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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kamel

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Kamel.

dem Höcker auffallend verlängertem Haar, starken Schwielen aus der Brust, dem Ellbogen, Handgelenk, am Knie und Fersengelenk. Die Farbe wechselt von hell sandgelb bis schwarz. Die Stimme ist ein häßliches Brüllen; von den Sinnen ist das Gehör wohl am besten ausgebildet, viel weniger jedenfalls das Gesicht und am mindesten der Geruch. Das Dromedar findet sich nirgends wild oder verwildert, als Haustier in Afrika, nördlich vom 12.° und in Westasien bis zur Bucharei; es scheint aus Arabien zu stammen, auf den altägyptischen Denkmälern ist es nirgends abgebildet, mindestens aber zur Zeit des neuen Reichs, vom 14. Jahrh. an, war es in Ägypten bekannt und wurde als Lasttier benutzt, auch zum Tanzen abgerichtet. In der Bibel wird es unter dem Namen Gamal oft erwähnt, Hiob hatte deren 6000, auch die Midianiter und Amalekiter waren reich an Kamelen. In Nordafrika aber erscheint es erst im 3. oder 4. Jahrh. unsrer Zeitrechnung. Es ist unstreitig das nützlichste Haustier in Afrika und wird in vielen Rassen gezüchtet; das K. der Wüste und Steppe, das Reittier, ist schlank, hochgewachsen, langbeinig, das Lastkamel der fruchtbaren Ebene plump und schwer. Zwischen beiden zeigt sich ein Unterschied wie zwischen dem edlen Pferd und dem Karrengaul. Stets aber verdankt das K. seine Brauchbarkeit der leiblichen, sehr viel weniger der geistigen Befähigung. In der Wüste erlangt es seine höchste Entwickelung, jenseit des 12.° geht es schnell zu Grunde; es entartet im feuchten Land. In Europa besteht nur in Toscana eine Zucht seit 1622, und auch im Gebiet von San Rossore bei Pisa und in Spanien gedeiht es vortrefflich. Auch in Texas (1858), Bolivia, Cuba (1841) hat man es einzubürgern versucht und mit besonders günstigem Erfolg in Australien. Im N. und O. Afrikas wird es in ungeheurer Anzahl gezüchtet; man findet Herden von mehr als 1000 Stück, die Berbern haben sicherlich mehr als eine Million. Auch im Glücklichen und Steinigen Arabien werden viele Kamele gezogen. Die Araber machen auch Wallachen, um das Tier besser in der Brunstzeit benutzen zu können. Es vermittelt in erster Linie den Verkehr durch die Wüste. Zwischen Kairo und Suez waren vor dem Bau der Eisenbahn täglich 600 Kamele auf dem Marsch. Aber es gehen auch so viele Tiere unterwegs zu Grunde, daß auf der Wüstenstraße meilenweit die Gerippe nebeneinander liegen. Das K. ist ungemein genügsam und nimmt mit den dürrsten, schlechtesten Pflanzenstoffen vorlieb; es bevorzugt Baumlaub, frißt ohne Schaden die dornenreichsten Mimosen und wird auch mit Bohnen, Erbsen, Durra, Gerste etc. gefüttert; bei saftiger Pflanzennahrung kann es wochenlang das Wasser entbehren, zur Zeit der Dürre aber muß es fleißig getränkt werden und mindestens alle vier Tage 30-40 Stunden ruhen. Früher deutete man die großen zellenartigen Räume am Pansen irrtümlich als Wasserzellen und benutzte sie zur Erklärung des (ungeheuer übertriebenen) Vermögens der Kamele, längere Zeit zu dursten. Daß man Kamele in der Not bisweilen schlachtet, um das in jenen Zellen befindliche Wasser zu trinken, ist eine Fabel. Die Kamele haben einen scheinbar sehr schwerfälligen Gang; aber Lastkamele legen in einem Tag 8, gute Reitkamele 40 Meilen zurück, und man kann mit einem einzigen Tier in 10 Tagen 400 Meilen durchreisen, wobei der Reiter viel weniger ermüdet als auf irgend einem andern Reittier. Bei Wüstenreisen wird ein K. mit höchstens 150 kg beladen; in Ägypten