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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hengst; Hengstenberg; Henikstein; Henin-Lietard; Heniocher; Heniochos; Henk; Henke

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Hengst - Henke.

soll er gestorben sein. Nach der britischen Sage erhielt Hengist die Insel Ruithina, bei den Angelsachsen Thanet genannt, an der Themse zum Geschenk und zog dann aus der Heimat Verstärkung herbei. Der christliche König der Briten, Vortigern, entbrannte in Liebe zu Hengists schöner Schwester Rowena und trat für deren Besitz Kent an die Sachsen ab. Von seinen damit unzufriedenen Unterthanen ward er deshalb entthront; sein Sohn Vortimir, der nun König wurde, schlug die Sachsen in drei Schlachten, wobei Horsa umkam, und vertrieb Hengist aus Britannien. Nachdem aber Rowena Vortimir mit Gift aus dem Wege geräumt hatte, rief der wieder zur Regierung gelangte Vortigern seinen Schwager Hengist zurück. Ein Streit, der sich bald darauf infolge der Ansprüche Hengists auf das früher innegehabte Land erhob, sollte durch 300 Sachsen und ebensoviel Briten gütlich beigelegt werden. Bei der Zusammenkunft aber zogen die Sachsen auf Hengists Befehl ihre langen Messer, die sie unter den Kleidern verborgen hatten, hervor und töteten die Briten. Zur Befreiung des gefangenen Vortigern ward ihnen dann Sussex, Essex und Middlesex abgetreten. Die beglaubigte Geschichte weiß von den beiden sagenberühmten Sachsenhelden nichts, deren Namen mit dem des von den Sachsen hochgeschätzten Pferdes wohl zusammenhängen; historisch sicher scheint nur zu sein, daß seit der Mitte des 5. Jahrh. die Eroberung Britanniens durch die Angelsachsen (s. d.) begann, und daß zuerst Kent von ihnen in Besitz genommen wurde.

Hengst, das männliche Pferd und der männliche Esel.

Hengstenberg, Ernst Wilhelm, der einflußreichste Vorkämpfer der neulutherischen Orthodoxie der Gegenwart, geb. 20. Okt. 1802 zu Fröndenberg in der Grafschaft Mark, widmete sich zu Bonn philosophischen und orientalischen Studien und veröffentlichte schon in seinem 22. Jahr eine Übersetzung der "Metaphysik" des Aristoteles (Bonn 1824, Bd. 1) und eine Bearbeitung der "Moallakah" des Amrilkais (das. 1823). Während seines akademischen Lebens beteiligte er sich lebhaft an den damaligen burschenschaftlichen Bestrebungen. Dann lebte er vom Herbst 1823 bis Herbst 1824 als Hauslehrer in Basel, wo sich in ihm eine religiöse Wandlung nach der Seite der strengen Orthodoxie vollzog. Sofort habilitierte er sich 1824 an der philosophischen und 1825 (jetzt schon als ausgesprochener Gegner des Rationalismus und Hegelianismus) auch an der theologischen Fakultät zu Berlin, ward 1826 außerordentlicher und 1828 ordentlicher Professor der Theologie. Unter seinen wissenschaftlichen Arbeiten, welche indessen vollständig im Dienste der dogmatischen Tendenz stehen, nennen wir: "Christologie des Alten Testaments" (2. Aufl., Berl. 1854-1858, 3 Bde.); "Beiträge zur Einleitung ins Alte Testament" (das. 1831-39, 3 Bde.); "Kommentar über die Psalmen" (2. Aufl., das. 1849-52, 4 Bde.); "Das Hohelied Salomonis" (das. 1853); "Das Evangelium Johannis" (2. Aufl., das. 1869-71, 2 Bde.); "Kommentar über die Offenbarung Johannis" (2. Aufl., das. 1862, 2 Bde.); "Die Weissagungen des Propheten Ezechiel" (das. 1867-68, 2 Bde.). Geringen Wert haben die nach seinem Tod herausgegebenen, durchaus auf eigentümliche Zuhörerschaft berechneten Kollegienhefte. Den weitgreifendsten Einfluß aber hat H. durch seine 1827 gegründete "Evangelische Kirchenzeitung" ausgeübt, ein Parteiorgan der rücksichtslosesten Unduldsamkeit. Durch die Gunst der Verhältnisse hat sich H. eine weitverzweigte Schule in Preußen herangezogen und ist so recht der Begründer der neupreußischen Orthodoxie geworden. H. starb 28. Mai 1869. Vgl. Bachmann, Ernst Wilhelm H. (Gütersl. 1876-80, 2 Bde.).

