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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Paraffinöl - Paraguay (Fluß).

Filtration und beseitigt den Geruch durch Behandeln mit stark gespanntem Wasserdampf. Das gereinigte P. kommt in Form von Tafeln oder Blöcken in den Handel. In ähnlicher Weise wie aus Braunkohle wird P. aus Erdwachs und Erdöl gewonnen, in letzterm Fall als Nebenprodukt. Die bei der Fabrikation entfallenden Teeröle finden unter verschiedenen Namen technische Verwendung (s. Mineralöle). Bester Braunkohlenteer liefert 17, Rangunteer 10, javanisches Erdöl 40, Teer aus Bogheadkohle bis 15, Erdwachs bis 50 Proz. und mehr, amerikanisches russisches und galizisches Erdöl sehr wenig.

P. wurde 1830 von Reichenbach im Holzteer entdeckt, nachdem Bucher schon 1820 eine fettartige Substanz aus Erdöl von Tegernsee erhalten hatte, deren Identität mit P. Kobell erkannte. Reichenbach nannte den Körper P., weil er sich auffallend wenig reaktionsfähig (parum affinis) zeigte. Die Paraffine aus Erdöl enthalten vornehmlich Kohlenwasserstoffe der Sumpfgasreihe, die Teerparaffine vorwiegend solche der Äthylenreihe u. a. Der Wert der Paraffine wird hauptsächlich durch den Schmelzpunkt bedingt, welcher zwischen 30 und 63° liegt. Die bei und über 50° schmelzenden Sorten nennt man harte, die leichter schmelzbaren weiche Paraffine. Je härter, desto wertvoller sind sie, und man sucht deshalb die schwer schmelzbaren Kohlenwasserstoffe von den leichter schmelzbaren möglichst zu trennen, was aber nur unvollständig gelingt. Die Paraffine des Handels sind stets kristallinisch, farb-, geruch- und geschmacklos, durchscheinend, fühlen sich schlüpfrig an, spez. Gew. 0,869-0,877, sieden bei 350-400°, entzünden sich an der Luft bei etwa 160°, lösen sich in Äther, Benzol, Schwefelkohlenstoff, flüchtigen und fetten Ölen, wenig in Alkohol, nicht in Wasser. Mit Walrat, Wachs und Stearinsäure lassen sie sich zusammenschmelzen. Sie widerstehen verdünnten Säuren und Alkalien, und besonders die harten sind sehr beständig. Bei hoher Temperatur, namentlich unter erhöhtem Druck, zerfallen sie in flüssige und gasförmige Kohlenwasserstoffe. Beim Erhitzen mit Schwefel entwickelt P. sehr gleichmäßig Schwefelwasserstoff. Belmontin ist P. aus Rangunteer, Vaselin (Kolloidparaffin) weiches P. aus pennsylvanischem Erdöl, Ceresin P. aus Ozokerit.

Das härteste P. dient zur Fabrikation von Kerzen und zum Überziehen von Fleisch und Früchten behufs der Konservierung; weiches dient als Zusatz zu Stearin und Wachs bei der Kerzenfabrikation, zum Tränken der schwefelfreien Reibzündhölzchen, zur wasserdichten Appretur von Geweben, Leder, Tauen, zur Herstellung der Wachspuppen, als Schmiermittel, zum Konservieren von Holz, zur Gewinnung zarter Parfüme, zum Dichten der Fässer, zum Verhüten des Schäumens beim Verkochen der Rübensäfte, zum Satinieren und Polieren von Glanzpapier, als Surrogat des Wachses (Ceresin), zum Tränken von Gipsabgüssen, bei Herstellung von Patronen, als Brennmaterial in der Glasbläserlampe, bei Fabrikation von Hartglas, zu Bädern und auch sonst als Hilfsmittel bei chemischen Operationen. P. wurde 1849 von Reece in Irland aus Torfteer, von Wagemann und Vohl zu Beuel bei Bonn aus Schieferteer dargestellt. Zu größerer Bedeutung gelangte diese Industrie aber erst, als man zu Anfang der 50er Jahre in Schottland aus einigen Sorten Steinkohle (besonders Bogheadkohle) und 1856 in der Provinz Sachsen aus Braunkohle große Ausbeute gewann. Young in England und Hübner in Rehmsdorf bei Zeitz erwarben sich besonders um die Entwickelung der Paraffinindustrie große Verdienste. 1885 wurden in der Provinz Sachsen ca. 160,000 Ztr. P. aus ca. 1,165,000 Ztr. Braunkohlenteer gewonnen; daneben 240,000 Ztr. Leuchtöle und 480,000 Ztr. schwere Öle. England liefert jährlich ca. 600,000 Ztr. P. Die Industrie leidet sehr unter der Konkurrenz andrer, die sich mit Herstellung von Leuchtmaterialien befassen, die sächsische Paraffinindustrie speziell auch unter dem Umstand, daß die verwendbare Braunkohle fast erschöpft ist. Vgl. Albrecht, Das P. und die Mineralöle (Stuttg. 1875); Perutz, Die Industrie der Mineralöle etc. (Wien 1868-80, 2 Bde.).

