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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kaukasien

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Kaukasien (Bewässerung, Klima, Naturprodukte).

welche in beschränkter Ausdehnung in der untern Thalstufe des Aras und Kur sowie am Ufer des Kaspischen Meers in den Umgebungen von Baku vorkommen. Auf den armenischen Hochsteppen wachsen viele Pflanzenarten der kaspisch-pontischen schwarzerdigen Steppe; infolge niedriger Dorngewächse, holziger Astragalusarten erhalten sie aber den Charakter der Öden.

Das Wassersystem hat im Großen und Kleinen Kaukasus einen verschiedenen Charakter. Größere Süßwasserflächen fehlen ersterm; Alpenseen findet man erst südlich von Tiflis im armenischen Hochland. Der größte ist der in 1931 m Höhe gelegene Göktscha- oder Sewangasee mit einem Areal von 1393 qkm oder 25,3 QM. Westlich vom Ararat liegt in 2237 m Höhe der Balyksee. Im Großen Kaukasus stürzen die Bäche tosend die steilen Thäler hinab, Gerölle im Übermaß mit sich führend und sich tief in den Schluchten einwaschend; erst am Fuß der Gebirge nehmen sie einen langsamern Lauf an. Im armenischen Hochland dagegen bewegt sich das Quellwasser der mächtigsten Flüsse anfangs in mäßig gesenkten Mulden, verteilt sich in zahllose, sich gelegentlich wieder vereinigende Arme und schleicht mehr oder weniger träge bis an das Randgebirge, durchreißt dieses mit großer Kraft und tritt dann mit geregeltem Lauf in die mittlere Thalstufe seiner Bahn. Die Zahl der Flüsse ist bedeutend: gegen N. der Kuban, längs des Nordabhanges des Gebirges zum Schwarzen, der Terek zum Kaspischen Meer fließend; beide zwischen dem Elbrus und Kasbek entspringend; in das Kaspische Meer ergießen sich ferner die die Salzseen Stawropols durchfließende Kuma, der aus mehreren Quellflüssen sich vereinigende Koisu oder Sulak, der reißende Samur, während dem Schwarzen Meer weiterhin der Ingur und der Rion (vom Großen Kaukasus), der Tschoruch (aus Armenien kommend) zueilen. In dem östlichen Teil entspringende Flüsse (Masan, Maschigan etc.) fließen in den vom armenischen Hochland kommenden und sich in das Kaspische Meer ergießenden Kur, welcher in seinem Unterlauf den Grenzfluß Aras aufnimmt.

[Klima, Naturprodukte.] Zwischen 44 und 46° nördl. Br. beträgt für den zentralen Teil des Landes die mittlere Jahrestemperatur 8,8-10° C., die durchschnittliche Regenmenge im Jahr 127 mm. Mosdok bei 184 m Höhe hat 9°, Wladikawkas (715 m) 8,4° und 584 mm Regenniederschläge, die Poststation Gudaur am Südabhang des Gebirges (2392 m) 4,0° und 131-174 mm Regenniederschläge, Tiflis (460 m) 12,8° und 453 mm Regenniederschläge. Im Gebiet des Kleinen Kaukasus sind ermittelt für Schuscha (1122 m) 9,0°, Alexandropol (1549 m) 5,8° mittlere Jahrestemperatur und 424 mm Regen. Der Osten und Westen weicht von diesen Mitteln hauptsächlich hinsichtlich der Regenmenge ah. Im Gebiet der unorganischen Welt sind die Heilquellen berühmt, deren Zahl sich auf mehr als 100 beläuft, so die warmen Schwefel- und Eisenquellen mit Temperaturen von 12,5-43° C. in der Umgegend von Pjätigorsk, die heißen Quellen von Abastuman bei Achalzych und die heißen Thermen am mittlern Terek, westlich von Grosnaja, mit Temperaturen von 32,5-69° C. Räumlich überaus groß (fast 34,000 qkm) sind die Striche, denen brennende Gase und Naphtha entquellen; sie liegen im W. auf der Halbinsel Taman, im NO. südlich des mittlern Terek, im O. am Kaspischen Meer um Baku. 1870 belief sich die Produktion auf 1,704,555 Pud schwarze und 2000 Pud weiße Naphtha. Als Hauptlager von Steinkohlen sind folgende bekannt: Takuribul unweit Kutaïs, Humarud am Kuban, bei Grosnaja am Terek, im Engpaß Kana-Syrya oberhalb Derbent, bei Achalzych etc. Die Gesamtausbeute betrug 1872 nur 4,5 Mill. Ztr. Steinkohlen und 0,8 Mill. Ztr. Lignit. Steinsalz wird gewonnen zu Kulpi im W. von Eriwan 1,136,000 Pud und bei Nachitschewan 270,000 Pud jährlich. Salzseen werden ausgebeutet in den Gouvernements Stawropol, Baku und im Kubangebiet. Produktion von Schwefel findet zur Zeit in K. noch nicht statt, wird aber später wichtig werden; insbesondere führen Daghestan und Eriwan Gesteine mit ergiebigen Schwefelgängen. An Kupfer lieferten sämtliche Hütten (1870: 10) 1,25 Mill. Ztr. Die Produktion von Eisen ist noch sehr gering; die größten Lager sind im SW. von Tiflis-Alagir in Ossetien, westlich von Wladikawkas. Am Nordabhang des Großen Kaukasus ist ein Silberbergwerk, das wegen seiner gleichzeitigen Bleiausbeute immer mehr an Bedeutung gewinnt, wenn auch sein Silberertrag 1871 nur 6,2 Ztr. betrug. Gold wird aus Goldwäschen gewonnen; der Ertrag ist nicht bedeutend.

