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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Neapel

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Neapel (Bauwerke, Bevölkerung).

[Bauwerke.] Von den Gebäuden Neapels haben nur wenige eine architektonische Bedeutung. Außerordentlich zahlreich sind die Kirchen, etwa 350 an der Zahl, darunter auch eine evangelische. Die größte und reichste Kirche ist der Dom des heil. Januarius (San Gennaro), im Stadtteil San Lorenzo, von König Karl II. neben der alten Kathedrale Santa Restituta, welche jetzt nur eine große Kapelle des Doms bildet, 1299 angelegt und nach dem Erdbeben von 1456 wie auch später vielfach restauriert. Er hat ein imposantes gotisches Mittelportal, ist dreischiffig und enthält zahlreiche Grabdenkmäler (von Papst Innocenz IV. u. a.), einen gotischen Bischofstuhl von 1342, ein altes Taufbecken von ägyptischem Basalt auf Porphyrbasament, schöne Gemälde und mehrere reichverzierte Kapellen, darunter die Cappella del Tesoro, ein prächtiger Kuppelbau mit farbigen Marmorsäulen, silbernen Heiligenstatuen, wertvollen Gemälden, dem in Silber und Gold gefaßten Haupte des Schutzpatrons und einem silbernen Tabernakel mit dem wunderthätigen Blute des Heiligen. Dem Portal der Kathedrale gegenüber liegt die Kirche San Filippo Neri, eins der glänzendsten Gotteshäuser Neapels. Nicht weit davon befinden sich die Kirchen San Paolo Maggiore, an der Stelle eines römischen Dioskurentempels, mit zwei von der antiken Vorhalle stehen gebliebenen Säulen und den Torsi des Kastor und Pollux, gegenüber San Lorenzo, im italienischen Stil restauriert. In den weiter südlich gegen den Hafen zu gelegenen Straßen der innern Stadt stehen die Kirchen: Sant' Angelo a Nilo, mit dem 1458 errichteten Grabdenkmal des Gründers, Kardinals Rinaldo Brancaccio; San Domenico Maggiore, ein großer gotischer Bau (1255), in neuester Zeit stark modernisiert; Santa Chiara (1310 gegründet), mit ausgezeichneten Reliefs aus dem 14. Jahrh.; Montoliveto, mit schönen Skulpturen und Grabmälern; San Giovanni Pappacoda, in überladenem gotischen Stil; San Severino, mit ehemaligem Benediktinerkloster, in dem das große Reichsarchiv sich befindet, mit schönen Fresken im Kreuzgang und einer Kapelle mit den Grabmälern der drei Brüder Sanseverini; das schöne Kirchlein Santa Maria l'Incoronata, mit Fresken im Kreuzgewölbe aus der Schule Giottos, die sieben Sakramente darstellend; San Giacomo degli Spagnuoli, dreischiffig, vom Vizekönig Peter von Toledo 1540 dem Hauptapostel der Spanier geweiht, mit bemerkenswertem Grabmal des Gründers, und die bereits erwähnte, 1816-31 erbaute Kirche San Francesco di Paola, eine Nachahmung des römischen Pantheons. Außerhalb der alten Stadt liegen die Kirchen: San Giovanni a Carbonara, nördlich vom Dom (1343 gegründet), mit den Denkmälern des Königs Ladislaus, des Giov. Caracciolo, Ferd. Sanseverino u. a. sowie der schönen Altarkapelle der Mirabolli; Santa Maria del Carmine, im östlichen Teil der Stadt, nahe dem Hafen, mit den Grabmälern Konradins von Schwaben (die Statue von Thorwaldsen modelliert) und Friedrichs von Baden und dem größten Glockenturm der Stadt; San Gennaro de' Poveri, mit Armenhaus und den Katakomben des heil. Januarius, d. h. dem unterirdischen, in Tuff ausgehauenen Friedhof der altchristlichen Gemeinde Neapels mit geräumigen Stollengängen in drei Stockwerken, die durch Treppen miteinander verbunden sind (vgl. Schultze, Die Katakomben von San Gennaro de' Poveri, Jena 1877); endlich unterhalb des Kastells Sant' Elmo die mit schönen Gemälden ausgestattete Kirche San