Henikstein, Alfred von, österreich. General, geb. 11. Aug. 1810 zu Oberdöbling bei Wien als Sohn des bekannten, Mozart nahestehenden Musikfreundes, des jüdischen Bankiers Ritter Joseph v. H., trat, nachdem er sich hatte taufen lassen, 1828 in das Ingenieurkorps ein, that sich hervor und ward daher 1848 Major, im nächsten Jahr Oberst, 1854 bereits Generalmajor. Im italienischen Krieg (1859) zeichnete er sich ebenfalls aus, erhielt den Rang eines Feldmarschallleutnants und ward zum Freiherrn ernannt. Zunächst nach dem Krieg befehligte er das 5. Armeekorps in Verona und kam sodann als Generalstabschef in das Kriegsministerium. Die großen Fehler aber, die er 1866 als Generalstabschef Benedeks vor und in der Schlacht von Königgrätz machte, stürzten ihn. Gleich Benedek wurde auch H. sofort seiner Funktionen enthoben und vor ein Kriegsgericht gestellt, dessen Verfahren indes später sistiert worden ist; doch trat H. dauernd in Ruhestand und starb 29. Jan. 1882 in Wien.

Henin-Lietard (spr. enäng-lietár), industrieller Ort im franz. Departement Pas de Calais, Arrondissement Béthune, an der Nordbahn, hat eine alte Kirche (mit mehreren Kunstwerken), (1881) 6546 Einw., Kohlengruben, Glasfabrikation und Spinnereien.

Heniocher, im Altertum seeräuberisches Volk im Kaukasus, an der nordöstlichen Küste des Pontos. Noch heute heißt dort ein lesghischer Stamm "Heinuch".

Heniochos (griech.), der Rosselenker, vorzüglich in der heroischen Zeit eine wichtige Person, als die Helden auf ihren Streitwagen im Kampf der Schlachtlinie vorauseilten und ebenbürtige Gegner zum Zweikampf aufforderten.

Henk, Ludwig Friedrich Wilhelm von, Seemann, geb. 4. März 1820 zu Anklam, ging 1835 zur See, machte auf Handelsschiffen zahlreiche Reisen, trat 1849 in die preußische Marine und avancierte hier bis 1859 zum Korvettenkapitän. 1861 wurde er als Dezernent und Vorstand des hydrographischen Büreaus in das Marineministerium berufen und vertrat dasselbe im Landtag. 1865 kommandierte er die Korvette Nymphe und hatte Gelegenheit, die Eruption von Santorin zu beobachten, über welche er Berichte an die Akademie der Wissenschaften in Berlin sandte. Im deutsch-österreichischen Krieg fungierte er als Chef der Flottille an den Küsten der Nordsee, 1870 kommandierte er die Panzerfregatte König Wilhelm, und 1871 wurde er zum Chef der Marinestation der Nordsee ernannt. 1872 ging er, zum Konteradmiral befördert, als Direktor der Admiralität nach Berlin und leitete den Ausbau der Werften, die Schiffbauten und die technischen Angelegenheiten. Währenddessen wurde ihm 1873, 1874 und 1875 die Führung des Übungsgeschwaders übertragen, 1877 avancierte er zum Vizeadmiral, und 1878 wurde ihm der erbliche Adel verliehen. Wegen Differenzen mit dem Chef der Admiralität, v. Stosch, wurde H. 1879 zur Disposition gestellt und lebt seitdem in Berlin. Er schrieb: "Die Kriegführung zur See in ihren wichtigsten Epochen" (Berl. 1881) und gibt mit dem Marinemaler Niethe u. a. das Prachtwerk "Zur See" (das. 1885 ff.) heraus.

Henke, 1) Heinrich Philipp Konrad, namhafter protest. Kirchenhistoriker, geb. 3. Juli 1752 zu Hehlen im Braunschweigischen, ward zu Helmstädt 1778 außerordentlicher und 1780 ordentlicher Professor der Theologie und Direktor des theologischen Seminars. 1800 wurde er Generalsuperintendent der Diözese Schöningen, 1803 Abt von Königslutter, 1804 Vize-^[folgende Seite]