In Bezug auf die Vegetation kann man folgende Zonen unterscheiden: 1) eine subtropische, von der Meeresoberfläche bis zur gewöhnlichen Grenze des Weinstocks, 1000 m. Sie charakterisiert sich durch sehr üppiges Wachstum und eine große Mannigfaltigkeit der Gewächse; die wichtigsten sind: Baumwolle, Reis, Weinstock, Krapp, Indigo. 2) Die Gartenzone, von 1000-1500 m, charakterisiert durch ein noch gemäßigtes Klima und zum Gartenbau geeignet; es werden Hirse, Weizen und Öl gebende Pflanzen gebaut. 3) Die Getreide- und Waldzone, von 1500-2100 m bis zur Grenze des Getreidebaues, oder bis 2200 m, der Waldgrenze, charakterisiert durch ein kühles Klima und durch den Bau von Gerste, Hafer, Roggen und Sommerweizen sowie durch den Reichtum an Wald am Südabhang des Gebirges. Der Nordabhang ist kahl; im pontischen Gebiet sind Laubwaldungen vorherrschend, ebenso am Nordabhang des Kleinen Kaukasus, während am Südabhang der Wald fehlt. Zusammenhängende Wälder gehen über diese Zone nicht hinaus, wenn auch einzelne Bäume, wie die Kiefer (Pinus silvestris) und Birke, an einzelnen Stellen noch in einer Höhe von 2600, ja 2700 m vorkommen. Dasselbe gilt von der Getreidekultur und von den Wohnstätten der Menschen. In Daghestan liegen an zehn Dörfer über dieser Zone, und zwei davon, Kurusch und ein Ausbau von dem Dorf Chinalug, liegen in einer Höhe von 2546 m, während in einem ossetischen Dorf Kabota noch Gerste in einer Höhe von 2470 m gebaut wird. 4) Die Zone der Alpenwiesen, von 2200 m bis zur Grenze des ewigen Schnees, 3230 m; bei 2590 m Höhe hören gewöhnlich die letzten Spuren von Krüppelholz auf, bei 2740 m finden auch die Alpensträucher, wie z. B. Rhododendron caucasicum, ihre Grenze. Mit der Schneelinie fällt die Grenze der Alpengräser zusammen, obwohl auch solche noch jenseit derselben vorkommen, wo der Schnee nicht hält und die Sonne wärmt.

Die Tierwelt ist überaus reich an Arten. Der Wildstand zeigt noch geringe Abnahme. Im Hochgebirge hausen Steinböcke, Gemsen, Bären, Füchse, Adler, Riesen- und Alpenhühner; in den Steppen Wölfe und kleines Wild, worunter der Springhase am bemerkenswertesten; im S. Panther, Tiger, große Hirsche und Füchse von verschiedener Farbe, Schweine, Pelikane, Tauchenten u. a.; in den Wäldern Bären, Marder und im Quellland des Kuban