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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mainz

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Mainz (Erzstift).

drängte Lage, bis ihr der Hof eine Pension von 2000 Livres aussetzte. 1669 übernahm sie die Pflege und Aufsicht über die beiden Kinder der Marquise von Montespan von Ludwig XIV. Als der König in der Folge diese Kinder öffentlich anerkannte und an den Hof kommen ließ, erschien auch ihre Erzieherin daselbst. Nicht mehr schön, aber vorsichtig und kühl, flößte sie durch ihr würdevolles und anmutiges Benehmen und ihren Geist dem König ein ungewöhnliches Interesse ein, und es gelang ihr, die Montespan aus seiner Gunst zu verdrängen. 1674 kaufte sie von den reichen Geldgeschenken des Königs die zum Marquisat erhobene Besitzung Maintenon im Westen von Paris. Seit 1680 war sie die erklärte Freundin Ludwigs XIV. Dabei suchte sie des Königs religiöses Gefühl zu erwecken, um in ihm Gewissensbisse über das unerlaubte Verhältnis zu ihr zu erregen, und erreichte wirklich, daß sich Ludwig nach dem Tode der Königin Maria Theresia 1685 in der Stille mit ihr trauen ließ. Bei allem Schein zurückgezogener Bescheidenheit hatte sie doch fortan auf den Gang der Staatsangelegenheiten den bedeutendsten Einfluß; sie leitete die Geschäfte, verteilte die Ämter und bewilligte Auszeichnungen und Gnadengeschenke. Nur auf die auswärtigen Angelegenheiten verstattete ihr Colbert keinen Einfluß. Nach Ludwigs Tod (1715) zog sie sich in die Abtei St.-Cyr zurück, wo sie schon 1685 eine Erziehungsanstalt für 300 Töchter armer Edelleute gestiftet hatte, und starb daselbst 15. April 1719. Die unter ihrem Namen erschienenen "Mémoires" (Amsterd. 1755, 6 Bde.) sind ein Machwerk Beaumelles; ihre Werke, unter denen ihre Briefe (von denen die M. freilich die wichtigsten, namentlich die Korrespondenz mit Ludwig XIV., vernichtet hat) durch die Eleganz des Stils bemerkenswert sind, wurden herausgegeben von Lavallée (Par. 1854-66, 10 Bde.). Vgl. Duc de Noailles, Histoire de Madame de M. (Par. 1848-58, 4 Bde.); Lavallée, Madame de M. et la maison royale de St.-Cyr (2. Aufl., das. 1876); Geffroy, Madame de M. d'après sa correspondance (das. 1887, 2 Bde.); Bennett, Madame de M. (Lond. 1881); Döllinger in der "Allgemeinen Zeitung" 1886, Nr. 185-194.

