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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hirsch

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Hirsch (Personenname).

H. bleibt beim Rudel als Platzhirsch, hält dies zusammen und duldet keinen Nebenbuhler bei demselben. Ende Juni, Anfang Juli setzen die beschlagenen Tiere (Damgeißen) ein, nicht selten auch zwei Kälber (Damkitze). Die Bezeichnungen auch des männlichen und weiblichen Wildes nach den Altersstufen sind dieselben wie beim Edelhirsch. Über die Geweihbildung s. Geweih. Die Fährte des Damwildes ist der des Rotwildes ähnlich, nur schwächer; ein Schaufler spürt sich etwa nur so stark wie ein Spießer vom Rotwild. Man kann an den Zeichen der Fährte den Damhirsch vom Tier ebenso wie beim Rotwild unterscheiden. Auf Damwild sind dieselben Jagdmethoden üblich wie beim Rotwild, das Wildbret (Fleisch) ist zarter und wohlschmeckender, auch wird das Damwild feister, ein starker feister Schaufler wiegt über 100 kg; die Haut ist dehnbarer und weicher als die des Rotwildes. Betreffs der Schonzeit s. d. Vgl. Dombrowski, Das Edelwild (Wien 1876).

Fossile Überreste von Hirschen sind nicht selten. Unter diesen zeichnet sich besonders der Riesenhirsch (Megaceros Owen) aus. Die Gattung, vielleicht durch verschiedene Arten vertreten, vereinigt die Charaktere des Skeletts vom H. mit Geweihen, welche dem Elen näher stehen. Die Geweihe sind bis 1,9 m lang, und ihre Enden sind über 3,75 m voneinander entfernt. Man findet Reste des Riesenhirsches in den mitteleuropäischen Diluvialbildungen, von Island und Schottland bis zum Po und den südlichen Theißgegenden. Nach Hibbert soll er noch im 12. Jahrh. in Irland gelebt haben. Man hält ihn für den Schelch des Nibelungenliedes. Abbildung des Skeletts s. Tafel "Diluvium". - In der christlichen Symbolik ist der H. (nach Psalm 42, 2) vorzugsweise Sinnbild der heilsbegierigen Seele und der christlichen Taufe, daher häufig auf Taufkesseln und Taufbecken angebracht. Vier Hirsche, um einen Hügel gestellt, bedeuten die vier Evangelisten. Ein weißer H. mit einem Kruzifix zwischen dem Geweih ist das Attribut der Heiligen Eustachius und Hubertus.

Hirsch, 1) Theodor, Historiker, geb. 17. Dez. 1806 zu Altschottland bei Danzig, studierte in Berlin Theologie, Geschichte und Geographie, war dann Lehrer am Friedrich-Wilhelms-Gymnasium daselbst und wurde 1833 an das Gymnasium in Danzig berufen, an welchem er 32 Jahre den Unterricht in der Geschichte leitete. Neben seinem Lehramt widmete er sich besonders der Geschichte seiner Vaterstadt, deren Behörde ihm 1850 die Neuordnung und Verwaltung des Stadtarchivs übertrug. Außer zahlreichen Arbeiten über einzelne Institute Danzigs (die St. Marienkirche, das Gymnasium, den Artushof), über die Nachbarklöster Oliva und Zuckau, über den Handelsverkehr Danzigs mit den italienischen Staaten im 16. Jahrh. etc. schrieb er besonders die von der Jablonowskischen Gesellschaft gekrönte Schrift "Danzigs Handels- und Gewerbegeschichte unter der Herrschaft des Deutschen Ordens" (Leipz. 1858) und verband sich 1860 mit Strehlke und Toppen zur Herausgabe der "Scriptores rerum prussicarum" (das. 1861-1874, Bd. 1-5). 1865 wurde er als ordentlicher Professor der Geschichte an die Universität Greifswald berufen, wo er zugleich als Dirigent der königlichen Universitätsbibliothek thätig war, und starb 17. Febr. 1881. Von den "Urkunden und Aktenstücken zur Geschichte des Großen Kurfürsten" gab er 1880 einen Band heraus.