Martino, mit dem gleichnamigen ehemaligen Kloster, in welchem gegenwärtig ein Anhang zum Nationalmuseum untergebracht ist, und von wo man eine der herrlichsten Aussichten auf Stadt und Umgebung genießt. Unter den weltlichen Gebäuden Neapels steht obenan das königliche Residenzschloß an der Piazza del Plebiscito (1600 von Fontana erbaut), ein großartiges Gebäude mit zwei Säulenreihen übereinander, welche einen weiten Hof einschließen, einer schönen Treppe und reichen Repräsentationssälen, mit Gemälde- und Waffensammlung. An das Schloß stoßen südlich die Kaserne der Marinesoldaten und das Arsenal mit dem dazugehörigen Hafenbassin (Darsena). Ein Kolossalbau ist ferner der Munizipalpalast, der einen Raum von 56,000 qm einnimmt, mit den Statuen Rogers I. und Friedrichs II. im Vestibül. Bemerkenswerte Gebäude innerhalb der Stadt sind noch: das Nationalmuseum (s. unten) und demselben gegenüber die Galleria Napoli, ein moderner Bazar, der Palazzo Gravina (jetzt Post- und Telegraphenamt), die Palazzi Maddaloni (jetzt Nationalbank), Angri, Sant' Angelo, Ottajano und das Theater San Carlo (von 1737), lange als das schönste und größte Theater berühmt, mit 192 in sechs Reihen aufsteigenden Logen. Im nordöstlichen Teil der Stadt liegt das Reale Albergo de' Poveri, ein ungeheures, 1751 begonnenes Armenhaus, und nördlich, bereits außerhalb der Stadt, von schönen Anlagen umgeben, der Palazzo reale di Capodimonte, ein Renaissancebau mit Gemälde- und Waffensammlung. N. besitzt fünf Kastelle, welche jedoch ihre Bedeutung als Befestigungswerke großenteils eingebüßt haben. Das wichtigste derselben ist das die Stadt überragende Castello Sant' Elmo aus dem Jahr 1535, welches durch seine Gefängnisse für politische Gefangene eine traurige Berühmtheit erlangt hat und eine überaus schöne Aussicht bietet. Die übrigen sind: das Castello Nuovo am Hafen, 1277 von Karl I. angelegt, früher königlicher Palast, jetzt Kaserne, mit dem 1470 erbauten schönen Triumphbogen König Alfonsos I. von Aragonien, im Innern mit Kirche und Waffensälen; das schon erwähnte Castello dell' Ovo, welches, die Südspitze Neapels bildend, auf einer Insel im Meer liegt und durch einen 200 m langen Steindamm mit dem Land verbunden ist (gegenwärtig Kaserne und Militärgefängnis); das Castello Capuano, angeblich schon im 12. Jahrh. erbaut, seit dem 16. Jahrh. Justizgebäude, mit dem östlich gelegenen, 1484-95 errichteten schönen Renaissancethor, der Porta Capuana; endlich das Castello del Carmine, das 1647 nach dem Volksaufstand an der Südseite des Hafens erbaut wurde. Die Wohnhäuser sind gewöhnlich 5-6 Stockwerke hoch, aus vulkanischem Tuff mit Puzzolanmörtel gebaut und weiß angestrichen; die Dächer, fast durchweg platt, dienen oft als reizende Gärtchen. Die hohen Fenster haben größtenteils Balkone mit Baldachinen. Unter den Friedhöfen ist der Campo santo nuovo einer der schönsten der Erde, entzückend durch seine herrliche Lage und Aussicht sowie durch die schöne architektonische Ausschmückung. In der Nähe liegt auch der protestantische Friedhof.

[Bevölkerung.] Die Bevölkerung beträgt in der eigentlichen Stadt (1881) 463,172, im Gemeindegebiet 494,314 Einw. und hat sich seit 1861 um 45,000 Einw. (d. h. um 10 Proz.) vermehrt. Das Volk von N. gilt als leidenschaftlich und vergnügungslustig; es charakterisiert sich aber auch durch Genügsamkeit, Gewandtheit, Sinn für Dichtung und Kunst. Der Bildungsstand der untern Volksschichten ist allerdings infolge der jahrhundertelangen Vernachlässigung ein geringer, doch wird unter den neuen staatlichen Verhältnissen für die Hebung der Volksbildung viel gethan.