Paraffinöl, in der Paraffin- und Mineralölfabrikation erhaltenes schweres Teeröl, auch gut gereinigtes Erdöl (s. d.); vgl. Mineralöle.

Paragenesis (griech.), das Zusammenentstehen. P. der Mineralien, die Lehre von dem Zusammenvorkommen, der Association der Mineralspezies und den aus der Verknüpfung zu ziehenden Schlüssen auf Art und Reihenfolge der Bildung. Von besonderm praktischen Wert ist die P. für die Kenntnis der Erzgänge. Der Name stammt von Breithaupt, der 1849 ein zusammenfassendes Lehrbuch unter dem Titel: "Die P. der Mineralien" publizierte.

Paragium (neulat., Partagium), die den nachgebornen Prinzen fürstlicher Häuser und deren Deszendenz bewilligte Abfindung und zwar "mit Land und Leuten", d. h. mit Grundbesitz, wie sie im Mittelalter vielfach üblich war. Vgl. Apanage.

Paraglobulin, s. Fibrin.

Paragoge (griech.), bei den Grammatikern der alten Schule die Verlängerung eines Wortes durch Anhängung eines oder mehrerer Buchstaben an das Ende desselben, z. B. bei niemand, aus dem altdeutschen nieman; daher paragogisch, am Ende verlängert.

Paragonit, s. Glimmer.

Paragonitschiefer, s. Glimmerschiefer.

Paragramm (griech.), etwas "Hinzugeschriebenes", ein eingeschobene Zusatz; Fälschung einer Schrift durch Buchstabenveränderung etc.; auch eine Art Wortwitzspiel, entstehend aus der Weglassung oder Änderung des ersten Buchstaben, z. B. Biberius ("Trunkenbold") statt Tiberius.

Paragraph (griech.), eigentlich jedes daneben- oder beigeschriebene Zeichen (Linie, Punkt etc.), bei den Alten ein Zeichen, dessen sich die Grammatiker und Kritiker zur Interpunktion, zur Unterscheidung der im Drama sprechenden Personen oder auch zur Andeutung unechter Worte und Stellen in den Schriften der Klassiker bedienten. Später bezeichnete man, wie noch gegenwärtig geschieht, mit P. die in Gesetzeswerken sowie in wissenschaftlichen Schriften der bequemern Übersicht wegen gemachten, meist kleinern Abschnitte, denen man das mit fortlaufenden Ziffern numerierte Paragraphenzeichen (§) vorsetzt.

Parágras, s. v. w. Piassaba, s. Attalea.

Paraguana, Halbinsel an der Nordküste von Venezuela, mit der sie zwischen den Inseln unter dem Wind und dem Golf von Maracaibo durch eine schmale Landenge zusammenhängt.

Paraguarí, Villa im südamerikan. Staat Paraguay, 70 km östlich von Asuncion (Endpunkt der Eisenbahn), hat Tabaksbau und war früher als Jesuitenmission von Bedeutung. Dabei Cerro Porteño, wo General Belgrano 1811 geschlagen wurde.

Paraguassú, Fluß in der brasil. Provinz Bahia, vereinigt sich bei Cachoeira (s. d.) mit dem Jacuhype und mündet in die Bahia de Todos os Santos.

Paraguay (spr. -gwai, Rio P., in der Guaranisprache Para-qua-y, "Quelle des Meers"), Strom in