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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Glockenblume - Glocker.

gießen und auf die Kuppel des Vatikans bringen. Dieselbe wiegt 280 Ztr., und um sie herum sind die 12 Apostel angebracht. Auf dem Turm zu Santiago de Compostela befindet sich eine Glocke von 300 Ztr. Gewicht. Ebensoviel wiegt die große Glocke auf der Domkirche zu Mailand, welche 22 Fuß im Umfang und 7 Fuß Höhe hat. Die Glocke im Münster zu Bern wiegt 240 Ztr.; die auf dem Münster zu Schaffhausen hat 29 Fuß im Umfang. Unstreitig die größte Glocke der Welt besitzt Rußland; doch wird dieselbe nicht benutzt, und es ist auch unbekannt, ob sie jemals benutzt wurde. Dieser Metallkoloß hat ein Gewicht von 12,327 Pud (201,916 kg), einen Umfang von 18 m und eine Höhe von 5,8 m. Er führt den Namen "Zar Kolokol" ("Glockenkönig" oder "Kaiserglocke") und steht seit 1836 auf einer Granitunterlage neben dem "Iwan Welikii" ("Johann der Große") genannten Glockenturm im Kreml zu Moskau, nachdem er bis dahin in einer Grube gelegen hatte; auch ist ein Stück von ihm (wahrscheinlich bei einem Fall) ausgeschlagen. Neben ihm liegt der 5 m lange Klöppel, von dem man sagt, daß er gar nicht zum "Zar Kolokol" gehöre, da er für diesen zu klein sei. Vor dem Brand von 1812 zählte man zu Moskau nicht weniger als 1706 G. Viele derselben gingen damals zu Grunde, zersprangen oder schmolzen, die meisten aber prangen seitdem wieder auf den Türmen der alten Hauptstadt, und die größte von ihnen, 1819 gegossen, wiegt 1000 Ztr. und wird vorzugsweise Bolschoi, "die Große", genannt. Auch in China gibt es G. von ansehnlicher Größe und von hohem Alter, so zu Peking eine eiserne, 1250 Ztr. schwer und 4,50 m hoch, welche der Kaiser Yong-lo 1403 gießen ließ. Alle chinesischen G. haben eine eigentümliche Form, indem sie sich gegen den Schlagring hin nicht erweitern, mit nur hölzernen Klöppeln versehen und oben durchbohrt sind, was den Schall verstärken soll. - Mit der Taufe der G. scheint auch zugleich der Aberglaube mit aufgekommen zu sein, durch ihr Läuten die Gewitter vertreiben zu können. Dieser Glaube spricht sich in vielen Inschriften derselben aus, welche überhaupt die Zeit, in welcher die G. gegossen wurden, meist treffend charakterisieren (s. Glockentaufe). Vgl. Harzer, Die Glockengießerei (Weim. 1854); Otte, Glockenkunde (2. Aufl., Leipz. 1884); Zehe, Historische Notizen über die Glockengießerkunst des Mittelalters (Münst. 1857); Lukis, Account of church-bells (Lond. 1857); Böckeler, Beiträge zur Glockenkunde (Aachen 1882).

Glockenblume, Pflanzengattung, s. Campanula.

Glockenblütler, s. Kampanulaceen. ^[richtig: Kampanniaceen.]

Glockendon, Nürnberger Künstlerfamilie des 15. und 16. Jahrh., aus welcher Miniatur- und Glasmaler, Kupferstecher, Formschneider und Illuministen hervorgegangen sind. Die bedeutendsten sind:

1) Albert, genannt der ältere, Kupferstecher, geboren um 1432, kopierte viel nach Schongauer, dessen Stil er annahm. Er war eine Zeitlang in Würzburg thätig.

2) Albert, genannt der jüngere, Glasmaler, Formschneider und Illuminist, war bis um 1543 in Nürnberg thätig. Man kennt von ihm eine Folge von 32 Heiligenbüsten in Holzschnitt und Glasgemälde.

