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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Murat

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Murat.

gliamento. 1798 begleitete er Bonaparte nach Ägypten, wo er in den Schlachten von Gaza und St.-Jean d'Acre seine stürmische Tapferkeit bewährte. Nach der Rückkehr des Heers nach Ägypten entschied er 25. Juli 1799 bei Abukir den Sieg, wofür ihn Bonaparte zum Divisionsgeneral ernannte. Nach Europa zurückgekehrt, trieb M. bei dem Staatsstreich vom 18. Brumaire in St.-Cloud an der Spitze von 60 Grenadieren den Rat der Fünfhundert auseinander. Bonaparte ernannte ihn dafür zum Kommandanten der Konsulargarde und verheiratete ihn 20. Jan. 1800 mit seiner jüngsten Schwester, Karoline (s. Bonaparte 7). In dem neuen italienischen Feldzug erzwang M. den Übergang über die Sesia und den Ticino und zeichnete sich bei Marengo aus. Zum Gouverneur der Cisalpinischen Republik ernannt, vertrieb er 1801 die Neapolitaner aus dem Kirchenstaat und schloß einen Waffenstillstand mit dem König beider Sizilien. Im Januar 1804 erhielt er das Generalgouvernement von Paris. Napoleon erhob ihn nach seiner Thronbesteigung 1804 zum Reichsmarschall, zum Prinzen des französischen Reichs, zum Großadmiral und zum Großoffizier der Ehrenlegion und übertrug ihm im Feldzug von 1805 den Oberbefehl über die Reiterei. Am 8. Okt. schlug M. die Österreicher bei Wertingen, nahm am 18. den General Werneck mit 16,000 Mann gefangen und drang 13. Nov. bis nach Wien vor. Kutusow ließ er 16. Nov. bei Hollabrunn entkommen, dagegen trug er bei Austerlitz 2. Dez. als Befehlshaber der gesamten Reiterei viel zum Sieg bei, wofür er 15. März 1806 zum Großherzog des neugeschaffenen Großherzogtums Berg erhoben wurde. Im Feldzug von 1806 wieder an der Spitze der Kavallerie, half er zum Sieg bei Jena mit, nahm Erfurt durch Kapitulation, zwang Hohenlohe zur Kapitulation von Prenzlau, eroberte bei Eylau mehrere russische Batterien, focht dann bei Friedland und bemächtigte sich später Königsbergs. Nach dem Tilsiter Frieden von dem Kaiser nach Spanien gesandt, bewog er Karl IV. zu der verhängnisvollen Reise nach Bayonne, zog 23. April 1808 an der Spitze der französischen Armee in Madrid ein, erhielt aber nicht den spanischen Thron, wie er gehofft, sondern an Joseph Bonapartes Stelle das Königreich Neapel, wurde 1. Aug. unter dem Namen Joachim I. Napoleon als König beider Sizilien proklamiert und nahm im September Besitz von Neapel; Sizilien blieb aber unter dem Schutz der englischen Flotte im Besitz der Bourbonen, und eine Unternehmung Murats gegen diese Insel 1810 scheiterte. Er wußte Milde mit Kraft zu vereinigen und that viel für die Herstellung der innern Ordnung und die Regelung der Verwaltung des Landes. Mit Napoleon geriet er allerdings manchmal in Konflikt, da auch er sich die rücksichtslose Ausbeutung seines Königreichs zum Vorteil des Eroberers nicht ruhig gefallen lassen wollte. Dennoch stieß M., als ihn der Kaiser zur Teilnahme am Feldzug nach Rußland aufforderte, mit 10,000 Mann zur Großen Armee, übernahm im April 1812 den Oberbefehl über die gesamte Kavallerie und focht mit glänzender Tapferkeit fast immer als Führer der Avantgarde. Als der Kaiser die Armee verließ, übertrug er (5. Dez. 1812) M. den Oberbefehl; dieser leitete den Rückzug von Smolensk nach Wilna. Während eines Aufenthalts in Italien begann er die ersten geheimen Verhandlungen mit Österreich und England, begab sich aber nach den Mai-Erfolgen Napoleons wieder zu dessen Heer. In der Schlacht bei Dresden 1813 befehligte er den rechten Flügel der Franzosen, der die Österreicher vernichtete. Nach der Schlacht bei Leipzig verließ er das Heer, um seinen Abfall vorzubereiten, und schloß 11. Jan. 1814 mit Österreich einen Vertrag, dem zufolge er 30,000 Mann zu dem Heer der Alliierten stellen sollte, wofür er den Besitz seiner Staaten von Österreich und England garantiert erhielt. Er bekämpfte hierauf den Vizekönig Eugen in Oberitalien. Da indessen nach dem ersten Pariser Frieden die Bourbonen seine Absetzung verlangten und auch die Verhandlungen des Wiener Kongresses sich ungünstig für ihn zu gestalten schienen, trat er mit dem Kaiser auf Elba in geheime Verbindung. Auf die Kunde von Napoleons Landung in Frankreich ließ er im Februar 1815 den Kirchenstaat besetzen, fast in demselben Augenblick, als Österreich auf dem Kongreß mit der Forderung durchgedrungen war, daß M. im Besitz seines Reichs verbleibe, und begann ohne Kriegserklärung 30. März die Feindseligkeiten gegen Österreich. Eine Proklamation verkündigte die Unabhängigkeit von ganz Italien, während er mit 40,000 Mann gegen den Po vorrückte. Von den Österreichern 12. April bei Ferrara geschlagen und bald mehrfach umgangen, trat er den Rückzug an, erlitt aber noch bei Tolentino (2. Mai) eine vollständige Niederlage. Er floh mit einigen Reitern nach Neapel, fand aber das Land in vollem Aufstand und eilte daher nach Frankreich. Von Napoleon zurückgewiesen, flüchtete er nach der Schlacht bei Waterloo 25. Aug. 1815 nach Corsica, sammelte hier ein kleines Korps Corsen und französischer Flüchtlinge und schiffte sich, auf die Sympathien der neapolitanischen Bevölkerung rechnend, 28. Sept. auf sechs Schiffen nach Neapel ein. Ein Sturm zerstreute jedoch seine Schiffe, und der schadhafte Zustand seines Schiffs zwang ihn 8. Okt. zur Landung bei Pizzo in Kalabrien. Er proklamierte sich hier an der Spitze von 30 Mann als König und Befreier Neapels, ward aber auf dem Marsch nach Monteleone von einem Haufen Bewaffneter angegriffen, auf der Flucht nach der Küste gefangen genommen, durch ein Kriegsgericht als Usurpator zum Tod verurteilt und 13. Okt. 1815 auf Schloß Pizzo erschossen. Sein Leichnam ruht in der Kirche daselbst. Zu Cahors ist ihm ein Denkmal errichtet. Seine Witwe Maria Annunciata Karoline, geb. 26. März 1782 zu Ajaccio, nahm den Titel einer Gräfin von Lipona (Anagramm von Napoli) an und starb 18. Mai 1839 in Florenz. Vgl. Gallois, Histoire de J. M. (Par. 1828); Helfert, Joachim M., seine letzten Kämpfe und sein Ende (Wien 1878).

Joachim M. hinterließ zwei Söhne: Achille M., geb. 21. Jan. 1801, lebte als Landwirt und Advokat in der Grafschaft Jefferson in Florida, war seit 1826 mit Karoline Dudley, einer Nichte Washingtons, vermählt und starb 15. April 1847. Er ist Verfasser des Werkes "Exposition des principes du gouvernement républicain tel qu'il a été perfectionné en Amérique" (1833). - Lucien Napoléon Charles, geb. 6. Mai 1803, begab sich gleichfalls nach Amerika, heiratete dort 1831 eine Amerikanerin, Georgine Fraser, und sah sich wegen zerrütteter Vermögensverhältnisse genötigt, ein Mädchenpensionat zu gründen. Nach der Februarrevolution von 1848 kehrte er nach Frankreich zurück, wurde in die Nationalversammlung gewählt, 1849 von dem Präsidenten Napoleon zum Gesandten in Turin, 1852 zum Senator ernannt und erhielt 1853 den Titel "Prinz". Während der politischen Umwälzungen in Italien 1859-61 wurden von seiten des Napoleonischen Hofs entfernte Versuche gemacht, um Lucien Napo-^[folgende Seite]