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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hohenzollern

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Hohenzollern (Linien Hechingen und Sigmaringen).

Waffen gegeneinander. Weder die Grafen von Württemberg noch der stammverwandte Friedrich I. von Brandenburg vermochten eine dauernde Versöhnung zwischen ihnen herzustellen. Schließlich blieb Eitelfriedrich Sieger, denn der raublustige Öttinger hatte sich noch die Feindschaft des schwäbischen Städtebundes und der Gräfin Henriette von Württemberg zugezogen. Es war ein Unglückstag, jener 15. Mai 1423, als Städter und Württemberger die hohe Zollernburg stürmten und, des kaiserlichen Befehls eingedenk, von Grund aus zerstörten. Damals entkam der Öttinger; später brachte er längere Jahre in württembergischer Gefangenschaft zu, und als sich ihm (um 1440) die Thüren des Kerkers öffneten, erschien er völlig verwandelt. Nicht nach weltlicher Macht stand sein Sinn, zum Heiligen Land pilgerte er und fand dort seinen Tod (1443). Mit ihm erlosch sein Geschlecht und der Hader dazu. So konnte denn Eitelfriedrichs I. (gest. 1439) Sohn Jost Niklaus die zollerischen Lande wieder vereinigen. Er trat seinen brandenburgischen Verwandten näher, besonders dem fränkischen Albrecht Achilles. Mit vereinten Kräften begann man 1454 den Neubau der Stammburg und vollendete ihn in wenigen Jahren. Auch Josts Söhne waren den Brandenburgern zugethan, denn als er 1488 starb, einigte sich der älteste, Graf Eitelfriedrich II., mit seinen Brüdern dahin, daß sie einander beerben, im Fall des Aussterbens ihres Geschlechts aber die brandenburgischen Vettern ihnen folgen sollten. Dies ist die erste Erbverbrüderung Hohenzollerns mit Brandenburg. Eitelfriedrich II. wurde 1495 von dem ihm wohlwollenden Kaiser Maximilian I. zum Kammerrichter an dem eben errichteten Reichskammergericht ernannt, und diese Würde blieb in seinem Geschlecht erblich. Derselbe (oder schon sein Vater) erließ die hohenzollerische Landesordnung, ein Gesetzbuch für sein Land. Sein Enkel Karl I. (Haupt des Geschlechts 1558-76) erhielt 1534 vom Kaiser Karl V. die Grafschaften Sigmaringen und Vehringen als Reichslehen. Bei seinem Tod stifteten seine Söhne Eitelfriedrich IV. und Karl II. 1576, jener die Linie H.-Hechingen, dieser H.-Sigmaringen.