3) Nikolaus, Miniaturmaler, Schüler seines Vaters Georg G. (gest. 1520), schmückte eine Reihe von Meß- und Gebetbüchern, welche sich in der Hofbibliothek und Stiftskirche zu Aschaffenburg befinden, mit Randverzierungen und Miniaturen, die weniger durch Sicherheit der Zeichnung als durch Lebhaftigkeit der Farbe hervorragend sind. Die Bibliothek zu Wolfenbüttel besitzt von ihm eine Bibel mit Miniaturen nach Dürers Holzschnitten. Er starb 1560.

Glockenfahrt, Mittwoch vor Ostern, wo nach dem Volksglauben alle geweihten Kirchenglocken nach Rom zum Papst fliegen und am Sonnabend darauf an ihre Stellen zurückkehren.

Glockengut, s. Bronze und Glocken.

Glockenharmonika, s. Glasharmonika.

Glockenkapitäl, seit der Mitte des 11. Jahrh. auftretende Form des Kapitäls in der romanischen Baukunst, einer umgekehrten Glocke ähnlich, oft mit einer reichen Ornamentik überzogen (s. Figur).

^[Abb.: Glockenkapitäl.]

Glockenmetall (Glockengut, Glockenspeise), s. Bronze und Glocken.

Glockenrecht (Droit sur les cloches), in frühern Jahrhunderten Anrecht des Befehlshabers der Artillerie auf die Glocken eroberter Festungen, wurde meist in Geld abgelöst und von Napoleon 1807 in Danzig von neuem ausgeübt.

Glockenschlag (Glöckchen), das glockentonähnliche Erklingen, welches entsteht, wenn man auf einer Violine oder Viole eine tiefere Saite mit dem Bogen kräftig anstreicht und dabei andre Saiten mit den Fingern sanft berührt. Der G. gilt, vornehmlich wenn er sich auf allen Saiten gleich stark vernehmen läßt, als Beweis einer guten, gleichmäßig vibrierenden Resonanzdecke.

Glockenspeise, s. Bronze und Glocken.

Glockenspiel, s. Carillon.

Glockenstube, ein mit Schalllöchern versehenes Behältnis auf Türmen, worin Glocken an einem hölzernen Gerüst (Glockenstuhl) hängen, das aus zwei Wänden von eichenen Pfosten, Schwellen, Pfetten, Riegeln und Streben besteht. Der Glockenstuhl wird mit der Mauer des Turms nicht verbunden, damit dieselbe durch die Erschütterung beim Läuten keinen Schaden leide.

Glockentaufe (Glockenweihe), die kirchliche Weihe der Glocken (s. d.), welche im 8. Jahrh. aufkam. Die Zeremonie der G. bestand darin, daß die neue Glocke zuerst gewaschen, dann vom Bischof mit heiligem Öl im Innern und äußerlich gesalbt wurde. Durch diese G. sollten die Glocken tauglich zu ihrem sechsfachen Beruf werden, welchen die lateinischen, häufig auf den Glocken eingegrabenen Verse schildern: Laudo Deum verum, plebem voco, congrego clerum, Defunctos ploro, nimbos fugo, festaque honoro.

Glockentierchen, s. Infusorien.

Glockenton (ital. Nota sostenuta), Gesangsmanier, welche eine Modifikation der sogen. Messa di Voce (s. d.) ist, aber nicht in einem allmählichen Crescendo und Decrescendo der Stimme, sondern in einem gleichsam wogenden Abfluß des Atems besteht, wodurch fast dieselbe Wirkung auf unser Ohr hervorgebracht wird, welche man beim Klang einer Glocke wahrnimmt. In den obern Tönen namentlich der weiblichen Stimme ist diese Gesangsmanier, am rechten Ort angebracht, von vortrefflicher Wirkung.

Glocker, Ernst Friedrich, Mineralog, geb. 1. Mai 1793 zu Stuttgart, studierte in Tübingen Philosophie, Theologie und Naturwissenschaft und, nachdem er zu Bulach und Aalen geistliche Ämter verwaltet, 1817 in Halle Botanik und in Berlin Mineralogie. 1819 habilitierte er sich in Breslau und