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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gislason; Gislebert; Gislifluh; Gis moll; Gisors; Gisselfeld; Gissen; Gîtagowinda; Gitano; Githagin; Gitschen; Gitschin

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Gislason - Gitschin.

bedeutende organisatorische und administrative Befähigung. Namentlich trat dieselbe 1866 bei Gelegenheit der preußischen Okkupation hervor. 1867 wurde G. zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses gewählt und 30. Dez. 1867 als Minister des Innern in das Ministerium Carlos Auersperg berufen, dem er auch nach dem Rücktritt Auerspergs unter dem Präsidium des Grafen Taaffe, später Hasners angehörte. Die Durchführung der konfessionellen Gesetze, die Trennung der politischen Verwaltung von der Justiz, Aufhebung des Lehnswesens, soweit es noch bestand, die Donauregulierung bei Wien und andre wichtige Gesetze und Unternehmungen waren die Ergebnisse seiner Thätigkeit. Am 20. März 1870 nahm er seine Entlassung als Minister, weil der Ministerrat die Wahlreform vertagen, G. aber sie sofort in Angriff genommen wissen wollte. An den Verhandlungen des Reichsrats und der Delegationen nahm G. als einer der Führer der Verfassungspartei seitdem bedeutenden Anteil, besonders bei der Bekämpfung des Ministeriums Hohenwart. Daneben übernahm er das Präsidium der Franco-Österreichischen Bank in Wien und später auch die ehrenvolle Stelle des Oberkurators der Ersten österreichischen Sparkasse. Seine Beteiligung an einzelnen finanziellen Unternehmungen, so insbesondere seine Stellung im Verwaltungsrat der Lemberg-Czernowitzer Eisenbahn, schien zwar einige Zeit seine politische Geltung ungünstig zu beeinflussen, besonders als nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Jahrs 1873 sich an alle solche Unternehmungen ein gewisser Mißkredit zu heften begann. Allein bald trat G. in die frühere politische Führerrolle zurück; 1873 wurde er in seinem alten Wahlbezirk Brünn, den er gegen den ersten Wiener Wahlbezirk vertauscht hatte, mit großer Majorität in das Abgeordnetenhaus gewählt, wo er insbesondere in den Vordergrund trat, als er die Orientpolitik Andrássys 1877-78 bekämpfte. An einem Herzleiden erkrankt, starb er 1. Juni 1879 in Baden bei Wien.

Gislason, Konrad, Sprachforscher, besonders gründlicher Kenner der altnordischen Litteratur, geb. 3. Juli 1808 im nördlichen Teil von Island, besuchte 1826-31 das Gymnasium zu Bessastadhir und bezog dann die Universität zu Kopenhagen, um sich den Rechtswissenschaften zu widmen. Mit größerm Eifer aber als letztere trieb er germanistische Studien, die ihn mit der Zeit zu ausgedehnten sprachwissenschaftlichen Untersuchungen (namentlich der indogermanischen Sprachen) führten. Die ersten Früchte dieser Studien waren eine auf die ältesten Handschriften gegründete kritische Elementarlehre des Altisländischen ("Um frumparta Islenzkrar túngu i fornöld", 1846) und ein dänisch-isländisches Wörterbuch (1851), das einzige, das bis jetzt existiert. Eine (unvollendet gebliebene) "Altnordische Formenlehre" folgte 1858 nach. Außerdem hat sich G. durch Ausgaben isländischer Schriften ("Gíslasaga", 1849; "Njála", 1875-79, 2 Bde.), Kommentare zur Skaldenpoesie u. allgemein sprachliche Abhandlungen verdient gemacht. Jetzt bekleidet er die Professur der altnordischen Sprachen an der Universität zu Kopenhagen.

Gislebert, Propst von Mons, Kanzler des Grafen Balduin von Hennegau, nahm 1184 am Reichstag zu Mainz teil, starb um 1224, Verfasser des für die deutsche Reichsgeschichte außerordentlich wichtigen "Chronicon Hanoniense" (Pertz, "Mon. Germ., Script., XXI"; erste Ausg. von Du Chasteler, Brüssel 1784), das 1086 beginnt und für die Zeit von 1168 bis 1195 sehr ausführliche sachkundige Mitteilungen über die Geschichte des Hennegaues und des Deutschen Reichs bringt. Vgl. Hantke, Die Chronik des G. von Mons (Leipz. 1871).