2) Samson Raphael, jüd. Theolog, geb. 1808 zu Hamburg, wurde nach seiner wissenschaftlichen Vorbildung in Oldenburg, darauf in Emden und Nikolsburg in Mähren Rabbiner und wirkt seit 1852 als Rabbiner der israelitischen Religionsgesellschaft in Frankfurt a. M. H. ist ein scharfer, ehrlicher Vertreter der orthodoxesten Richtung im deutschen Judentum, für welche er in seiner Zeitschrift "Jeschurun" (Frankf. 1855-70, neue Folge 1882 ff.), in Streitschriften gegen Geiger, Holdheim u. a. und in Einzelwerken: "Ben Usiel" (Altona 1836), "Choreb" (das. 1835-37), "Denkschrift über die Judenfrage" (Berl. 1873), "Das Prinzip der Gewissensfreiheit" (Frankf. 1874) u. a., eintrat. Als Begründer und Direktor der Realschule seiner Gesellschaft schrieb er über jüdisches Erziehungswesen Beachtenswertes in Schulprogrammen. Größere exegetische Arbeiten sind: "Der Pentateuch, übersetzt und erläutert" (Frankf. 1867-78, 5 Bde.; 2. Aufl. 1883 ff.) und "Die Psalmen" (das. 1882).

3) Rudolf, österreich. Dichter, geb. 1. Febr. 1816 zu Nagapedl in Mähren, studierte zu Brunn und Wien die Rechte und begab sich 1840 nach Leipzig, wo er sich als Dichter von Liedern, die er zugleich in Musik setzte und mit gediegenem Vortrag sang, beliebt machte und bis 1843 den "Komet" redigierte. Nach Wien zurückgekehrt, machte er das Staatsexamen und bekleidete sodann verschiedene Stellen, bis er 1852 zum Bibliothekar des Polizeiministeriums ernannt wurde. Er starb 10. März 1872. Ein leichtflüssiger und leichtblütiger Lyriker, der nicht selten ins Triviale fällt, veröffentlichte H. zahlreiche Gedichtsammlungen, wie: "Frühlingsalbum" (Leipz. 1837); "Balladen und Romanzen" (das. 1841; neue Folge 1846, 2. Aufl. 1853); "Buch der Sonette" (das. 1841); "Soldatenspiegel" (Triest 1849, 3. Aufl. 1857); "Irrgarten der Liebe" (Wien 1850, 6. Aufl. 1857); "Reiser und Reisig" (das. 1850); "Lieder ohne Weltschmerz" (Leipz. 1853, 2. Aufl. 1867); "Eulenspiegels Tagebuch" (Pest 1856); "Fresko-Sonette" (Wien 1858) u. a. H. ist als ein Nachzügler der sogen. schwäbischen Schule zu betrachten, der jedoch später, zur Zeit der Belagerungszustände, seine Wirkung durch Poesien für Gendarmerie und Militarismus wesentlich beeinträchtigte. Eine Auswahl seiner "Poetischen Schriften" erschien in 2 Bänden (Wien 1851).

4) Siegfried, Historiker, Vetter von H. 1), geb. 5. Nov. 1816 zu Berlin, widmete sich 1833-36 in Berlin und Königsberg, durch L. Ranke angeregt, dem Studium der Geschichte und bekundete sein hervorragendes Talent durch zwei in Berlin und in Göttingen gekrönte Preisarbeiten: 1834 über das Leben und die Thaten König Heinrichs I. und 1837 über die Echtheit der Chronik von Korvei (mit Waitz zusammen). 1841 erschien ein größeres Werk von ihm über das Leben und die Schriften Sigeberts von Gembloux ("De vita et scriptis Sigiberti", Berl. 1841). 1842 habilitierte er sich an der Universität zu Berlin und wurde hier 1844 zum außerordentlichen Professor ernannt. Seine ausgebreitete und erfolgreiche Lehrthätigkeit, welche sich auf verschiedene Perioden der Geschichte und auf Staatsrecht erstreckte, sowie sein lebhafter Anteil an den Bestrebungen der 40er und 50er Jahre, das kirchliche Leben zu heben und zu fördern, für die er in der Presse, namentlich in der "Kreuzzeitung", sowie in Vereinen thätig war, und durch die er auch mit Stahl in nähere Beziehungen trat, hielten ihn von der Vollendung seines Hauptwerkes, der Geschichte Heinrichs II., ab, welche erst nach seinem Tod (er starb 11. Sept. 1860 in Paris), bearbeitet und ergänzt von Usinger, Pabst und Breßlau, in den "Jahrbüchern des Deutschen Reichs" erschien (Berl. u. Leipz. 1862-75, 3 Bde.).