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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Orĭent; Orientāl; Orientalische Frage; Orientalische Kirche; Orientalische Philologie

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Orient - Orientalische Philologie.

matikers Zenon von Kypros, ward Quästor von Konstantinopel und Leibarzt des Kaisers Julian des Abtrünnigen. Julians Nachfolger Valens und Valentinian verbannten O., doch ward er später zurückgerufen. Auf Julians Befehl verfertigte O. aus Galen und den Werken griechische Ärzte einen vollständigen Auszug in 70 Büchern (Synagogia iatrike), von welchem er 20 Jahre später zunächst für seinen Sohn Eustathius eine kürzere Übersicht in 9 Büchern (Synopsis) zusammenstellte. Nur einzelne Bücher haben sich in griechische Sprache erhalten, von denen unter dem Titel: "Medicinalia collecta" die 2 ersten Bücher von Gruner (Jena 1782, 2 Bde.), Buch 1-15 von Matthäi in "Veterum et clarorum medicorum graecorum varia opuscula" (Mosk. 1808), Buch 44, 45 und 48-50 von Mai in den "Classici ductores e vaticanis codicibus editi" (Bd. 4, Rom 1831) aus Handschriften zuerst bekannt geworden sind. Außerdem findet sich in der Sammlung von Cocchi ("Graecorum chirurgorum libri", Flor. 1754) das 46. und 47. Buch nebst Fragmenten des 48. und 49. griechischen und lateinischen, das 43. und 45. lateinische in "Vidi Vidii chirurgia" (Par. 1544). Die meisten Bücher des O. kannte man nur aus einer lateinischen Übersetzung, welche von Rosarius unter dem Titel: "Oribasii opera omnia" (Basel 1557, 3 Bde.) herausgegeben und von Stephanus in "Medicae artis principes" (Par. 1567, 2 Bde.) wieder abgedruckt wurde. Die vollständige Ausgabe ist die von Bussemaker und Daremberg (Par. 1852-76, 6 Bde.).

Orĭent (lat.), zunächst die Himmelsgegend, wo die Sonne scheinbar aufgeht, der Osten oder Morgen; dann s. v. w. Morgenland, im Gegensatz zum Abendland (s. Occident); in der Freimaurerei (franz. Grand-Orient) die versammelte Loge, als von der das Licht ausgeht, und der nach Osten gerichtete erhöhte Sitz des Meisters vom Stuhl.

Orientāl, fünfbindiger Baumwollatlas, in der Art des englischen Leders gewebt.