Gislifluh, Bergrücken im Schweizer Jura (s. d.), nordöstlich von Aarau, 774 m hoch, der weiten Fernsicht wegen oft bestiegen.

Gis moll, s. Gis.

Gisors (spr. schisor), Stadt im franz. Departement Eure, Arrondissement Les Andelys, an der Epte und Knotenpunkt an der Westbahn und der Nordbahn, hat eine fünfschiffige Kirche mit prachtvollem Portal und ausgezeichneten Skulpturen, berühmte Schloßruinen, Baumwollspinnerei, Bleicherei und Weberei, Drahtfabriken und (1876) 3590 Einw. Unter der alten Ulme bei G. 1188 Zusammenkunft der Könige Heinrich II. von England und Philipp II. August von Frankreich; bei G. 1195 Sieg des Königs Richard Löwenherz über die Franzosen. Vgl. Charpillon, G. et son canton (Andelys 1867).

Gisselfeld, Fräuleinstift im dän. Amt Sorö, auf der Insel Seeland, 1702 vom Grafen Chr. Gyldenlöve für 30 Jungfrauen des dänischen Adels (und jetzt der entsprechenden Rangklassen) errichtet. Jedes Fräulein erhält durchschnittlich 600 Kronen jährlich. Das schön gelegene Hauptgebäude ließ 1547 der Reichshofmeister Peter Oxe erbauen.

Gissen (engl. guess), den Ort des Schiffs, bez. den Weg, den es zurückgelegt hat, mittels Logs und Kompasses bestimmen; Gissung, s. v. w. Mutmaßung.

Gîtagowinda, Gedicht, s. Dschayadewa.

Gitano (span.), Zigeuner.

Githagin, s. v. w. Saponin.

Gitschen, s. Molochen.

Gitschin (spr. ji-, tschech. Jicin), Stadt im nordöstlichen Böhmen, im schönen Thal der Cidlina, Vereinigungspunkt einer Linie der Österreichischen Nordwestbahn und einer solchen der böhmischen Kommerzialbahnen, besteht aus der eigentlichen Stadt und vier Vorstädten, ist mit Mauern umgeben, hat eine nach dem Muster der Wallfahrtskirche zu Santiago de Compostela erbaute Pfarrkirche, ein von Wallenstein 1630 errichtetes Schloß, ein ehemaliges Jesuitenkollegium (jetzt Kaserne), ein Krankenhaus und mit der Garnison (1880) 8071 Einw., welche Zuckerfabrikation, Ackerbau und lebhaften Handel betreiben. G. hat ein Obergymnasium, eine Unterrealschule, eine Lehrerbildungsanstalt und ist Sitz einer Bezirkshauptmannschaft, eines Kreisgerichts und einer Finanzbezirksdirektion. Es war einst die Residenz des Herzogs von Friedland. Wallensteins Gebeine wurden 1636 in der nahen Walditzer Kartause (jetzt Provinzialstrafhaus) beigesetzt, von wo 1639 der schwedische General Banér Kopf und rechte Hand nach Schweden sandte. Die Überreste wurden später in das Erbbegräbnis zu Münchengrätz versetzt. Von der romantischen Umgebung von G. sind namentlich der Berg Welisch, die Prachower Felsen, die Ruinen Bradletz und Kumburg zu erwähnen. - Hier 29. Juni 1866 Gefecht zwischen den Österreichern und Preußen. Der österreichische General Clam-Gallas hatte bei G. eine vorteilhafte Höhenstellung genommen. Gegen ihn rückte die 5. Division des 3. Korps der ersten Armee (des Prinzen Friedrich Karl) unter General Tümpling um 4 Uhr nachmittags vor und drängte ihn, unterstützt von der um 5 Uhr eintreffenden 3. Division (General Werder), um 7 Uhr abends trotz des Eintreffens der sächsischen Division Stieglitz im Zentrum der österreichischen Position zurück. Die Stadt G., welche Clam-Gallas durch sächsische Truppen hatte besetzen lassen, wurde darauf von der Brigade Winterfeld (von der 3. Division) und von Trup-^[folgende Seite]