Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Husseinite; Hussinetz; Hussiten; Hussitenkriege

819

Husseinite - Hussiten und Hussitenkriege.

dresse (Schule), um sich zum Gesetzkundigen auszubilden, dann in die Kriegsschule (Harbije-Mekteb), ward 1845 Hilfslehrer an derselben, 1850 Major und 1853 Oberstleutnant. Er leitete unter Omer Pascha die Befestigungen der Balkanpässe und Kalafats, ward darauf Generalstabschef Omer Paschas in Armenien, nach dem Krieg 1856 Direktor der Kriegsschule und Chef des Generalstabs der Armee. Er befehligte 1859 im Kriege gegen Montenegro eine Division, ward 1864 Muschir (kommandierender General) des Gardekorps, 1867 Befehlshaber der türkischen Truppen im Aufstand von Kreta, welchen er 1869 völlig unterdrückte, und hierauf Kriegsminister (Seraskier). In dieser Stellung bewährte er sich als trefflicher Organisator und vergrößerte die Armee beträchtlich durch neue Formationen. Nach dem Tod seines Gönners Aali Pascha (6. Sept. 1871) wurde er indes gestürzt und in das Exil nach Isparta geschickt. 1872 wieder Generalgouverneur von Smyrna, wurde er im Februar 1874 endlich Großwesir. Er bewies indes nur geringe staatsmännische Fähigkeit und brachte namentlich die Finanzen durch unvorteilhafte Anleihen in große Verwirrung. Am 25. April 1875 in Ungnaden entlassen und zum Generalgouverneur von Smyrna ernannt, begab er sich auf Reisen nach Frankreich und England, ward nach seiner Rückkehr im August 1875 wieder Kriegsminister, aber bereits 1. Okt. wieder entlassen und Wali in Brussa. Von hier aus setzte er sich mit Mahmud Paschas Gegnern, namentlich Midhat, in Verbindung und zettelte im Mai 1876 die Verschwörung zum Sturz Abd ul Asis' an. Er war es, der in der Nacht vom 29. zum 30. Mai Murad nach dem Palast Dolma-Baghtsche geleitete, wo derselbe zum Padischah ausgerufen wurde, und der Abd ul Asis töten ließ. Hierauf wurde H. wieder Kriegsminister, aber während eines Ministerrats in Midhats Haus von einem Offizier, Hassan Bei, in der Nacht vom 15. zum 16. Juni 1876 ermordet.

Husseinite (Orden des Hauses), tunes. Orden, gestiftet von Ahmed Bei (regierte 1837-55). Er hat nur eine Klasse und wird in Tunis bloß vom Bei und von den Prinzen getragen, außerdem darf ihn der Fürst nur an zwei seiner höchsten Staatsbeamten verleihen. Im Ausland wird er an regierende Fürsten oder an Prinzen von Geblüt gegeben. Die Dekoration, ein goldener Schild, reich mit Brillanten besetzt, wird von einer aus Gold und Brillanten bestehenden Agraffe gehalten und von dem Inhaber an smaragdgrünem, rot eingefaßtem Band getragen.

Hussinetz (tschech. Husinec), Marktflecken in der böhm. Bezirkshauptmannschaft Prachatitz, mit Fabrikation von Fes, Wollwaren, Zündhölzchen, Strumpfwirkerei und (1880) 1731 Einw.; Geburtsort von J. Huß. Nahebei die Ruinen des Bergschlosses Huß.