Orientalische Frage, die Frage der Lösung der durch die Verhältnisse des Orients bedingten Schwierigkeiten. Dieselben beruhen in der Lebensfähigkeit des Türkischen Reichs (s. d.), welches weder den Umfang seines Gebiets mit eigner Kraft behaupten, noch ein gedeihliches Verhältnis zwischen seinen mohammedanischen und christlichen Unterthanen herzustellen vermag. Die Versuche seiner Vasallenstaaten, wie Rumäniens, Ägyptens, Serbiens, Montenegros, von Tripolis und Tunis, oder der unterworfenen Völker, wie der Griechen, sich der türkischen Herrschaft zu entziehen, haben wiederholt "orientalische Fragen" oder Krisen hervorgerufen, indem die übrigen europäischen Mächte teils hemmend, teils fördernd in dieselben eingriffen. Während noch im 18. Jahrh. unter dem Eindruck der ausgezeichneten und starken, dem Christentum so verderblichen Militärmacht der Türkei einzelne europäische Mächte diese gegen die Eroberungskriege Österreichs und Rußlands nur indirekt und schüchtern unterstützen, stand zuerst England derselben 1798 gegen die ägyptische Expedition Bonapartes bei, und seitdem wetteiferten die Mächte, um im Orient entweder selbst, wie Rußland, Eroberungen zu machen, oder, wie Österreich und England, den Status quo zu erhalten und, da sie selbst dort keine Eroberungen machen können oder wollen fremde Eroberungen zu hindern, oder, wie wiederum England und Frankreich, den herrschenden Einfluß im Orient zu erlangen zur Beförderung politischer und kommerzieller Interessen. Besonders heftig entbrannte die o. F. während des griechischen Aufstandes, des Angriffs Ägyptens auf Syrien und vor und während des Krimkriegs (s. d.) sowie seit 1875 aus Anlaß des Aufstandes in der Herzegowina und in Bulgarien und des Angriffskriegs Serbiens und Montenegros gegen die Türkei. Als diese 1876 ihre Gegner besiegte, trat Rußland 1877 selbst in den Kampf ein, warf die türkische Militärmacht vollständig nieder und vernichtete durch den Frieden von San Stefano (3. März 1878) das türkische Reich in Europa fast vollständig. Rumänien und Serbien wurden ganz unabhängig, Griechenland vergrößert. Doch wurde durch den Berliner Kongreß der von Rußland geschaffene Bulgarenstaat erheblich beschränkt und Österreichs Macht auf der Balkanhalbinsel vergrößert, um Rußland die Spitze zu bieten. Neue Verwickelungen der orientalische Frage ergaben sich nun in Ägypten (1881) und in Bulgarien, das 1885 Ostrumelien (s. d.) mit sich vereinigte und durch seinen Konflikt mit Rußland den europäischen Frieden bedrohte. Die Schwierigkeit der Lösung liegt einesteils in der von religiösen und panslawistischen Motiven beeinflußten Eroberungssucht Rußlands, das seit Katharina II. sich als den Rechtsnachfolge des byzantinischen Kaiserreichs und Konstantinopel als seine legitime Hauptstadt betrachtet und daher, wenn es nicht offen Krieg führt, die griechisch-orthodoxen slawischen Unterthanen der Pforte in fortwährender Gärung erhält, andernteils in der Zerrüttung des türkischen Reichs und der Unfähigkeit seiner Regierung, ein gesundes, kräftiges, finanziell unabhängiges Staatswesen zu schaffen. Die frühern Schutzmächte Österreich, Frankreich und England aber bereicherten sich selbst auf Kosten der Türkei und strebten noch nach fernerm Gewinn, so daß Deutschland die einzige nicht interessierte Macht blieb. Vgl. Hagen, Geschichte der orientalische Frage (Frankf. 1877); Becker, Die Orientfrage, beantwortet aus den Verträgen von 1856 und 1878 (Berl. 1878); Döllinger, Die o. F. in ihren Anfängen (Wien 1879).

Orientalische Kirche, s. Griechische Kirche.

Orientalische Philologie. Das Studium der Sprachen und Litteraturen der Kulturvölker des Orients, insbesondere Vorder- und Mittelasiens, verdankt seine Begründung der Ausbreitung des Christentums in Europa; doch wurde während des ganzen Mittelalters das Hebräische, als die Sprache des Urtextes der Bibel und, wie man annahm, die Ursprache der Menschheit, zwar hoch verehrt, aber die Beschäftigung damit meist den Juden überlassen, welche, unterstützt durch die trefflichen Arbeiten arabischer Grammatiker über das nahe verwandte Arabische, den Grund zur wissenschaftlichen Bearbeitung des Hebräischen gelegt haben. Erst die Reformation veranlaßte auch die Christen, sich eingehender mit der Sprache der Bibel zu beschäftigen, bald auch mit dem Syrischen, Chaldäischen, Äthiopischen und dem Arabischen, auf das schon früher die Berührung mit der arabischen Kultur in Spanien, Sizilien und Palästina und das dadurch erweckte Interesse an der reichen Litteratur der Araber, besonders an ihren Übersetzungen Aristotelischer Schriften, hingeführt hatte. Ebenfalls in das 16. Jahrh. fällt der großartige Aufschwung der Missionsthätigkeit, welche in die europäische Wissenschaft einen noch viel weitern Kreis von orientalische Sprachen einführte. Papst Gregor XIII. stiftete eine Missionsanstalt mit vier Kollegien für morgenländische Nationen in Rom, Urban VIII. ebendaselbst 1627 das berühmte Collegium de propaganda fide zur Ausbildung von Missionären und Anleitung derselben zum Studium orientalische Sprachen, das auch das Verdienst hat, eine Menge wichtiger orientalische Werke