Gemeindeangehörigen nach Maßgabe der diesbezüglichen Gesetzesnormen zu erlassen. Vgl. außer den Lehrbüchern des Staatsrechts: v. Möller, Preußisches Stadtrecht (Bresl. 1864); Derselbe, Landgemeinden und Gutsherrschaften nach preußischem Recht (das. 1865); Stolp, Deutsche Ortsgesetze (Berl. 1871-85, Bd. 1-15); Stengel, Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts (Stuttg. 1886); Staas, Der Gemeindevorsteher (6. Aufl., Frankf. a. O. 1877); Stein, Handbuch für preußische Amtsvorsteher (5. Aufl., Grünb. 1881); Otte, Der preußische Gemeindevorsteher (5. Aufl. von Brandt, Halle 1883); Stadelmann, Die Gemeindeverfassung des Königreichs Bayern (5. Aufl., Bamb. 1884, 2 Bde.); Bosse, Leitfaden für die Gemeindevorstände des Königreichs Sachsen (5. Aufl., Leipz. 1884); Weinheimer, Die württembergische Gemeindeverwaltung (Stuttg. 1880); Wielandt, Badisches Gemeinderecht (2. Aufl., Heidelb. 1883); "Deutsche Gemeindezeitung" (hrsg. von Stolp, 25. Jahrg., Berl. 1886).

Gemeindeabgaben, s. Gemeindehaushalt.

Gemeindeausschuß, s. Gemeinde.

Gemeindebeamte, s. Gemeinde.

Gemeindebeisassen, solche Personen, welche einer Gemeinde angehören, ohne jedoch eigentliche Gemeindeglieder zu sein, und namentlich, ohne einen Anteil an den Gemeindegutnutzungen zu haben. Man unterscheidet zwei Arten derselben: 1) solche, welche zwar nicht Gemeindeglieder (Bürger, Nachbarn) im eigentlichen Sinn sind, aber dennoch als Gemeindeglieder im weitern Sinn, als Angehörige der Gemeinde erscheinen und Rechte an dieselbe sowie Obliegenheiten gegen sie haben: Schutzverwandte, Heimatsberechtigte, welchen Unterschied aber neuere Gemeindeordnungen vielfach aufgehoben haben; 2) solche, welche sich bloß durch einen Wohnsitz in einem thatsächlichen Verhältnis zu Gemeinden befinden und kein Recht auf die Fortdauer desselben haben, obgleich ihr Verhältnis, solange es besteht, mit Obliegen-^[folgende Seite]