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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kordilleren

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Kordilleren (in Mittelamerika und Mexiko).

ren als die Alpen. Braune, graue, gelbliche Mittelfarben sind über das Gebirge überall verbreitet, wo nicht der ewige Schnee weite, horizontal scheinende Ebenen bildet. Grell leuchtet hier und da der hochrote Porphyr von den halb zerstörten Jochen, und die engen, dunkeln Schluchten sind hoch mit seinen Trümmern überschüttet und bieten nur verkümmerte Sträucher oder vereinzelte Pflanzen dar." Die niedern Abhänge der K. sind mit der gewöhnlichen tropischen Vegetation bekleidet. In der Region der Paßhöhen treten Eichen und Nadelhölzer, von der Wachspalme begleitet und überragt, auf. Auf den nebligen, täglich von Hagel und Schneegestöber heimgesuchten Paramos tränkt der häufige Niederschlag wohlthätig die Bergpflanzen. Die Bäume, meist großblätterige Lorbeerbäume und myrtenblätterige Alpensträucher, sind niedrig, schirmartig ausgebreitet, aber mit immergrünem, frischem Laub an ihren Zweigen geschmückt. Bis 4500 m werden noch mehrere Phanerogamen gefunden, Saxifragen kommen noch im ewigen Schnee auf Felsblöcken vor. Ein Bild des Tierlebens in den hohen Regionen der K. lassen wir einen andern Reisenden entwerfen: "Längst haben wir jegliche Vegetation unter uns gelassen, und nur selten ist uns der belebende Anblick geworden, eine Herde scheuer Vicuñas und der verwandten Lamas, Alpakos oder Guanakos in der Ferne an uns vorüberjagen zu sehen. Hier und da taucht die friedliche Gestalt eines Andeshirsches vor uns auf, während um die Felsenspalten die kaninchenartigen Chinchillas spielen oder der schlanke Atok, der Fuchs der K., umherschleicht, um sich eins der schmackhaften Rebhühner dieser Höhen zum Frühstück zu holen. Irgend ein auf diese Höhen verirrter Kuguar sucht sich seinen Braten unter den Rehen oder Vicuñas. Der weißschnäuzige Gukumari, der Bär der Andes, ist ihm gefolgt, und um das wunderbar großartige Tierleben dieser sonst so pflanzen- und menschenleeren Höhen voll zu machen, umschwärmen neben raubsüchtigen Falken, scheuen Wasservögeln der Andesseen und andern beflügelten Verwandten zahlreiche Pitos, braun gesprenkelte Spechte mit gelbem Bauch, in großen Scharen die Felsen der Hochebenen, wo kaum noch ein Insekt seinen Reigen im Sonnenstrahl tanzt. Über dem Ganzen aber beschreibt majestätisch in zierlichen Spiralen seine Kreise der Kondor."

