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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Großbritannien

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Großbritannien (Bildung, Nahrungszweige).

schein hat, als ob der irische Verbrecher sich nach den Schwesterkönigreichen wende, um dort seinem Gewerbe nachzugehen. Auch die Statistik der summarisch bestraften Übertretungen und Vergehen ist Irland nicht günstig. Im J. 1884 kamen auf 100,000 Bewohner 2956 Anklagen (England 2675, Schottland 2717, Irland 4699) und 2440 Verurteilungen (England 2149, Schottland 2508, Irland 3991). Wegen Trunkenheit wurden angeklagt in England 731, in Irland 1873; wegen Realinjurien (Schlägerei etc.) in England 267, in Irland 582. Der englische Strafkodex gehörte noch in verhältnismäßig neuer Zeit zu den strengsten der Welt; noch in den 30er Jahren wurde gewöhnlicher Diebstahl häufig mit dem Tod bestraft. Jetzt wird die Todesstrafe nur in Fällen von Mord (und auch dann nicht immer) vollzogen, und die Mißhandlung der Sträflinge ist durch ein humaneres Verfahren verdrängt worden.

Bildung.

Für elementare Schulbildung ist durch die Schulakte vom Jahr 1870 in ergiebiger Weise gesorgt, während Irland schon seit längerer Zeit sich eines vom Staat geleiteten Schulwesens erfreut hat. Grundsatz ist, daß in allen Fällen, in welchen die von Genossenschaften und Privaten eingerichteten Schulen dem Bedürfnis nicht entsprechen, die Gemeinde einzutreten hat, und daß der Staat sämtlichen Schulen, welche seinen Ansprüchen genügen, einen Zuschuß aus der Staatskasse gewährt. Diese Zuschüsse aus der Staatskasse beliefen sich 1884 auf 4,224,267 Pfd. Sterl., 1885-86 auf 4,389,247 Pfd. Sterl. Besucht wurden 1884 die 29,724 Elementarschulen von 6,1 15,000 Kindern, und somit kommen auf 100 Bew. 17 Schüler (16 in England, 15 in Schottland, 22 in Irland). Indes besuchten von den eingeschriebenen Kindern durchschnittlich nur 69 Proz. die Schule (in Irland gar nur 47 Proz.). Die Ausbildung der Lehrer findet in 55 Seminaren (Training Colleges) statt, welche 1884 von 4292 Schülern besucht waren. Vorwiegend liegt das Erziehungsgeschäft in weiblichen Händen, denn 1881 zählte man 146,142 Lehrerinnen und nur 61,913 Lehrer. Wie wesentlich die Verbesserung des Schulwesens die Volksbildung beeinflußt hat, geht schon daraus hervor, daß, während 1863 noch 24 Männer in England, 12 in Schottland und 30 in Irland das Heiratsregister mit Kreuzen unterschrieben, diese Zahlen 1883 auf bez. 13, 7 und 25 gefallen waren (bei den Weibern immer noch 16, 13 und bez. 28). Vgl. Wehrhan, Das Volksschulwesen in England (Hannov. 1876).

Über die höhern Schulen liegen nur höchst unvollständige Angaben vor. Vom Staat aus geschieht nichts für den Sekundärunterricht, um so mehr aber ist durch Stiftungen und in letzter Zeit durch Schulvereine geleistet worden. In Schottland wurden 1884: 277 höhere Schulen von 67,351 Schülern, in Irland 1881: 488 Schulen von 20,405 Schülern besucht. Über England fehlt es an allen Angaben, nur wissen wir, daß die 9 großen Stiftsschulen im J. 1884: 3940 Schüler zählten.