In H.-Hechingen ordnete Eitelfriedrich IV. die unter seinen Vorgängern verwahrloste Verwaltung von neuem. Doch handhabte er die Regierung in manchen Dingen zu energisch und erregte besonders durch eine strenge Jagd- und Waldordnung den Unwillen der Bauern. Ähnlich verfuhren mehrere seiner Nachfolger, und so haben wir denn von 1584 bis 1796 nicht weniger als 15 Aufstände der Bauern von H. zu verzeichnen. Eitelfriedrichs Sohn Johann Georg (1605-1623) wurde 1623 von Kaiser Ferdinand II. in den erblichen Reichsfürstenstand erhoben. Er und sein Haus waren katholisch geblieben. Dennoch hatte das Land im Dreißigjährigen Krieg viel zu leiden. Die Stammburg wurde 1634 von den Württembergern eingenommen; das ganze Ländchen blieb fast ein Jahr lang von ihnen besetzt, bis 1635 die Bayern erschienen und nun ihrerseits von der Burg Besitz nahmen. 1650 lösten die Kaiserlichen jene ab, und Kaiser Ferdinand III. nahm das Land unter seine Administration. Erst Philipp Christoph Friedrich (1661-71) erhielt sein Erbe wieder zu eigner Verwaltung. Doch behielt sich der Kaiser (Leopold I.) vor, die Burg erforderlichen Falls besetzen zu dürfen, und dies Vorrecht verblieb seinen Nachkommen bis 1798. Fürst Friedrich Wilhelm (1671-1735) schloß, zunächst unter Vormundschaft, 1695 die denkwürdige Erbeinigung mit dem kurfürstlichen Haus Brandenburg, welcher auch H.-Sigmaringen beitrat und der Kaiser beistimmte. Danach sollte im Fall des Aussterbens der schwäbischen Linie das ganze Land an Brandenburg fallen. Friedrich Wilhelms Großneffe Hermann Friedrich Otto (1798-1810) trat 1806 dem Rheinbund bei; sein Sohn Friedrich Hermann Otto ging jedoch 1813 zu den Verbündeten über und schloß sich 1815 dem Deutschen Bund an. Schon 1798 war in dem sogen. Landvergleich die Leibeigenschaft aufgehoben, waren die Steuerverhältnisse neu geordnet worden. 1833 kam eine Gemeindeordnung, 1835 eine Stadtordnung hinzu. Allein das Jahr 1848 rief auch in H. Unruhen hervor, welche zu der Verfassung vom 16. Mai 1848 führten. Eine Landesdeputation von 15 Mitgliedern war fortan "das einzige gesetzliche Organ des Landes, um die Wünsche desselben an den Regenten gelangen zu lassen und mit der Regierung zu verhandeln". Doch es kam zu Zerwürfnissen zwischen Regierung und Volksvertretung, und 6. Aug. rückten preußische Truppen ein und besetzten H. wie Sigmaringen. Der Fürst Friedrich Wilhelm Konstantin (1838-50, s. Friedrich 25) trat, der Herrschaft müde, 7. Dez. 1849 in einem Vertrag sein Land an Preußen ab, behielt seine Güter und Zehnten in H. und wurde mit einer lebenslänglichen Jahresrente von 10,000 Thlr. bedacht. Am 20. Febr. 1850 wurde der von den preußischen Kammern genehmigte Vertrag in Berlin ratifiziert. Schon 3. Febr. hatte der Fürst das Hechinger Haus-Fideikommißvermögen an Karl Anton von H.-Sigmaringen gegen eine lebenslängliche Zahlung von 40,000 Gulden jährlich abgetreten. König Friedrich Wilhelm IV. nahm 12. März das Land in Besitz und 23. Aug. 1851 die Erbhuldigung in beiden Teilen entgegen. Mit dem Fürsten Friedrich Wilhelm Konstantin starb 3. Sept. 1869 die Linie H.-Hechingen im Mannesstamm aus. Die Wiederherstellung der Stammburg wurde 1846 von allen drei Linien des Hauses begonnen und seit 1850 namentlich von Friedrich Wilhelm IV. betrieben (s. S. 635). Am 3. Okt. 1867 nahm König Wilhelm I. in der in neuem Glanz prangenden Feste die Glückwunschadresse des norddeutschen Reichstags entgegen.

In H.-Sigmaringen wurde Johann, der Sohn Karls II., des Stifters dieser Linie, 1623 in den Reichsfürstenstand erhoben. Unter seinem Enkel Maximilian I. (1681-89) kamen Besitzungen in den Niederlanden an das Haus. In diesen begründete 1712 einer seiner Enkel, Franz Wilhelm (gest. 1737), die Nebenlinie der Grafen von Bergh, welche jedoch schon 1781 mit dem Tod seines Sohns Johann Baptist Oswald Franz erlosch. Sein Vetter, Fürst Karl Friedrich (1769-85), vereinigte dieselben mit dem Stammland (1785), und wenn sie auch der Sohn des eben Genannten, Anton Aloys (gest. 1831), im Lüneviller Frieden (1801) verlor, so wurde er schon 1803 im Reichsdeputationshauptschluß, noch mehr, als er 1806 dem Rheinbund beitrat, durch zahlreiche Herrschaften und Klöster in Schwaben entschädigt. Das Land wurde 1815 in den Deutschen Bund aufgenommen. Fürst Karl (s. d.) gab 11. Juli 1833 eine landständische Verfassung, infolge deren eine Versammlung von 2 Standesherren, 1 Geistlichen und 14 Gemeindeabgeordneten alle drei Jahre das Budget beraten sollte. Allein die drückenden Steuern (sie waren von 1818 bis 1848 um das Sechsfache gewachsen!) und das Beispiel der benachbarten Lande riefen auch hier 1848 eine Revolution hervor. Die Folge davon war die Abdankung des Fürsten Karl zu gunsten seines Sohns Karl Anton (s. Karl) 27. Aug. 1848. Im folgenden Jahr steigerten sich die Differenzen zwischen Regierung und Volksvertretung, des-^[folgende Seite]