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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Leder

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Leder (Schnellgerberei, Appretieren, Lackleder, Weißgerberei).

man die Häute mit frischer Lohe in die zweite Grube, in welcher sie 3-4 Monate bleiben, dann abermals mit frischer, aber weniger Lohe in die dritte und nach weitern 4-5 Monaten in eine vierte, starke Wildhäute selbst noch in eine fünfte Grube, so daß derartige L. erst nach zwei Jahren und länger gar werden. Sie zeigen dann beim Durchschneiden mit einem scharfen Messer eine gleichförmige, von fleischigen oder hornartigen Streifen freie Fläche. Sohlleder, welches mit Weißbeize geschwellt und mit Knoppern oder Valonen gegerbt wurde, heißt Pfundleder. Zur Darstellung von Brandsohlleder (Halbsohlleder, Terzen) bringt man die durch Kalken enthaarten und gereinigten Blößen in immer stärkere Lohbrühen (Farben), welche neben Essig- und Milchsäure reichlich Gerbsäure enthalten, und behandelt die Häute dann in den Gruben wie das übrige Sohlleder.

Bei der Schnellgerberei werden die meist durch Kälken enthaarten Häute gereinigt, dann entweder gar nicht oder mit verdünnter Schwefelsäure geschwellt und zuerst in schwächere, dann in konzentrierte Lohbrühe gebracht. In 3-4 Monaten sind die Häute völlig durchgegerbt. Diese englisch-amerikanische Methode liefert billigere, aber auch losere, schwammigere Ware als das alte Verfahren. Man benutzt bei der Schnellgerberei Vorrichtungen, um die Häute in der Brühe oder zugleich die Häute und die Brühe in Bewegung zu setzen; man preßt die eingetauchten Häute wiederholt zwischen Walzen, damit sie immer von neuem frische Gerbbrühe aufnehmen, oder man bringt die Häute in verschlossene Behälter, macht diese luftleer und läßt die Lohbrühe eintreten. Nach mehreren Stunden wird die Brühe abgelassen, der Apparat wieder luftleer gemacht, mit stärkerer Brühe gefüllt etc. Auch unter erhöhtem Druck wird die Schnellgerberei ausgeführt, und zur Unterstützung des Prozesses wurden Chemikalien, wie Säuren, Soda, Borax, Ammoniaksalze, Kupfer- und Chromsalze, empfohlen.