Hussiten und Hussitenkriege. Infolge der Verurteilung und Hinrichtung Huß' (s. d.) in Konstanz steigerte sich die Aufregung und Bewegung in Böhmen auf das höchste. 452 Herren und Ritter hingen ihre Siegel dem Schreiben an das Konzil an, in welchem gegen die Beschuldigung der Ketzerei Verwahrung eingelegt wurde. Indessen entbehrten die neuen Lehren noch vollständig einer Form der Gemeinsamkeit, und der gänzliche Mangel positiver kirchlicher Einrichtungen erklärt das bald unter den Anhängern des Huß eingetretene Sektenwesen. Das einzige Symbol des neuen Glaubens sprach sich in der von Jakob von Mies zuerst und schon bei Lebzeiten Huß' gestellten Forderung des Laienkelchs aus, welcher zwar vom Konstanzer Konzil ausdrücklich verboten, aber von den Hussiten in Böhmen nur um so eifriger verteidigt wurde. Im übrigen stellten die Prager Theologen vier Artikel auf, welche als Grundlage der reformierten böhmischen Kirche gelten sollten, die aber von andern Parteien, welche gemeiniglich unter dem Namen der Taboriten zusammengefaßt werden, als zu gemäßigt verworfen und durch andre zwölf Artikel ersetzt wurden. Die Forderungen der vier Artikel beschränkten sich auf die Predigt des Evangeliums in böhmischer Sprache, Laienkelch, Herstellung der Kirchenzucht, Abschaffung des weltlichen Besitzes der Geistlichen, während die weiter gehenden Parteien gänzliche Reformation des Gottesdienstes, Aufhebung der Sakramente, Abschaffung des Priesteramtes und Ähnliches verlangten, woraus sich eine ganze Stufenleiter von Sekten entwickelte bis zu den Adamiten, welche in Böhmen und Mähren verbreitet waren und wirklich den paradiesischen Traum ins Leben führen wollten. Von eingreifender Bedeutung bleiben aber immer nur die beiden Hauptrichtungen der "Prager" und der "Taboriten".

Zu gewaltsamen Auftritten war es zuerst in Prag und gleichzeitig in Breslau wenige Wochen vor Wenzels Tod gekommen, denn noch waren die Stadträte von konservativen und zur Hälfte deutschen Männern besetzt. Am 30. Juli 1419 stürmte der Pöbel das Rathaus in Prag und warf 13 Räte nebst dem Richter aus den Fenstern in die Spieße der unten tobenden Menge. Indem nun aber Siegmund als Erbe seines Bruders seine Anrechte auf die böhmische Krone geltend machte, traten zu den religiösen Gegensätzen politische Schwierigkeiten hinzu, welche Kaiser Siegmund erst am Ende seines Lebens zu besiegen vermochte. Während der Letztgenannte mit den Vertretern der Länder und mit den Pragern um seine Krone unterhandelte, entbrannte der Bürgerkrieg allerorten, wurden über 500 Kirchen und Klöster zerstört und die ausgesuchtesten Greuel verübt. In Mähren und Schlesien erlangte Kaiser Siegmund die Huldigung, und von Breslau führte er ein Kreuzheer gegen die Böhmen, unterstützt von deutschen Fürsten und von den Legaten des Papstes. Er vermochte jedoch Prag nicht einzunehmen, erlitt am Ziskaberg eine schwere Niederlage und mußte endlich auch den Wyschehrad preisgeben (1420). Die Anführer der Taboriten waren Niklas von Hussinetz und Ziska (Žižka) von Trocznow.

Das Bemühen des Kaisers ging nunmehr dahin, den böhmischen Krieg zu einer Reichssache zu machen, um auf diese Weise die Kräfte der Fürsten und Städte zur Erlangung der böhmischen Krone in Anspruch nehmen zu können. Auf den Reichstagen war aber der Eifer für die Angelegenheiten Böhmens nicht groß, und was die Fürsten etwa im einzelnen dem Kaiser zu gewähren bereit waren, wollten sie auch nicht ohne bestimmte politische Vorteile thun, welche ihnen Siegmund aber nicht einräumen mochte. So nahmen denn die Reichskriege gegen die Hussiten einen sehr kläglichen Verlauf, welcher den tiefen Verfall der Kriegsverfassung des Deutschen Reichs zeigte, hauptsächlich aber auf Rechnung des Widerwillens zu setzen ist, den man in Deutschland gegen eine Sache hegte, in welche neben den Ungarn bald auch die Polen und Litauer verflochten wurden, und die man von Rom aus mit geistlichem Fanatismus betrieb. Auf den Reichstagen wurden zwar wiederholt Beschlüsse gefaßt; aber die Reichsheere, welche aufgeboten worden waren, vermochten bei dem Mangel einheitlicher Führung keine Erfolge zu erzielen. In vielen Schlachten wurden die Deutschen geschlagen, am entscheidendsten bei Deutsch-Brod 1422 und