muß es viel mehr tragen, doch verbot die Regierung eine stärkere Belastung als mit 250 kg. Der Trab, welchen das Tier vortrefflich verträgt, ist die beste Gangart für den Reiter, welcher bei der Paßbewegung unbarmherzig hin- und hergeschleudert und beim Galopp, wenn er nicht sehr sattelfest ist, sofort abgeworfen wird. Im Gebirge ist das K. wenig zu brauchen, und im Wasser benimmt es sich sehr ungeschickt. Große Untugenden des Kamels sind seine Störrigkeit, die es besonders beim Beladenwerden zeigt, und seine Feigheit. Wirklich gefährlich durch Beißen und Schlagen wird das männliche K. in der Brunstzeit. Sein Gebaren ist dann höchst abschreckend, indem es die widerwärtigsten Töne ausstößt und beim Anblick eines andern Kamels, besonders eines weiblichen, eine große, ekelhaft aussehende Hautblase, den sogen. Brüllsack, aus dem Hals heraustreibt. Dieser Brüllsack ist ein nur dem erwachsenen K. eigentümliches Organ und wird als ein zweites vorderes Gaumensegel angesehen. Die erwähnten Drüsen am Hals verbreiten dabei einen sehr übeln Geruch. Ein Hengst genügt für 6-8 Stuten. Nach 11-13 Monaten wirft die Stute ein Junges, welches mit ziemlich langem und dichtem, weichem, wolligem Haar bedeckt und etwa 80 cm, nach Verlauf einer Woche aber schon ca. 1 m hoch ist. Es wird vom dritten Jahr an zum Reiten und zum Lasttragen abgerichtet und mit dem Ende des vierten Jahrs zu größern Reisen benutzt. Eigentümlich ist die Sattelung und Zäumung der Kamele. Der Reitsattel ruht auf einem festen Gestell und besteht aus einem muldenförmigen Sitz, welcher auf den Höcker gesetzt wird und sich etwa 30 cm über denselben erhebt. Das Untergestell ist mit vier Kissenpolstern belegt, die zu beiden Seiten des Höckers aufliegen, welch letzterer möglichst wenig gedrückt wird. Der Sattel wird mittels drei starker Gurte, von denen zwei um den Bauch und ein dritter um den Vorderhals gehen, festgeschnallt; vorn und hinten steigen zwei Knöpfe auf, welche zum Aufhängen der nötigen Reiseutensilien dienen. Der Zaum besteht aus einem geflochtenen Lederstrick, welcher halfterartig um Kopf und Schnauze des Tiers geschlungen wird und beim Anziehen das Maul zusammenschnürt; die Reitkamele führen noch einen Beizügel, d. h. eine dünne Lederschnur, welche in dem einen durchbohrten Nasenflügel befestigt wird. Zum Beladen dient ein einfaches Holzgestell, auf welchem die Laststücke im Gleichgewicht hängen. Das Fleisch des Kamels ist hart und zäh und wenig geschätzt, das Fell liefert ein nicht sehr haltbares Leder. Die Milch findet wenig Verwendung, da sie zu dick und fettig ist. Dagegen wird der Mist als Brennstoff gebraucht und zu diesem Behuf aufgespeichert. Über das Kamelhaar s. d. Das zweihöckerige K. oder Trampeltier (baktrisches K., C. bactrianus Erxl., s. Tafel) ist unzweifelhaft noch viel häßlicher als das Dromedar. Die Behaarung ist weit reichlicher als bei jenem, die Färbung dunkler, gewöhnlich tiefbraun, im Sommer rötlich. Die Körpermasse ist größer als die des Dromedars, die Beine aber sind weit niedriger. Die Höhe des Tiers beträgt 2 m und darüber. Der eine Höcker erhebt sich über dem Widerrist, der andre vor der Kreuzgegend. Wilde, vielleicht nur verwilderte Trampeltiere leben im Gebiet der Tunguten zwischen dem Lop-Nor und Tibet. In allen Steppenländern Mittelasiens wird es gezüchtet und dient besonders zur Vermittelung des Warenhandels zwischen China, Südsibirien und Turkistan. Wo die Steppe Wüstengepräge annimmt, wird es durch das Dromedar ersetzt. Was letzteres den Arabern, ist das Trampeltier den Mongolen. Man züchtet es ebenfalls in mehreren Rassen, doch