2) Die mittelamerikanischen K. erstrecken sich von der Senke bei Panama bis zur Landenge von Tehuantepec, wo eine neue Einsenkung von nur 209 m die Grenze gegen das Hochland von Mexiko bildet, in einer Länge von 1500 km bei einer mittlern Breite von 120-125 km und einer mittlern Kammhöhe von kaum 2000 m, über welche die höchsten Gipfel bis gegen 4500 m emporsteigen. Wiewohl das Gebirgssystem durch die Querspalte des San Juanthals an der Grenze von Costarica und Nikaragua (s. Nicaraguasee) in zwei getrennte Glieder geteilt ist, so sind diese doch ihrer Bildung nach als zusammengehörig zu betrachten. Die Richtung der Kammlinie geht vorherrschend von SO. nach NW., nähert sich aber an einigen Stellen, wie in Veragua, San Salvador und Guatemala, der Richtung der Parallelkreise um 10-15 Grad. Im Gebiet von Costarica verlaufen die mittelamerikanischen K. mit beiderseits gleichmäßigem Abfall ziemlich in der Mitte des Landes, weshalb auch die hydrographischen Verhältnisse nach beiden Meeresküsten hin fast die gleichen sind. Weiter im NW. aber, in Nicaragua, San Salvador und Guatemala, treten die Ketten näher an die Südwestküste heran, von der sie sich steil und schroff erheben, während ihnen auf der Nordostseite weite, von transversalen Höhenzügen überragte Plateaulandschaften anlagern, welche zu jener auffallenden, tief in das Antillenmeer hineinragenden nordöstlichen Dreiecksbildung von Honduras und Yucatan wesentlich beitragen. An den Küsten gehen diese Plateaus allmählich in Tiefebenen und endlich in sumpfige, fieberschwangere Niederungen über. Die Stufenform, welche Mannigfaltigkeit der Klimate und Produkte bedingt, ist diesem Gebirgssystem in ausgezeichnetem Grad eigen; namentlich erscheint sie in besonderer Mannigfaltigkeit an den südwestlichen Terrassen und Plateaus von San Salvador und Guatemala. Wie die südamerikanischen K. sind auch diejenigen Mittelamerikas von Paßscharten wenig durchschnitten. Einer der wichtigsten Pässe ist derjenige, welcher von der Fonsecabai in 853 m Höhe nach dem Quellgebiet des Rio Ulua in Honduras hinüberführt. Als wichtige Glieder des Gebirgsbaues treten auch in den mittelamerikanischen K. thätige und erloschene Vulkane auf; doch bilden sie nicht, wie in Südamerika, eine Doppelreihe auf den Hauptketten des Gebirges, sondern erheben sich meist am Südwestrand oder an den Vorstufen der Kordillere (vgl. Amerika, geologische Übersicht). Als Scheide für Klima, Flora und Fauna steht das mittelamerikanische Gebirgssystem zwischen den südamerikanischen Andes und der Isthmuskordillere von Darien in der Mitte, insofern hier die klimatischen Kontraste weniger schroff sind und auch der Wanderung der Organismen keine so unübersteigliche Schranke entgegensteht wie in jenen, doch aber die Artenverbreitung bei weitem nicht so erleichtert wird, als es in Panama durch die geringe Kammhöhe der Kordillere geschieht.

3) Das mexikanische Gebirgssystem erstreckt sich zwischen 16 und 33° nördl. Br. in einer Länge von 2000 km bei einer mittlern Breite von 630 km (875 km in ca. 25° nördl. Br., aber 237 km zwischen 16-18° nördl. Br.) und einer mittlern Erhebung des Massengebirges von 2200 m, über welche die höchsten Gipfel, der Citlaltepetl oder Pic von Orizaba am Ostrand zu 5450 m, der Popocatepetl zu 5422 m und neben ihm der Iztaccihuatl zu 4785 m, ansteigen. Von der Kordillere Guatemalas ist es durch die schon erwähnte Einsenkung der Landenge von Tehuantepec getrennt, wo der Kettenbau der Kordillere unterbrochen und durch trachytische und doleritische Hügelgruppen ersetzt ist. Die allgemeine Erhebungsachse nähert sich hier durchschnittlich um 10-15° mehr der Meridionalrichtung als in Mittelamerika. Was aber dieses Gebirgssystem vor allen übrigen Gebirgen Amerikas, ja der ganzen Erde voraus hat, das sind die ausgedehnten Plateaubildungen und das Zurücktreten hoher Randketten. Statt eines mannigfach gegliederten Kettengebirges, wie in Südamerika, tritt in Mexiko ein hohes und breites, fast ungeteiltes Massengebirge in der Gestalt eines großartigen Hochlandes auf, welches fast den ganzen Raum zwischen dem Mexikanischen Golf und dem Stillen Ozean einnimmt und als der breite, wellenartig gegliederte Rücken des Gebirges selbst anzusehen ist. Zwischen den einzelnen Plateaus erheben sich nur niedrige Landrücken von 160-200 m Höhe, und es sind hier weder die schroff abfallenden Randketten der südamerikanischen Andes noch deren hohe und steile Querjoche zu finden. Es gilt dies namentlich von dem südamerikanischen Hochland, dem Plateau von Anahuac, während weiter im N. sich deutlichere Randgebirge einstellen und die Sierra Madre, ein Komplex lose aneinander gereihter Landrücken, das Hochland im Innern durch-^[folgende Seite]