Universitäten gibt es in England 4 (Oxford, Cambridge, Durham, Viktoria-Universität), in Schottland 4 (Edinburg, Glasgow, Aberdeen, St. Andrews), in Irland 2 (Trinity College und die katholische Universität, beide in Dublin). Die sogen. Universität von London und die Royal University von Irland sind nur Examinationsbehörden. Neben diesen Universitäten bestehen noch 27 University Colleges (12 in England, 1 in Schottland, 10 in Irland, 4 für Damen), welche eine Universitätsbildung gewähren, aber nicht das Recht haben, Diplome zu erteilen. An diesen sämtlichen Anstalten wirkten 1884: 1370 Professoren, und sie wurden von 25,700 Studenten besucht (15,515 in England einschließlich von 270 Damen, 7084 in Schottland, 3100 in Irland). Was die Fachschulen betrifft, so verweisen wir auf die einzelnen Länder. Nur auf die das ganze Reich umfassende Thätigkeit des Science and Art Department mag hier hingewiesen sein, dessen 1927 Klassen 1885 von 152,568 Schülern besucht wurden.

Gelehrte Gesellschaften konzentrieren sich in den drei Landeshauptstädten, und ihnen allen voran steht die 1600 gegründete Royal Society, eine Akademie der Wissenschaften in London. Die British Association, ein Wanderverein, vereinigt jährlich die Gelehrten in einer großen Stadt des Reichs und besuchte 1884 sogar Kanada. Unter den Bibliotheken zeichnen sich vorzüglich aus die des Britischen Museums, die Bodleyanische in Oxford, die öffentliche Bibliothek in Cambridge, die Bibliothek der Advokaten in Edinburg und die Bibliothek von Trinity College in Dublin, denen sämtlich Freiexemplare aller veröffentlichten Bücher überreicht werden müssen. Unter den wissenschaftlichen Sammlungen steht das Britische Museum (s. d.), vielleicht das reichste der Welt, obenan. Unter den botanischen Gärten ist derjenige von Kew (s. d.) der wichtigste. Sternwarten bestehen an 15 Orten, die berühmteste zu Greenwich. Aus Staatsmitteln werden unterhalten: das Britische Museum, das geologische Museum in London, Gewerbemuseen in London, Edinburg und Dublin, Nationalgemäldegalerien in denselben Städten, eine Nationalporträtgalerie in London. Insgesamt spendete der Staat für Volksbildung, Kunst und Wissenschaft 1885-86: 5,329,000 Pfd. Sterl. Die periodische Presse, die infolge uneingeschränkter Preßfreiheit der Zeitungslitteratur aller übrigen Länder weit voraus steht, trägt zur Bildung des Geistes nicht wenig bei. Wo sich der Brite ansiedelt, entsteht alsbald eine Zeitung, denn die Zeitung ist ihm Bedürfnis geworden. 1886 erscheinen 2487 Zeitungen und 1129 Zeitschriften. Von erstern erscheinen 666 zu London, 1472 in den englischen u. wallisischen Grafschaften, 210 in Schottland, 117 in Irland und 22 auf der Insel Man und den Kanalinseln. Unter ihnen finden sich 191 Tagesblätter. Das leitende Blatt ist noch immer die 1780 gegründete "Times", wenn ihm auch, was den Umsatz anbetrifft, einige der Pennyblätter den Rang ablaufen (vgl. Duboc, Geschichte der englischen Presse, Hannov. 1873). Der Buchhandel konzentriert sich in London, nächstdem in Edinburg und Dublin; jeder Verleger von Bedeutung hat ein Zweiggeschäft in London. Im J. 1885 erschienen 4307 neue Werke, darunter 671 Jugendschriften u. 636 Werke theologischen oder religiösen Inhalts. Außerdem erschienen 1333 Werke in neuer Auflage.

Nahrungszweige.

G. ist wohl am passendsten als ein Fabrikstaat zu bezeichnen, denn wenn auch Ackerbau und andre Erwerbszweige blühen, so sind es doch gerade die Fabriken, welche dem Land seinen Charakter verleihen, und deren zu höchster Vollkommenheit gebrachtem Betrieb, neben günstiger Weltstellung, G. den größten Teil seines Handels und damit seines Wohlstandes verdankt. Ehe wir näher auf die verschiedenen Erwerbszweige eingehen, schalten wir hier eine Zusammenstellung der Beschäftigungen nach der Zählung von 1881 ein: