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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Island

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Island (Bodenbeschaffenheit, Gewässer, Klima).

die Mitte bedecken ungeheure Gletscher; der größte derselben, der Klofa- oder Vatnajökull, nimmt allein 8810 qkm (160 QM.) ein. Das Innere dieser Eiswüste ist noch fast ganz unbekannt. Nach Winkler sind vier Hauptgebirgszüge zu unterscheiden, die mehr oder weniger alle vulkanischer Natur sind. Der südliche beginnt im W. mit dem Hekla und schließt mit der schon genannten Gletscherwüste des Klofajökull; an seinem Südende erhebt sich der Öräfajökull, der höchste Punkt der Insel, zu 1958 m. Dieses südliche Gebirge ist ganz vulkanisch; es enthält sechs thätige Vulkane, darunter den über 1600 m hohen Hekla (s. d.); ferner den Eyjafjallajökull, bisweilen von Fremden unrichtig Österjökull genannt (1700 m hoch), und die Vulkane im Thal Varmárdalur, südwestlich vom Skaptárjökull (der westlichste Teil des Klofajökulls). Der westliche Gebirgszug erhebt sich westlich von Reykjavik und zieht nach ONO. weiter, in der mittlern Region vulkanisch. Der nördliche Gebirgszug erreicht nur in einigen Gipfeln den ewigen Schnee und ist durch zahlreiche Thäler vielfach zerschnitten. Er enthält auf den Bergen Weiden, in den Thälern fruchtbare Wiesen und zeigt nur geringe und zwar verborgene vulkanische Thätigkeit. Die östliche Vulkangruppe liegt im NO., in der Nähe des Sees Mývatn, wo sich mehrere Krater befinden, darunter der Leirhnúkur, bisher gewöhnlich mit dem naheliegenden Krafla verwechselt. Außer den genannten vier Gebirgszügen gibt es noch kleinere isolierte Gruppen; so erhebt sich am äußersten Ende der südwestlichen Halbinsel Snäfellsnes der Snäfellsjökull zu 1430 m, auf der großen nordwestlichen Halbinsel der Dranga- und der Glámujökull etc. Man zählt im ganzen 29 Vulkane auf I., von denen jedoch nur 7 regelmäßige Eruptionen gezeigt haben; die übrigen scheinen einem einmaligen Ausbruch ihre Entstehung zu verdanken. Die letzten, mehr bedeutenden vulkanischen Ausbrüche auf I. fanden im Frühjahr u. Winter 1875 im Vatnajökull und nördlich davon in einem neugeöffneten Vulkan (im Dýngugebirge, Dýngjufjöll) statt.

I. ist an der Ost- und an der Westseite aus Trapp- und Tuffbildung zusammengesetzt; zwischen beiden Seiten scheinen die jüngern vulkanischen Produkte eine breite Zone zu bilden, welche die Insel von SW. nach NO. durchschneidet. Der isländische Basalt ist leichter als der deutsche, von grauer, grünlicher und bräunlicher Farbe und bildet nicht vereinzelte kegelförmige Berge, sondern liegt in Schichten, deren Mächtigkeit zwischen 3 und 6,5 m wechselt, aufeinander. In diesen sich horizontal erstreckenden Lagern bedeckt der Basalt ungeheure Flächen und gibt der Insel in Verbindung mit den nackten Lavafeldern (Hraun) den über alle Beschreibung öden Charakter. Letztere bedecken einen großen Teil der Oberfläche Islands (der aus dem Vulkan Trölladýngjur, wozu auch der oben genannte Dýngjufjöll gehört, in der östlichen Gruppe hervorgeflossene Strom allein wohl 2750 qkm oder 50 QM.). Mit den Lavafeldern wechseln sogen. Heidar (Sing. Heidi), d. h. Hochebenen mit sanften Wellenhügeln, die eine dünne, überall durchlöcherte und mit Steingerölle überzogene Rasendecke tragen, und die diesen verwandten, höchst verrufenen "Hälse" (Hálsar, Sing. Háls), worunter der Isländer die weniger hoch gelegenen Ebenen versteht, die sich überwiegend in Einer Richtung ausdehnen und aus Steinbänken, Schuttflächen und Sumpfstellen bestehen. In unmittelbarer Verbindung mit den vulkanischen Kräften der Insel stehen die warmen stehenden Gewässer (Laugar) und die heißen sprudelnden Quellen (Hverar), welche sich auf I. in so großer Menge finden wie in wenigen Gegenden der Erde (vielleicht nur noch auf der Nordinsel von Neuseeland und in Nordamerika am obern Yellowstone und Madison River). Die heißen Springquellen werfen Wasserstrahlen aus unter Erschütterung des Bodens, teils beständig, teils intermittierend. Fast alle setzen an ihrer Mündung Massen von Kieselsinter oder Tuff an und bauen sich so die allmählich sich erhöhenden, flach kegelförmigen Hügel, aus deren Mittelpunkt sie hervorbrechen, selbst auf. Die berühmtesten dieser über die ganze Insel verbreiteten Quellen sind die beiden Geiser (s. d.). Außer ihnen und 50 andern heißen Quellen, die sich in der Umgebung derselben finden, lassen sich wohl noch 100 andre aufzählen. Schwefelquellen kommen besonders häufig an der Nordküste vor, Schlammvulkane in Menge um den Mývatnsee.

