Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Malerei

156

Malerei (neuer Aufschwung im 19. Jahrhundert).

Antike, beginnt mit Carstens (1754-98) in Deutschland und mit David (1748-1825) in Frankreich. Der erstere war der unbeugsame Vertreter einer neuen Richtung, welche an der Großartigkeit der Antike und des Cinquecento sich gebildet hat; doch ist er nicht zu ausgereiften Schöpfungen gekommen. Davids Klassizismus hatte auch einen politischen Beigeschmack, und da er der in der Revolutionszeit herrschenden Tendenz zur Antike und vorab zur Geschichte der römischen Republik in Gegenständen und Form entsprach, so galt er als der erste Künstler der Revolution und folgerichtig auch des französischen Cäsarismus. Seiner Kunst fehlte jedoch die innere Wahrheit. Der idealern Haltung ihres Vorbildes Carstens entsprechend, hatten die folgenden deutschen Klassizisten sich in Gebieten bewegt, welche mit der nationalen Bewegung in keinem Zusammenhang standen, und blieben daher auch unpopulär. So Eberhard Wächter (1762-1852) und Gottlieb Schick (1779-1812), ferner Jos. Ant. Koch (1768-1839), welcher zugleich der Landschaft durch Anlehnung an Poussin und Cl. Lorrain einen neuen Aufschwung gab. Unabhängig von diesen Bestrebungen fußten die Münchener Landschafter W. v. Kobell, J. G. ^[Johann Georg] v. Dillis, J. J. ^[Johann Jacob] Dorner und M. J. ^[Max Joseph] Wagenbauer auf dem Studium der Holländer. Im entschiedenen Gegensatz gegen die Nachfolger Carstens' schlossen sich die Schüler Davids mehr der Realität an und erzielten neben Darstellungen aus der alten Geschichte und der Mythologie durch Verherrlichung der Thaten der französischen Nation und Napoleons große Erfolge. So besonders Girodet (1767-1824), Gérard (1770-1837) und Gros (1771-1835).

Nach Ablauf der ersten Jahrzehnte unsers Jahrhunderts fand die klassische Auffassung und Behandlung einen mächtigen Gegner in dem neuen Ideal der Romantik, die anfangs in der Litteratur, dann im Sammeln und im Studium von Kunstwerken des Mittelalters und zuletzt in deren künstlerischer Wiederbelebung ihren Ausdruck erhielt. In der M. ging Friedrich Overbeck (1789-1869) voran. An die Stelle des Altertums oder der Renaissance sollte das Mittelalter als Vorbild gesetzt und damit eine seelische Vertiefung der Kunst herbeigeführt werden. Von einer nationalen Auffassung war zunächst keine Rede; dagegen wurde die religiöse, römisch-katholische so sehr betont, daß eine Anzahl der Maler dieser Richtung, Overbeck voran, zum Katholizismus übertraten. Zu größerer Bedeutung gelangten außer ihm nur Wilh. Schadow, Ph. Veit, Jul. Schnorr v. Carolsfeld und H. Heß. Der bahnbrechende Meister war Peter Cornelius (1783-1867). Ein gemeinsames Denkmal hat sich diese Schule in den Fresken der Casa Bartholdy (jetzt in Berlin) und der Villa Massimi in Rom gesetzt. Doch wurde München der Hauptschauplatz der Thätigkeit für die neuere deutsche Kunst unter Cornelius' Führung. Overbeck blieb in Rom, wo sich J. ^[Joseph] v. Führich an ihn anschloß, welcher in Wien Overbecks Richtung neu belebte. Auch die Landschaft blieb vorerst in schwankender Mitte zwischen Naturstudium und romantischer Idealität, wobei W. Ahlborn und E. Agricola mehr dem erstern, C. Fohr, F. Horny und F. v. Rhoden mehr der letztern sich zuwandten, während K. D. Friedrich (1774-1840) zuerst die eigentliche Stimmungslandschaft (paysage intime) in Dresden kultivierte, gefolgt von K. G. Carus, E. E. Öhme, Ludwig Richter und J. Chr. ^[Johan Christian] Dahl.