Das gare Sohlleder wird mit dem Stoßeisen bearbeitet, getrocknet, komprimiert und geglättet. Man benutzt dazu Hammer- und Walzwerke oder eine an einem federnden Pendel hängende, stoßweise wirkende Walze. 100 kg rohe Haut liefern 45-50 kg Sohlleder; da dieses aber nach dem Gewicht verkauft wird, so wird es nicht selten mit Chlorbaryum, schwefelsaurer Magnesia, Stärkezucker etc. beschwert. Zur Darstellung von Oberleder werden die eingeweichten, mit Streckeisen und Kurbelwalke bearbeiteten Häute mit Kalk enthaart, gewaschen, auf der Fleischseite gereinigt, auf der Narbenseite geglättet, in eine Mistbeize oder direkt in die Kurbelwalke gebracht und auf beiden Seiten mit dem Streicheisen behandelt. Die so weit vorbereiteten Blößen bringt man in mehrere Farben mit successive steigendem Gerbstoffgehalt und gerbt sie dann in der Grube. Stärkere Kuhhäute werden vor dem Gerben gespalten, wobei man eine Haut mit Narben und einen Fleischteil (Spalte) erhält, der zu untergeordneten Zwecken benutzbar ist. Das gare L. wird gewaschen, auf der Fleischseite mit dem Stoßeisen ausgestoßen, auf der Narbenseite geglättet, getrocknet oder gepreßt, auf der Narbenseite mit Fischthran leicht eingerieben, nach 24 Stunden auf der Fleischseite mit einer Mischung aus Talg und Thran oder anderm Fett bestrichen, zusammengerollt, gewalkt, getrocknet, in warmes Wasser eingeweicht, auf der Fleischseite nachgeschmiert und getrocknet. Zur weitern Appretur reinigt man das L. auf der Fleischseite mit dem Falz- oder Dolliermesser von Knoten, Fasern etc. (Dollieren), verdünnt alle zu starken Stellen mit dem Schlichtmond, erzeugt mit dem gekerbten Krispelholz Milde und Weichheit und gibt damit auch der Narbe ein gefälligeres Aussehen. Schließlich bearbeitet man das L. mit dem Pantoffelholz, welches auf der untern Seite mit glattem Korkholz belegt ist, bestreicht auch wohl die Fleischseite mit einer Schmiere aus Seifenlösung und Talg, trocknet und glänzt sie durch Behandeln mit geschliffenem Glas. Nach dieser Methode erhält man das braune Oberleder (Schmal-, Fahlleder), welches aus Kalbfellen, Kipsen und Kuhhäuten dargestellt wird. Die Fabrikation des schwarzen Oberleders, des schwarz gewichsten Kalbleders und des Roßoberleders weicht dagegen in manchen Punkten ab. Ersteres wird mit Blauholzabkochung und etwas Soda grundiert, dann mit Eisensalzlösung bestrichen, nach dem Schwärzen auf der Narbenseite mit Fischthran eingerieben etc. Die Wichsfelle werden nach der ersten Appretur gefettet, auf der Narbenseite zuerst mit einer Mischung aus Ruß und Fett geschwärzt und schließlich mit einer Mischung aus Leim und Fett behandelt. In neuerer Zeit hat die Gerberei durch Einführung von Maschinen für die Appretur des Leders die wesentlichsten Fortschritte gemacht. Man benutzt Lederspaltmaschinen, um stärkere Ledersorten in zwei dünnere Blätter zu teilen, zur Bearbeitung der Narbenseite Lederausstoßmaschinen und Lederglättmaschinen, zur Bearbeitung der Treibriemen Lederhobelmaschinen etc. Wird das feuchte L. gefettet und dann der Luft ausgesetzt, so verschwindet das Fett für die Wahrnehmung vollständig, wie bei der Sämischgerberei (s. unten); derartig eingefettetes L. ist gewissermaßen zweimal gegerbt, es ist lohgar und zugleich sämischgar. L., welche nicht der Feuchtigkeit ausgesetzt werden, tränkt man auch mit Glycerin, welches niemals trocknet und das L. stets geschmeidig erhält. Die Farbe des Leders hängt vom Gerbmaterial und von dem Gerbverfahren ab. Alte Lohe gibt dunkles, Ellernrinde schmutzigbraunes, Weidenrinde, Sumach, Fichtenrinde, Knoppern, Dividivi geben helleres L. Dunkle L. kann man durch Behandlung mit sehr verdünnter Salz- oder Schwefelsäure oder mit saurer Milch etwas heller machen, doch nicht ohne Beeinträchtigung ihrer Güte. Das Lackleder (Glanzleder) wird aus lohgarem Kalb-, Ziegen- und Kuhleder hergestellt, indem man dasselbe entsprechend vorbereitet, wenn es recht geschmeidig werden soll, häufig spaltet und dann mit einem Grund aus Kienruß und Umbra versieht, der an der Luft, dann im Lackierofen getrocknet und mit Bimsstein abgeschliffen wird. Nachdem diese Operationen einigemal wiederholt sind, streicht man das L. mit einem eigentümlichen Lackfirnis (Blaulack, mit Berliner Blau bereitet), der eine schwarze Farbe enthält. In stark geheizten Räumen wird dieser Lack dünnflüssig, breitet sich auf dem horizontal liegenden L. gleichmäßig aus und trocknet unter Erzeugung einer spiegelblanken Oberfläche. Kalbfelle, welche auf der Fleischseite lackiert werden, sind nun fertig, während auf der Narbenseite lackierte Kuhleder zuletzt auf einer erwärmten Steintafel aufgekraust werden. Farbige Lackleder werden mit farbigen, aber dünnflüssigen Lacken bei minder hoher Temperatur hergestellt. Seitdem es gelungen ist, einen sehr biegsamen, geschmeidigen, nicht brechenden Lack zu bereiten, hat das Lackleder viel ausgedehntere Verwendung gefunden.

[Weißgerberei.] Die Alaun- oder Weißgerberei verarbeitet Häute von der schwersten Büffelhaut bis zum