[Gewässer.] Die Totenstille der isländischen Natur wird in etwas unterbrochen durch die große Anzahl von Bächen und Flüssen, die von den Bergen strömen. Sie sind meist kurz, 110-150 km lang, haben aber eine gewaltige Wassermasse. Mit fürchterlichem Getöse von Fels zu Fels stürzend, bilden sie im fernern Lauf herrliche Wasserfälle und schießen zuletzt einem See oder dem Meer zu, an der Mündung nicht selten breite Förden bildend. Die meisten dieser Gebirgsflüsse führen ein kristallhelles, durchsichtiges Wasser; die von Gletschern kommenden haben ein milchweißes, mitunter auch braungelbes Aussehen. Der bedeutendste Fluß der Insel ist die Thjórsá, die am Arnarfellsjökull entspringt und, westlich am Hekla vorbeifließend, nach 150 km langem Lauf an der Südwestküste mündet. Sonst sind bemerkenswert in der Südhälfte: Hvítá, in seinem untern Lauf Ölfusá genannt, Markarfljót, die berüchtigten Gletscherflüsse Skeidará und die beiden Jökulsá; im nordöstlichen I. Lagarfljót, der sich für eine längere Strecke zu einem bis 1000 m breiten See erweitert; an der Nordseite Jökulsá, Skjálfandafljót, Blanda etc. Unter den Seen Islands (Vatn, Plur. Vötn) sind die größten der Thíngvallavatn und Hvítárvatn im S. und der Mývatn ("Mückensee") im N.; letzterer hat 60 km im Umfang und umschließt 4 Lavainseln.

[Klima.] Das Klima Islands hat entschieden ozeanische Beschaffenheit: kühle Sommer und milde Winter. Reykjavik hat eine jährliche Mitteltemperatur von 5,25° C. (Winter +1,63°, Sommer 10,25°), Akureyri an der Nordküste von 0,58° C. (Winter -6,25°, Sommer 7,5°). Das Maximum im Sommer ist 32° C., das Minimum im Winter -25° C. Auf den Bergen herrscht Polarklima. In der Ebene ist weniger die Kälte unbequem als die Feuchtigkeit, der Nebel und die heftigen Stürme. Die Luft ist fast stets bewegt, eine kleine Kühlte nennen die Isländer schon Windstille. Die Stürme sind oft fürchterlich; sie werfen Menschen und Pferde nieder und peitschen das Meer zu Staubwolken auf, die als feiner Regen auf die über 600 m hohen Felsen niederfallen. In den mit vulkanischem Sand bedeckten Ebenen rast der Mistur, ein Wirbelwind, welcher Nebel und Staub bringt und nicht selten das Leben der Reisenden gefährdet. In Reykjavik sind die herrschenden Winde die aus N. und O.; der jährliche Niederschlag beträgt in Stykkisholm, wo durchschnittlich 217 Regentage beobachtet wurden, 68,1 cm. Der Regen fällt selten in heftigen Güssen, meist als feiner, andauernder Staubregen nieder. Schneefall tritt zu allen Jahreszeiten, zuweilen selbst im Hochsommer auf. Gewitter kom-^[folgende Seite]