In Frankreich wirkte der auch dort mit der Restauration auftauchende Geist der Romantik im Gegensatz zu den deutschen Romantikern in Rom mehr gegenständlich als formal. Darstellungen aus dem Mittelalter oder religiöse und Kirchenbilder wurden wieder populär. Ingres (1781-1867), der Schüler Davids, schloß sich besonders an Raffael und seine Vorgänger, sein Schüler H. Flandrin (1809-64) mehr an die strengern italienischen Meister des 15. Jahrh. an. Den Franzosen erschien indes der romantische Weg weit zusagender, den Th. Géricault (1791 bis 1824) betreten und E. Delacroix (1799-1863) wie Ary Scheffer (1795-1858) hauptsächlich ausgebildet hatten, und der das realistische und koloristische Element in den Dienst der Romantik brachte. Diese setzten an die Stelle der sanften Stimmung der deutschen Romantiker eine leidenschaftliche Erregtheit und statt der Formbestimmtheit der Deutschen eine oft bis zur Formlosigkeit gesteigerte Massen- und Tonwirkung. Dasselbe wurde auch das Ziel der Landschaft, welche durch Bonington, Huet, Cabat, Français, J. ^[Jules] Dupré, Th. Rousseau und andre Meister weiter ausgebildet und schließlich zum modernen Realismus geführt wurde.

Zu einer selbständigen und in Deutschland selbst sich bethätigenden deutschen Kunst war es erst mit der Berufung Cornelius' nach München und Düsseldorf gekommen (1819). Von nah' und fern strömten jetzt Schüler nach Düsseldorf, Gehilfen nach München. W. Kaulbach, K. Stürmer, H. Stilke, K. Schorn, A. Eberle, J. ^[Jakob] Götzenberger, K. Hermann, W. Röckel, H. Anschütz, Chr. Ruhen, E. Förster, Ph. Foltz u. a. versammelten sich schon in den ersten Jahren um den Meister, der ihnen auch am Rhein wie in München monumentale Beschäftigung verschaffte. Andre vorgerücktere Künstler berief Cornelius selbst, wie J. ^[Joseph] Schlotthauer, Kl. Zimmermann, H. Heß und Jul. Schnorr. In Berlin, wohin Cornelius 1841 übersiedelte, kam er über Entwürfe und Kartons für das projektierte Campo santo nicht hinaus. Auch Jul. Schnorr folgte 1848 einer Berufung nach Dresden. Gleichzeitig verließ ein Teil seiner Schüler München. Dagegen blieb Heinrich Heß, welcher als der Vertreter der nazarenischen Richtung bei den Kirchenbauten des Königs Ludwig anhaltende Beschäftigung fand, und wirkte mit großem Erfolg unter zahlreichen Schülern, worunter J. ^[Johann] Schraudolph hervorragt, bis an seinen Tod in München. An die Spitze der Münchener Malerschule schwang sich W. v. Kaulbach (1800-74) durch seine Hunnenschlacht und die Wandgemälde im Neuen Museum zu Berlin. Selbständige Erscheinungen neben Kaulbach waren in München noch Bonaventura Genelli, der Nachfolger von Carstens (1798-1868), und der Romantiker Moritz v. Schwind (1804-71). Neben letzterm ist noch der Romantiker Eugen Neureuther zu nennen.

An der Spitze der Düsseldorfer Schule steht W. Schadow, bedeutender durch sein Lehrtalent als durch seine Produktivität. Neben ihm wirkten als Lehrer besonders Karl Sohn (1805-67) und Th. Hildebrandt (1804-74), die Hauptvertreter der Düsseldorfer Romantik im Geschichtsbild. Von geringerer Bedeutung sind J. ^[Julius] Hübner (1806-82) und Chr. Köhler (1809-61), Ed. Bendemann (geb. 1811), welcher, 1838 nach Dresden berufen, im dortigen Schlosse seine bedeutendsten Werke schuf und später Direktor der Düsseldorfer Akademie wurde, E. Steinbrück, H. K. A. Mücke, H. Stilke und H. Plüddemann. Von größerm Einfluß als die Genannten wurde K. F. Lessing (1808-80), der in erstaunlicher Universalität dem Geschichtsbild wie der historischen Landschaft neue Bahnen eröffnete. Alfred