Mainz, ehemaliges deutsches Erzstift und Kurfürstentum, im nieder- oder kurrheinischen Kreis, am Rhein und Main zwischen der Wetterau, Franken, der Grafschaft Sponheim und Württemberg gelegen, soll nach der Legende von einem Schüler des Apostels Paulus, Crescens, gegründet sein, der um 82 unter der in Mainz stehenden 22. Legion das Christentum gepredigt habe und daselbst den Märtyrertod gestorben sei. Die Verzeichnisse seiner Nachfolger auf dem Bischofsstuhl bis ins 6. Jahrh. sind ein Machwerk späterer Zeit. Bonifacius, schon 732 Metropolit von Germanien, erhielt mit päpstlicher Zustimmung 747 den Mainzer Stuhl als Erzbistum und zu Suffraganen die Bischöfe zu Tongern (nachher Lüttich), Köln, Worms, Speier, Utrecht, Würzburg, Eichstätt, Buraburg (bei Fritzlar), Erfurt, Straßburg und Konstanz. 753 übergab er das Erzbistum seinem Schüler Lullus, der viele Kirchen und Klöster stiftete. Unter seinen Nachfolgern waren die berühmtesten: Hrabanus Maurus (847-856); Hatto I. (891-913), der eine große Rolle in der Geschichte des Deutschen Reichs unter Ludwig dem Kind und Konrad I. spielte; der durch die Sage vom Mäuseturm berüchtigte Hatto II. (968-970); Willigis (975-1011), der vom Papst das Pallium nebst dem Vorrecht erhielt, auf allen deutschen und französischen Konzilen zu präsidieren und den deutschen König zu krönen; Gerhard II. von Eppenstein (1289-1305), der 1294 vom Grafen Heinrich von Gleichen das obere Eichsfeld erwarb, sich durch die Concordata Gerhardi um die Herstellung der Ordnung im Reich sehr verdient machte und aufs neue den Titel eines Erzkanzlers von Deutschland sowie 1298 den ersten Rang im Reich für sich und seine Nachfolger zugesprochen erhielt; Heinrich von Virneburg, seit 1328, der in dem Erzbischof Balduin von Trier vom Kapitel einen Gegenbischof entgegengestellt erhielt und erst 1336 allgemein anerkannt, 1346 wegen seiner Parteinahme für Kaiser Ludwig den Bayer vom Papst abgesetzt ward, aber sich gleichwohl im Erzbistum bis an seinen Tod (1353) behauptete. Zu seiner Zeit umfaßte dasselbe 14 Bistümer, nämlich außer den 6 frühern (Konstanz, Eichstätt, Speier, Straßburg, Worms und Würzburg) Augsburg, Chur, Halberstadt, Hildesheim, Olmütz, Paderborn, Prag und Verden. 1343 verlor M. die Metropolitangewalt über Prag und Olmütz und verzichtete auf das Recht, den König von Böhmen zu krönen. Zwischen Ludwig von Meißen, der 1373 vom Papst und Kaiser eingesetzt, und Adolf I. von Nassau, Bischof von Speier, der vom Kapitel gewählt worden war und in Erfurt residierte, kam es zum Krieg, der 1381 durch einen Vergleich beendigt ward, nach welchem Adolf Erzbischof in M. blieb, Ludwig aber das Erzbistum Magdeburg mit dem Titel eines Erzbischofs von M. erhielt. Die Streitigkeiten der Mainzer mit dem Erzbischof Konrad III. über die von diesem beanspruchte Befreiung der Geistlichen von den städtischen Steuern wurden erst 1435 durch Dietrich, Schenk von Erbach, beigelegt und unter Vermittelung des Baseler Konzils die sogen. Pfaffenrachtung vereinbart. Dietrichs Nachfolger Dietrich II., Graf von Isenburg, wurde, da er die von 10,000 auf 21,600 Gulden erhöhten Annaten nicht bezahlen wollte, vom Papst abgesetzt und an seiner Stelle Adolf II. von Nassau zum Erzbischof ernannt. Dies gab Veranlassung zu einem für das Erzstift verderblichen Krieg, der endlich 1463 durch einen Vergleich geschlichtet wurde, nach welchem Dietrich der Verwaltung des verarmten Erzstifts entsagte. Nach Adolfs II. Tod (1475) wieder zum Erzbischof ernannt, eröffnete Dietrich II. 1477 die unter dem 23. Nov. 1476 von Papst Sixtus IV. errichtete Universität zu Mainz. Albrecht II. von Brandenburg (als Erzbischof von Magdeburg Albrecht IV.), 1514-45, ein eifriger Katholik, mußte dennoch 1530 den Evangelischen einige Kirchen in M. einräumen; dafür nahm er 1542 die Jesuiten in sein Stift auf. Unter Sebastian von Heussenstamm (1545-55) fand 1549 die letzte Provinzialsynode statt. Unter Johann Schweikard von Kronenberg (1604-26) begannen die Drangsale des Dreißigjährigen Kriegs das Erzstift heimzusuchen; besonders hausten hier Mansfeld und Christian von Braunschweig. Gustav Adolf von Schweden besetzte 1631 während der Regierung Anselm Kasimirs von Umstatt das Erzstift, und die Schweden behielten es bis 1636. Von 1643 bis 1648 war es in den Händen der Franzosen, während welcher Zeit der Erzbischof in Köln lebte. Im Westfälischen Frieden unter Johann Philipp von Schönborn (1647-73) gingen durch Säkularisation die Bistümer Verden und Halberstadt verloren, dagegen wurde 1667 Erfurt wiedergewonnen.

Das Erzstift umfaßte zur Zeit des Lüneviller Friedens die Bistümer Worms, Speier, Straßburg, Konstanz, Augsburg, Chur, Würzburg, Eichstätt, Paderborn, Hildesheim und die neugebildeten Korvei und Fulda und besaß ein eignes Gebiet von 8260 qkm mit